Predigt zu Johannes 20, 19-31; Erster Sonntag nach Ostern – 12. April 2015

stigmata

Der Herr ist auferstanden, hallelujah!  Er ist wahrhaftig auferstanden, hallelujah!

Gnade sei mit euch – und FRIEDEN von unserem Herrn, Jesus Christus. Amen.

Die Botschaft ist bei mir angekommen. Und, wie so oft in dieser Gemeinde, wurde die Botschaft von unserem geschӓtzten Gemeindekirchenratsvorsitzenden, Bill Bremer, überbracht. Und die Botschaft ist: Es gibt hier einige Leute, denen es absolut unangenhem ist, den Friedensgruβ mit anderen zu teilen, bevor wir am Tisch des Herren den Leib und das Blut Christi miteinander teilen.

Und ich erwӓhne dies nicht, um diejenigen, denen dieser uralte Ritus unangenehm ist, zu verurteilen, keineswegs. Dies ist nicht die erste Gemeinde, in der ich diese Aversion erlebt habe. Einige mӧgen den Friedensgruβ halt sehr – und kӧnnen gar nicht mehr aufhӧren, wenn sie erst einmal angefangen haben – und dann gibt es jene, die ihn absolut nicht mӧgen. Nun habe ich in all den Jahren als Pastorin gelernt, daβ theologische Argumente pro Friedensgruβ nichts bringen. Und was wӓre das theologische Argument? Daβ der Friedensgruβ weitaus mehr ist, als nur hallo zueinander zu sagen, sondern ein Gebot von Jesus Christus selbst: bevor du vor Gott kommst, geh, versӧhne dich mit deinem Nӓchsten; mach deinen Frieden mit ihm oder ihr. Darum geht es beim Friedensgruβ: eine wahre Gemeinschaft mit dem Nӓchsten zu bilden, ohne die wir keine wahre Gemeinschaft – keine Kommunion – mit Gott haben. Ich kӧnnte dieses Argument endlos wiederholen, doch würde ich wahrscheinlich nicht jene, die den Friedensgruβ nicht mӧgen, davon überzeugen, daβ dieser ganz klasse ist. Oder hat hier gerade jemand seine oder ihre Meinung geӓndert?

Und da ich nicht mӧchte, daβ das Gottesdiensterlebnis für Sie und Euch unangenehm oder gar quӓlend ist, sondern ein Erlebnis von Gottes Liebe und Gnade, werden wir in der Zukunft den Friedensgruβ nicht mehr miteinander teilen.

Nun mӧgen wir nicht alle bezüglich des Friedensgruβes einer Meinung sein, doch ich hoffe, daβ wir uns im folgenden einig sind: daβ Frieden, Gottes Frieden, dringend in dieser Welt benӧtigt wird. Und daβ wir mit Frieden bei uns selbst anfangen müssen.  Welche Hoffnung gӓbe es auf Weltfrieden, wenn wir noch nicht einmal miteinander und mit unserem Nӓchsten klarkommen? Wir brauchen Gottes Frieden, gerade dann, wenn es uns nicht so gut geht; wenn wir uns im Leben geschlagen geben müssen; wenn wir frustriert sind, und verloren fühlen, oder verwirrt sind. Wir brauchen die Zusage und das Vertrauen, daβ Gott irgendwie noch da ist und bei uns ist und uns anblӓst, daβ Gott mit uns atmet – was nicht notwendigerweise all unsere Lasten von uns nimmt, doch zumindest verspricht uns Gott: du muβt dies nicht alleine tragen.

