Predigt zu Johannes 15, 9-17; 5. Sonnntag nach Ostern – 10. Mai 2015

love

Die Liebe ist eine Himmelsmacht.  Das haben wir doch alle schon einmal gehört, oder?  Und manchmal erscheint es auch so, als sei die Liebe überweltlich, wunderschön, kaum zu glauben. Und wenn wir an die christliche Religion denken, so sollte uns auch Liebe in den Sinn kommen – die christliche Religion, so glauben wir, basiert auf Liebe, und ganz besonders Gottes Liebe für uns und für die ganze Welt. Aber dann werden wir doch mit dem heutigen Evangelium fast mit der Liebe erschlagen. Wenn ich richtig gezählt habe, dann benutzt der Evangelist Johannes das Wort ‘Liebe’ zehnmal. Und so bietet es sich natürlich an, heute über Liebe nachzudenken, und nicht nur, weil Muttertag ist.

Nun ist es so, daβ der Begriff ‘Liebe’ recht weitumfassend für uns ist. Der Begriff Liebe wird in vielerlei Hinsicht und auch recht häufig und gerne benutzt. Liebe ist zu einem Universalwort geworden. An einem Tag wie dem heutigen, Muttertag, reden wir z.B. viel von Liebe, und ich denke, zurecht. Unsere Mütter, Groβmütter und all jene, die uns in unserem Leben mütterliche Fürsorge erwiesen haben, haben sich einen Ausdruck unserer Liebe verdient, und nicht nur heute, wenn ich das mal sagen darf. Und diejenigen unter uns hier und heute, die selbst Mütter sind oder mütterliche Fürsorge weitergegeben haben, haben auch etwas Anerkennung verdient, richtig?

Nun haben wir in der deutschen Sprache das eine Wort, Liebe, und dieses Wort kann unter vielen verschiedenen Umständen benutzt werden. Aber wuβten Sie, daβ es im griechischen, der Sprache des Neuen Testamentes,vier verschiedene Worte für Liebe gibt?  Zum einen gibt es ‘Eros’, und ich denke, diese Art Liebe brauche ich nicht groβ zu erklären.  Eros ist leidenschaftliche Zuneigung, und oft mit körperlicher Attraktion verbunden. Im deutschen haben wir das Wort ‘erotisch’, und zahlreiche Groschenromane und andere Geschichten sind über diese Art Liebe geschrieben worden.

Dann gibt es Philia. Philia ist eine Art freundschaftliche Liebe, in der Menschen Interessen miteinander teilen und gerne Zeit miteinander verbringen.  Das kann unter Freunden oder Freundinnen sein, oder auch in der Familie. Philia ist die Art Liebe, in der sich Menschen sympathisch finden.

Dann gibt es Storge. Storge ist eine Art natürlicher Zuneigung, wie sie zwischen Eltern und Kindern besteht. Storge finden wir also hauptsächlich in Familien. Und die Liebe, die wir heute am Muttertag feiern, kann am ehesten mit Storge identifiziert werden.

Und dann gibt es Agape. Agape ist ein besonderer Fall von Liebe. Agape triftt einen nicht einfach, wir Amors, oder Eros’, Pfeil – oder ist einfach, wie Philia, oder kommt ganz natürlich, wie Storge: Agape ist die Art von Liebe, die wir an denen praktizieren, die wir eigentlich nicht so liebenswert finden. Menschen, die wir nicht mögen. Wie unsere Feinde, zum Beispiel, oder jene, die uns wehgetan haben.  Menschen, deren Taten wir nur verstӓndnislos gegenüberstehen, und vielleicht sogar verurteilen – und in diese Kategorie gehӧren für viele hier wahrscheinlich diejenigen, die in Baltimore und an anderen Orten hier im Lande ihrer Wut und ihrer Frustration mit Gewalt Ausdruck in den letzten Wochen Ausdruck gegeben haben.

