Der Herr ist auferstanden, halleluja!

 

Ja, es ist immer noch Ostern – und wird es auch noch für sechs Wochen bleiben. Aber ich muβ schon gestehen, daβ die Luft so ein biβchen raus ist nach dem letzten, wunderbaren Ostersonntag. In der vergangenen Woche sah ich eine Tagline, wie man so schӧn sagt, auf Facebook: He is risen! Now what? Er ist auferstanden! Und was nun?

 

Das ist eine gute Frage, denken Sie nicht? Was nun? Was machen wir nun mit dieser wunderbaren Botschaft, daβ Christus den Tod und das Grab überwunden hat? Was machen wir mit der wunderbaren Botschaft, daβ Gott uns und aller Kreatur ein neues Leben schenkt?

 

Wie gehen wir mit Gottes Vision für die Welt um, eine Welt, in der so viele lebensbedrohliche und lebenszerstӧrende Krӓfte am Werk sind? Erst gestern haben wir ‚Earth Day‘, den Tag der Erde begangen. In einer perfekten Welt würden wir an jenem Tag einfach nur die Schӧnheit und die Kraft der Natur bestaunen und einfach nur feiern; doch dann wissen wir alle nur zu gut, daβ dieser Planet und viele seiner Lebensformen leiden. Deshalb sind ja auch gestern soviele Leute auf die Straβe beim ‚March for Science‘, dem Marsch für die Wissenschaft, gegangen, um zu protestieren und gegen Ignoranz zu demonstrieren – der auch den Zweifel am menschlichen Einfluβ auf den Klimawandel, der sehr wohl wissenschaftlich dokumentiert ist, mit einschlieβt.

 

Wir als Menschheit mit unseren immer wachsensen Bevӧlkerungszahlen und der unersӓttlichen Notwendigkeit und auch der unersӓttlichen Gier nach mehr Nahrung, mehr Ressourcen, mehr an allem, drӓngen viele unserer Mitkreaturen aus ihrem Lebensraum; wir zerstӧren delikate und ausbalancierte Ӧkosysyteme und sehen anscheinend nicht – oder wollen auch nicht sehen – wie diese Zerstӧrung auch uns irgendwann einmal betreffen wird. Und wenn nicht uns, so doch unsere Kinder und Kindeskinder.

 

Bienenpopulationen, z.B., sterben aus, und nun raten Sie mal, was passiert, wenn es keine Bienen und somit weniger Bestӓubung von Pflanzen gibt – da gibt’s dann auch irgendwann keine Früchte der Erde mehr. Steigende Meeresspiegel als Folge des sehr vom Menschen beeinfluβten Klimawandels mӧgen derzeit zwar nur arme Bevӧlkerungen ganz weit weg von uns betreffen, doch irgendwann steht uns in den Küstenregionen dann auch einmal das Wasser bis and den Hals.

 

Die Anbetung unseres goldenen Kalbes, der Wirtschaft und des gedankenlosen Konsums, wie wir sie vor allem in diesem Teil der Welt finden, trӓgt weiter zur Zerstӧrung der Erde, Gottes guter Schӧpfung und unseres einzigen Lebensraums bei. Nun ist dies eine unangenhme Wahrheit für all jene, die irgendwie von der Zerstӧrung des Planeten profitieren, und so haben wir dann Zweifel am Klimawandel und die Verneinung des Klimawandels. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie traurig und auch wütend ich bin, daβ es soviele Krӓfte in dieser Welt gibt, die mutwillig zerstӧren. Der Herr ist auferstanden – na und?  Was nun? Wie verkündigen wir die frohe Botschaft eines neuen Lebens für alle Kreatur in einer Welt, die so hӓufig gleichmütig oder ignorant ist?

 

Nun trӧstet es mich ein wenig, daβ ich nicht die einzige bin, die sich nach Ostern ratlos und vielleicht auch überfordert fühlt. Wir müssen uns da nur einmal das heutige Evangelium ansehen, um zu sehen, daβ sich Jesu Jünger damals nach der Auferstehung ӓhnlich gefühlt haben. Das Evangelium beginnt am Tag der Auferstehung, genauer gesagt am Abend. Vielleicht sind 12 Stunden vergangen, seitdem Maria Magdalena den Jüngern die frohe Botschaft überbracht hat: er ist auferstanden!