Das Evangelium, das wir heute gehӧrt haben, beginnt am Tag der Auferstehung.  Genauer gesagt ist es nun Abend. Die Jünger haben also schon von den Frauen, von Maria Magdalena, gehӧrt, daβ Jesus auferstanden ist. Die Jünger aber verstecken sich, aus Furcht vor den Juden, wie wir hӧren. Die Jünger haben Angst, daβ die jüdischen Autoritӓten auch hinter ihnen her sind, den Anhӓngern Jesu. Stellen Sie sich vor, was diese Jünger durchgemacht haben: sie wurden Zeugen von Jesu Verurteilung, Folter, Tod und Begrӓbnis. Und dann kommt Maria Magdalena am dritten Tage zu ihnen mit der Botschaft: Ich habe ihn gesehen, er ist auferstanden! Welch ein Wechselbad der Gefühle! Die Jünger haben also die frohe Botschaft von Jesu Auferstehung gehӧrt, und doch hindert sie etwas daran, diese Nachricht mit ganzem Herzen anzunehmen und zu glauben. Und so verstecken sie sich, verloren im Chaos der Ereignisse.

Doch verschlossene Türen und Mauern der Angst kӧnnen den Auferstandenen nicht abschrecken. Jesus Christus tritt in die Mitte seiner Vetrauten, und er tut drei Dinge: er spricht, er zeigt seine Wunden, und er blӓst die Jünger an, wie die Lutherbibel so schӧn sagt. Die allerersten Worte, die er zu ihnen spricht, sind: Schalom – Friede sei mit euch. Friede sei mit euch. Welch wunderbare und schӧne Worte! Schalom, mӧget ihr heil sein und im Frieden mit Gott und im Frieden untereinander, und im Frieden mit euch selbst. Und dieser Frieden ist mit dem auferstandenen Christus für die verӓngstigten und traumatisierten Jünger wieder hergestellt.

Gleichzeitig zeigt er seine Wunden – und ich werde mehr dazu etwas spӓter sagen – und blӓst Jesus seine Jünger an. Das Anblasen mag uns etwas merkwürdig vorkommen. Doch denke ich, daβ wir alle erahnen kӧnnen, was da passiert: so, wie Gott am Anfang der Schӧpfung den Atem in Adam blies und dem Menschen damit den Geist und das Leben einhauchte, so haucht Jesus den Jüngern das Leben neu ein.  Sie werden reanimiert.  Dies ist ein neuer Anfang, ein neues Leben; und Gottes Frieden, Gottes Shalom, ist untrennbar mit diesem neuen Leben verbunden.

Nun ist es aber nicht so, als ob die Lebensgeister der Jünger durch das Anhauchen Jesu vollstӓndig erweckt sind. Ich weiβ, normalerweise konzentrieren wir uns beim heutigen Evangelium auf den unglӓubigen Thomas, aber wir übergehen dabei ein paar wichtige Details. Zum einen ist das heutige Evangelium eine zweiteilige Geschichte.  Am Abend des Auferstehungstages sind die Jünger beisammen, als Jesus zum ersten Mal zu ihnen kommt, doch Thomas ist nicht bei ihnen. Wer weiβ, wo er ist, aber er ist eben nicht dabei, als Jesus ihnen seinen Atem, seinen Geist, sein Leben einhaucht. Also ist es eigentlich verstӓndlich, daβ Thomas skeptisch ist, als ihm die anderen von der Auferstehung berichten. Aber nun ist bereits eine weitere Woche vergangen. Es ist der Sonntag nach Ostern, sozusagen, und noch immer verstecken sich die Jünger, obwohl ihnen Jesus bereits neues Leben eingehaucht und ihnen seinen Frieden gegeben hatte. Schon komisch, oder? Und diesmal ist Thomas bei ihnen.