Agape ist die Art Liebe, zu der wir uns zwingen müssen. Vielleicht könnten wir Agape als die Liebe bezeichnen, die tief und universal ist – das Gefühl, mit Gottes gesamter Schöpfung verbunden zu sein, und das zu Respekt für die gesamte Schöpfung Gottes führt. Und dies bringt uns wieder zum Bild des Weinstocks und der Reben zurück, von dem wir am vergangenen Sonntag gehört haben. Wir sind alle miteinander und mit Gottes Schöpfung verbunden, und darum allein sollten wir allen und allem mit Liebe begegnen.

Und diese Liebe, Agape, ist manchmal ganz schön schwierig. Und raten Sie mal, welches Wort zumeist benutzt wird, wenn wir um Neuen Testament davon hören, da Jesus von Liebe spricht? Wenn Jesus von der Liebe spricht, dann redet er nicht von einem Gefühl, das uns so einfach überkommt, sondern von der Liebe, die schwierig ist – von der Liebe, die einer gewissen Anstrengung bedarf. Wenn wir also im Neuen Testament von der Liebe lesen, so wie im heutigen Evangelium, dann handelt es sich um diese schwierige Liebe, Agape.

Agape ist natürlich die Liebe, die Jesus Christus verkörpert. Denn Christus liebte die Welt und die Menschheit, obwohl es soviel Sünde und Übel gibt; er liebt nicht weil, sondern trotzdessen.  Und diese Liebe führte zur Vergebung und zum Selbstopfer Jesu. Jesus Christus versucht, alle zu erreichen: Juden und Heiden, Männer und Frauen, arm und reich, alt und jung, krank und gesund, die, die in der Gesellschaft respektiert werden, und die Verachteten. Jesus versucht sogar, jene zu erreichen, die ihn töten: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. Jesus Christus liebt die, die auf den ersten Blick keine Liebe verdienen. Und somit eröffnet Christus seinen Anhängern eine neue Perspektive und einen neuen Geist: den Geist, der nicht die Rache sucht, sondern den Geist der Vergebung und des Verständnisses.  Und somit wird eine neue Art von Gemeinschaft ins Leben gerufen.

Dennoch weiβ Jesus, daβ es auch seinen Jüngern schwerfallen wird, in diesem Geist der Liebe, der Agape, zu leben. “Das ist mein Gebot, daβ ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe. Niemand hat gröβere Liebe als die, daβ er sein Leben läβt für seine Freunde…Das gebiete ich euch, daβ ihr einander liebt.”

Jesus gibt uns sein Gebot: zu lieben, ohne Vorbehalte, voller Respekt und Vergebung. Jesus weiβ, daβ er dies seinen Jüngern – und uns, gebieten muβ; sondern würden wir es wohl kaum tun, da es doch irgendwie gegen die menschliche Natur geht. Es sieht ganz so aus, als hätten sich die ersten Nachfolgenden Jesu doch versucht, daran zu halten; in der Apostelgeschichte hören wir des öfteren davon, wie die junge christliche Gemeinde alles miteinander teilte und das Brot gemeinsam brach. Obwohl es auch hier bald zu der herausfordernden Frage kam: wer soll in diese Liebe, diese Agape, eingeschlossen werden? Hat Jesus wirklich gemeint, daβ wir alle lieben sollen?

Und die heutige erste Lesung aus der Apostelgeschichte beschreibt den zufriedenstellenden Ausgang dieses Dilemmas der frühen christlichen Gemeinde: die ersten Jünger und Jüngerinnen Jesu waren natürlich Juden, und so wurde zunächst angenommen, daβ das Gebot zur Agape nur anderen Juden galt.  Aber dann beginnt Petrus, auch Auβenseiter, Ungläubige, Heiden, zu taufen, und das mischte die Gemeinde dann doch ganz schön auf.

Doch Petrus lernt durch Gottes Eingreifen, worum es bei wahrer Agape geht: die Auβenseiter einzuschlieβen. Und das gilt auch für die Heiden. Gott hat alle Menschen erschaffen, und Gott sendet seinen Heiligen Geist unter alle, und bekräftigt dadurch: auch dies sind meine Kinder. Und die junge christliche Gemeinde tat sich anfangs wirklich mit dieser Inklusion schwer.  Doch gerade dank der Heidenmission des Apostels Paulus wurde dann die Frage, wer in die Agape eingeschlossen werden soll, zugunsten aller entschieden.  Doch wissen wir alle, daβ dies dann noch lange nicht das Ende des Liedes gewesen ist – man muβ sich nur die Kirchengeschichte ansehen, um Streitereien über Dogma und Ritual, Exkommunikationen und Abspaltungen, Kreuzzügen und Inquisition zu finden.  Selbst heute haben wir ja innerkirchlich noch Streitigkeiten. Und so erkennen wir: nein, es ist nicht einfach, so zu lieben, wie Gott uns liebt.