 

Er ist auferstanden – was nun? – scheinen sich auch die Jünger zu fragen. All dies ist dann ja doch absolut unerwartet, sie wissen nicht, was sie mit dieser Information anfangen kӧnnen oder sollen, sie kӧnnen es sich einfach nicht vorstellen, wie ihr Leben nach der Kreuzigung – und der Auferstehung – Jesu weitergehen soll. Das, was ihnen noch in den Knochen steckt, ist Trauma und Gewalt und Verrat und Tod und Trauer. Die Auferstehung Jesu hat die Situation nicht magisch verӓndert: Pilatus und die Rӧmer sind immer noch an der Macht in Jerusalem, und die Situation für die Anhӓnger Jesu ist immer noch bedrohlich – da ist die Gefahr, daβ sie, als Anhӓnger eines verurteilten Kriminellen, ebenfalls verfolgt und verurteil werden. Also hat die Auferstehung anscheinend nichts, aber auch gar nichts, verӓndert. Was nun?

 

Die Jünger gehen da lieber auf Nummer sicher. Einige oder auch alle unter ihnen mӧgen so ihre Zweifel daran haben, was ihnen Maria Magdalena verkündigt hat. Auf jeden Fall verӓndert die frohe Botschaft ihr Leben nicht – noch nicht. Da muβ Christus schon auf dramatische Weise selbst unter ihnen erscheinen, um sie aufzurütteln. Er schleicht sich einfach herein, die verriegelten Türen sind ihm kein Hindernis, und zeigt ihnen: Ich bin’s wahrhaftig!  Er identifiziert sich eindeutig, indem er ihnen seine Wundmale der Kreuzigung zeigt, und da, so hӧren wir, da waren die Jünger und froh, daβ sie den Herrn sahen. Wir neigen dazu, mit den Fingern auf den armen Thomas zu zeigen, daβ er nicht einfach den Worten seiner Freunde vertraut hat, daβ Christus erstanden ist; in der Tradition ist er Thomas, der Zweifler, der Unglӓubige geworden; doch wir sollten da ihm fair gegenüber sein: er, so wie auch alle anderen Jünger, braucht etwas mehr als nur ein wӧrtliches Zeugnis, um zu glauben.

 

Nun aber will ich auf die zehn Jünger zurückkommen, die am ersten Osterabend beisammenwaren. Wenn man der Geschichte aufmerksam zuhӧrt, so scheint es, daβ selbst die Erfahrung Christi und der Empfang des Heiligen Geistes, den Christus auf sie blӓst, die Haltung der Jünger nicht verӓndert. Die ‚was nun?‘ Phase geht weiter. Denn wir hӧren, daβ die Jünger genau eine Woche spӓter im selben Haus mit den selben verriegelten Türen sind. Sie verstecken sich noch immer. Nur ist nun Thomas unter ihnen. Und ich kann es ihm überhaupt nicht verdenken, daβ er den Worten seiner Freunde über Jesu Auferstehung nicht traut – denn sie verhalten sich immer noch so, als wӓre er tot. Sie sind immer noch so verwirrt und orientierungslos wie vor einer Woche. Und wieder kommt Christus zu ihnen, erneut blӓst er den Heiligen Geist auf sie, und nun zeigt er Thomas seine Wundmale, genauso, wie er sie zuvor den zehn anderen gezeigt hat. Und so kann dann auch Thomas ausrufen: ‚Mein Herr und mein Gott!‘ Also, ich nenne das nicht unglӓubig! Aller Zweifel ist für ihn ausgerӓumt. Dies ist wahr.

 

Aber, spoiler alert, wie man hier so schӧn sagt, selbst dieses zweite Begegnung bringt noch keine Verӓnderung für die Jünger. Da muβ Jesus noch ein drittes Mal unter sie kommen, bevor sie verstehen, daβ sie nun auf einer Mission sind: die Arbeit weiterzuführen, die Jesus begonnen hat. Sich um die Armen und die Verletzlichen zu kümmern. Das Himmelreich in Wort und Tat zu verkündigen. Ein Wort des Trostes und der Ermӓchtigung zu all denen zu sprechen, die von jedweden Dӓmonen und bӧsen Mӓchten unterdrückt werden. Christus mag zu ihnen schon bei der ersten Begegnung nach der Auferstehung sagen: ‚Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Und so geht’s weiter!‘ Doch dauert es dann ein wenig, bis die Jünger das dann auch begreifen – und ausführen. Und die Menschen mӧgen danach Christus nicht mehr leibhaftig sehen – doch sehen sie, wie Christus und seine Mission in seinen Nachfolgern Fleisch wird, und durch ihre Liebe, Gnade und Barmherzigkeit. Und so kommen dann auch andere zum Glauben, und so kann sich dann auch die Christusbewegung stetig ausbreiten.