Jesus muβ ein zweites Mal zu ihnen kommen, durch verschlossenes Türen und Mauern der Angst. Jesus muβ erneut seinen Frieden mit ihnen teilen. Und Jesus muβ erneut seine Wunden zeigen, wie schon beim ersten Mal. Und es sind die Wunden, die Christus letztlich identifizieren. Jesus gibt nicht vor, daβ nichts geschehen sei. Er gibt nicht vor, als ginge es bei der Auferstehung lediglich um Ehre und Sieg und ewige Wonne. Dadurch, daβ Christus seine Wunden zeigt, erkennt er den Schmerz und die Trauer des Thomas und auch der anderen Jünger an. Den Schmerz, der uns vorsichtig macht, und uns manchmal auch zweifeln lӓβt. Unsere Wunden sind ein Teil von uns. Gott will diese Wunden nicht einfach verdecken. Jesus Christus zeigt sein Mitgefühl und sein Mit-Leid, indem er seinen Jüngern anbietet, seine Wunden zu sehen und anzurühren. Und in diesem Sinne hat das Mitgefühl auch etwas mit Frieden zu tun. Es ist nicht so, als sei alles auf einmal in Ordnung, nein. Doch geht es weiter, trotz unseres Leids. Gott erӧffnet uns ein neues Leben, das wir mir unseren Wunden und Narben leben kӧnnen.

Thomas glaubt in dem Moment, indem er erkennt, daβ Jesus ihm nichts vormacht, sondern an seinem Leid teilhat. Ich denke, es ist auch von Bedeutung, daβ all dies in Gemeinschaft passiert, in der Gemeinschaft der Jünger, der Gemeinschaft der Glӓubigen. Wir kӧnnen uns sicher in dieser Gemeinschaft Gottes fühlen; wir müssen uns und anderen nichts vormachen; wir kӧnnen unsere Seiten zeigen, die alles andere als perfekt sind, und auch unseren Schmerz mit-teilen. Und wenn wir nicht so sehr darauf bedacht sind, uns zu schützen und zu verstecken, dann hat Gott auch die Mӧglichkeit, zu uns durchzudringen und uns mit seiner Gnade, seiner Liebe, seinem Leben zu erfüllen. So kann Gott uns trӧsten und seinen Frieden geben. Natürlich ist das mit Risiken verbunden, den wir machen uns verwundbar, wenn wir uns ӧffnen. Doch mӧchte ich Sie nur dazu ermutigen, diese Verletzbarkeit zu zeigen – und wahre Gemeinschaft zu erleben, wenn andere Ihnen helfen und Sie wahrlich unterstützen, wenn es Ihnen einmal nicht so gut geht.

Und, gehen wir einen Schritt weiter: nur, wenn wir unsere Wunden und Narben als Menschen und als Gemeinschaft Gottes mit anderen teilen, und nicht vorgeben, daβ wir irgendwie besser sind, oder besser dran sind, da wir ja errettet sind, und auserwӓhlt, und Gottes Frieden mit all jenen teilen, die genauso ihre Lasten und ihr Leid tragen wie wir auch – nur dann ist es uns mӧglich, den Glauben an die Auferstehung und die Osterfreude mit all jenen zu teilen, die sich ausgeschlossen fühlen, und die sich vielleicht fragen, was sich hier hinter verschlossenen Kirchentüren wohl abspielt. Schlieβlich hat Kirche die folgende Bedeutung, und wir, St. Matthӓus, haben daran teil: der Leib und die Gegenwart Christi hier und heute zu sein. Und dieser Christus litt und weiβ sehr wohl, was Schmerz ist – dieser Christus gab sein Leben für die ganze Menschheit und alle Kreatur.

Und mӧgen wir uns immer daran erinnern, daβ Kirche ein Ort ist, wo es in Ordnung ist, verletzbar zu sein. Ein Ort und eine Gemeinschaft, in der wir nicht fürchten müssen, daβ wir irgendwie weniger wert sind, wenn wir uns nicht stark und gesund fühlen. Mӧgen wir uns daran erinnern, daβ wir ein Teil dieses verwundeten Leibes Christi sind, gebrochen und doch voller Leben. Mӧgen wir uns daran erinnern, daβ dies der Ort ist, and dem wir Gottes Frieden erfahren und auch miteinander teilen – Gottes Schalom, welcher uns heilt und heil macht. Und mӧge dieser Friede mit euch sein – heute und immerdar.  Amen