Und dann müssen wir ja auch zugeben, daβ auch wir so unsere Probleme mit der Liebe haben. Lieb deinen Nächsten wie dich selbst, so hören wir, and dann verfluchen wir doch den Autofahrer, der uns auf dem Freeway schneidet, wir klatschen und tratschen, und wir halten an unserer Verbitterung fest, anstatt zu vergeben.  Es fällt uns auch schwer, die zu lieben, die eben nicht so sind wie wir. In unserer Gemeinde haben wir keine Probleme mit Philia, der Liebe unter Gleichgesinnten, und das ist eine wunderbare und wichtige Art der Liebe. Doch wenn wir ehrlich mit uns sind, macht uns radikale Agape doch nervös, zum Beispiel Obdachlosen gegenüber. Wir sind dazu aufgerufen, unsere Liebe dann doch noch ein Stück weiter auszudehnen.

Jesus, wie üblich, fordert uns heraus – und wir wissen wahrscheinlich alle, daβ wir durch Herausforderungen besser werden und wachsen. Und Jesus hat irgendwie das Vertrauen und die Zuversicht, daβ wir es in uns haben, auch die zu lieben, die nicht so sind wie wir; daβ wir  nicht Übles mit Üblem vergelten, sondern das, was uns an Schlimmem angetan wird, mit Geduld und Gewaltlosigkeit entgegnen können. Jesus mag diese Art Liebe gebieten müssen, doch scheint er zuversichtlich zu sein, daβ es machbar ist, wenn wir uns nur anstrengen. Es braucht schon Übung. Doch die Jünger Jesu werden nicht ohne Grund so genannt; im grichieschen haben wir das Wort ‘matatheis’ für Jünger, und das heiβt Schüler oder Lehrling, also sind diese Jünger und auch wir dazu angehalten, zu lernen und unser Handwerk als Christen zu üben und somit ständig besser zu werden.

Die Welt wird nicht besser durch Vergeltung, Auge um Auge, Zahn um Zahn, wie wir in vielen Krisengebieten der Welt sehen, wie z.B. im Mittleren Osten. Die Welt wird auch nicht ebsser dadurch, daßwir nur die lieben, die uns sowieso sympathisch sind. Liebe, in all ihren Ausdrucksweisen, doch besonders als Agape, ist womöglich die einzige Chance, die diese Welt hat, wenn sie überleben will. Die Liebe ist nicht nur eine Himmelsmacht, sondern auch eine Lebensmacht.  Liebe führte Jesus Christus zu Kreuzigung und Auferstehung.  Und Liebe steckt hinter allem neuen Leben. Nur die Liebe kann eine Transformation bewirken.

Und diese Liebe fängt bei uns an. Uns wird von Christus geboten, zu lieben – und zwar nicht nur unsere Mütter, nicht nur die, von denen wir mütterliche Liebe erfahren haben, nicht nur jene, die uns Gutes getan haben.  Nicht nur jene, die wir begehren, nicht nur jene, deren Gesellschaft wir genieβen.  Und wird geboten, all jene zu lieben, die Gott in Gemeinschaft mit sich einlädt. Und das sind nun einmal alle.

Und, ja, dies ist eine Herausforderung.  Und wir müssen uns darin geduldig üben, so zu lieben, wie Christus es gebietet und erwartet.  Wir mӧgen nicht immer Erfolg mir dieser Art Liebe haben. Doch können wir gewiβ sein, daβ wir in alledem von der gröβten Liebe umfangen und getragen sind – der Liebe Gottes, der sich um uns sorgt, wie ein Vater – und eine Mutter.