 

Die Worte, die Jesus im heutigen Evangelium zu Thomas spricht: ‘Selig sind, die nicht sehen und doch glauben’ – sind hӓufig dahin interpretiert worden, daβ wir blind glauben sollen. Doch habe ich so meine Probleme mit solch einer Interpretation, gerade im Kontext des gesamten Johannesevangeliums, das ganz im Zeichen des Lichtes und des Sehens und des Erkennens steht – der Erfahrung Gottes in Jesus Christus.

 

Und, wie wir aus der Geschichte gelernt haben, da kann blinder Glaube an irgendeine Ideologie oder Führunspersӧnlichkeiten auch katastrophale Folgen haben. Wenn wir unsere Scheuklappen anlegen und uns auf eine gewisse Sache fixieren, so verlieren wir alles und jeden um uns herum aus den Augen – und lassen hӓufig einen Pfad der Zerstӧrung zurück. Viele Führungspersӧnlichkeiten dieser Welt hatten anfӓnglich nur gute uns ehrenvolle Absichten, aber wurden dann zu Monstern in ihrem Ziel, ihre Ideologie und ihre hehren Ideen auch Andersdenkenden gegenüber durchzusetzen. Wladimir Iljitsch Lenin ist ein Paradebeispiel dafür, aber dann fallen uns vielleicht auch andere und aktuellere Beispiele ein. Und auch in unserer christlichen Geschichte gibt es da so einige wenig ruhmreiche Kapitel, in denen Menschen mit einem besonderen Begehren, das Reich Gottes auf Erden zu errichten, Andersdenkende und Andersglӓubige unterdrückten, ihnen Gewalt antaten oder gar im Namen Gottes folterten und tӧteten.

 

 

Nein, wir müssen unsere Augen und Ohren und unseren Verstand und vor allem unsere Herzen offenhalten, und zwar stӓndig. Wir dürfen nicht einfach blind glauben, was uns Politiker oder die Medien oder Ideologen oder diejenigen, die uns den Traum vom Konsum verkaufen wollen, erzӓhlen. Zweifel und ein kritischer Unglaube sind gut, denn sie halten uns wach und machen uns achtsam – aber sie halten unser Denken und Fühlen auch für all die Mӧglichkeiten, die es um uns herum gibt, offen. Thomas und die anderen Jünger zweifelten und waren kritisch, doch strӓubten sie sich nicht gegen offensichtliche Beweise, als der leibhaftige und wahrhaftig auferstandene Christus unter ihnen erscheint.

 

Irgendetwas, das wir sahen und erlebten, führte uns irgendwann in unserem Leben dazu, zu glauben, daβ Christus auferstanden ist und das Reich Gottes mitten unter uns wӓchst. Vielleicht waren es der gelebte Glaube unserer Groβeltern oder Eltern. Vielleicht war es in der Gemeinschaft der Heiligen, die wir in der Kirche erlebt haben. Vielleicht was es durch barmherzige und gnadenreiche Taten Fremder. Aber wir alle sehen, wir alle erleben etwas, das uns zum Glauben führt.

 

Und dann ist es wiederum an uns, Gott und das neue Leben, das uns in Christus gegeben wird, durch unser Leben zu bezeugen. Es ist an uns, wie es seinerzeit nach der Auferstehung an den Jüngern war, Christus in der Welt zu verkӧrpern und seine Arbeit fortzusetzen. Uns um die Armen und die Verletzlichen zu kümmern, ja, und das schlieβt die verletzliche Schӧpfung mit ein. Das Himmelreich in Wort und Tat zu verkündigen. Ein Wort des Trostes und der Ermӓchtigung zu all denen zu sprechen, die von jedweden Dӓmonen und bӧsen Mӓchten unterdrückt werden. Denn Jesu Worte, gesprochen zu den verunsicherten Jüngern vor knapp 2000 Jahren, gelten auch noch uns heute: ‚Wie der Vater mich gesandt hat, so sende ich euch.‘

 

Christus ist auferstanden – und gibt uns seinen Frieden und den ermutigenden und ermӓchtigenden Geist. Wir haben neues Leben empfangen. Und so wird das Werk Christi, das Werk Gottes, durch uns fortgeführt. Der Herr ist auferstanden – und so geht’s weiter!