Heute mӧchte ich eine persӧnliche Geschichte mit Ihnen teilen. Wenn Sie sich das angefügte Bild ansehen, dann sehen Sie dort ein Bronzekreuz. Dieses Kreuz wurde mir zum Abschied von den Mitgliedern der Mariengemeinde in Groβenkneten geschenkt. Ich hatte in jener Gemeinde mein Vikariat absolviert und hatte natürlich die Leute dort liebgewonnen. Viele hatte ich auch etwas intensiver kennengelernt und durfte sie auf ihrem Lebensweg mit allen Freuden und aller Trauer begleiten. Es fiel mir schwer, Abschied zu nehmen.

Was den Abschied besonders schwer machte war die Tatsache, daβ ich wuβte, daβ ich Deutschland verlassen würde, meine Heimat. Meine Familie und ich waren kurz davor, nach Kalifornien zu ziehen, und für mich war dies eine Reise ins Ungewisse. Ja, ich war schon gespannt und aufgeregt, aber dann auch versunsichert und auch etwas ӓngstlich. Darüber hinaus trauerte ich auch, denn ich lieβ eben eine Familie, gute Freunde und Freundinnen und auch meine berufliche Laufbahn zurück. Und ich denke mir, daβ hier unter Ihnen so einige sind, die ӓhnliches durchgemacht haben und nachempfinden kӧnnen, wie das so ist, wenn man seine Heimat verlӓβt und irgendwo ganz neu anfӓngt. Das ist nicht einfach.

Und so gab mir die Gemeinde in Groβenkneten ein kleines Pӓckchen, das gerade mal in meine Hand paβte. Und darin war das Bronzekreuz, das Sie abgebildet sehen. Und vielleicht kӧnnen Sie ja entziffern, was auf dem Kreuz geschrieben steht: ‚Ich bin bei Euch‘.
Dieses Geschenk bewegte und berührte mich, denn es zeigte mir, daβ ich den Menschen der Mariengemeinde auch nicht gleichgültig war und sie mich gut genug kannten, um mich mit diesem Versprechen Gottes – ‘Ich bin bei euch’ – auf meinen weiteren Lebensweg zu senden. Ich kann Ihnen nicht sagen, wieviel Trost mir dieses Versprechen damals gab, als ich eben drauf und dran war, ein Kapitel in meinem Leben abzuschlieβen und ein neues zu beginnen. Und ich kann Ihnen nicht sagen, wieviel Trost mir dieses Versprechen in jenen unzӓhligen Momenten gegeben hat, in denen ich mich einsam oder krank vor Heimweh fühlte, in den Momenten, die schwer schwer waren, in denen ich mich verloren fühlte und furchtsam. Gott spricht: Ich bin bei euch.

Wenn Sie sich aber nun dieses Bronzekreuz genauer ansehen, werden Sie feststellen, daβ da eine besondere Geschichte dargestellt wird. Da sehen Sie drei Figuren, die um einen Tisch herum sitzen, und die Figur in der Mitte bricht das Brot. Die zwei Figuren zur Rechten und zur Linken scheinen überascht zu sein – sie erkennen. Ja, und dies ist die zentrale Szene des heutigen Evangeliums, der Emmausgeschichte, in der zwei Jünger Jesu nach der Kreuzigung von Jerusalem nach Emmaus gehen, trauernd, verwirrt, orientierungslos. Und da begegnet ihnen der auferstandene Christus auf dem Wege – nur, daβ sie ihn nicht erkennen. Und die Szene, die auf de Kreuz dargestellt ist, zeigt den Moment, in dem die Jünger letztlich Christus im Brechen des Brotes erkennen. Ich bin bei euch. Ihr mӧgt mich nicht immer erkennen, ihr mӧgt nicht immer wissen, daβ ich es bin, der euch begleitet, aber ich bin da. Ich bin für euch da. Ich bin bei euch.

In der Geschichte, die wir als die Emmausgeschichte kennen, geht es um die überaschende und geheimnisvolle und gewisse Gegenwart Christi, die Gegenwart Gottes, selbst in unseren dunkelsten und verwirrensten Stunden.

Nun mӧgen Sie gehӧrt haben, daβ Emmaus ein Dorf nordwestlich von Jerualem ist, und daβ Emmaus ein paar Stunden zu Fuβ von Jerusalem entfernt liegt – oder besser gesagt, lag. Wir kӧnnen heute nicht mit Gewiβheit sagen, wo Emmaus lag bzw. noch liegt. Die Namen vieler Ortschaften haben sich über die Jahrhunderte verӓndert. Und denken Sie nur daran, daβ die Rӧmer im Jahre 70 n.Chr. eine Revolte der Juden niederschlugen, viele der Juden in andere Reichsteile deportierten und andere Volksgruppen in Judӓa und Galilӓa angesiedelt wurden, die die Orte dann umbenannten. Wir kennen das ja aus der Nachgeschichte des 2. Weltkrieges, als vormals deutsche Gebiete mit deutschen Namen dann russisch oder polnisch oder franzӧsich wurden und Orte umbenannt wurden.

Viele Archӓologen meinen, das biblische Emmaus im palӓstinischen Imwas gefunden zu haben – der Name eint etwa das gleiche im Arabischen, nӓmlich ‘heiβe Quelle’. Dieser Ort wurde dann 1967 im 6 Tage Krieg von den Israelis zerstӧrt. Doch dann gibt es noch mindestens 3 weitere Orte, die behaupten, das biblische Emmaus zu sein, und all diese Orte haben auch ‚Beweise‘, daβ das Haus des Kleopas, in dem Christus sich mit den Jüngern zum Essen niedersetzte, in ihrem Ӧrtchen steht.

Ich persӧnlich bin gar nicht so traurig, daβ wir Emmaus nicht mit absoluter Sicherheit lokalisieren kӧnnen. Denn es geht eigentlich nicht um das Ziel – es geht um den Weg. Emmaus, der Ort, an dem der auferstandene Jesus erkannt und erfahren wird, ist für mich eher ein symbolischer Ort, und er kӧnnte fast überall sein. Ich sagte bereits, daβ es in der Ostergeschichte, in der die Jünger auf dem Weg nach Emmaus sind, um die überaschende, geheimnisvolle und gewisse Gegenwart Christi geht. Doch das ganze wӓre gar nicht mehr so überaschend und geheinisvoll, wenn wir die Gegenwart Christus eben nur an gewissen Orten erwarten würden, wie Emmaus, oder wie z.B. hier in der Matthӓuskirche am Sonntagmorgen.

Emmaus ist an all den Orten zu finden, an denen wir den Christus auf unserem Weg des Glaubens begegnen. Das heutige Evangelium erinnert uns daran, daβ wir unsere Augen, Ohren und Herzen offenhalten müssen, um die Gegenwart des auferstandenen und lebendigen Christus zu erfahren. Ich denke, wir haben wohl alle schon einmal Leute sagen gehӧrt: “Ich finde Gott in der Natur.” Und das ist wunderbar, wie kӧnnte man Gott nicht in der Schӧpfung begegnen? Doch wenn wir solche Dinge sagen, dann besteht natürlich die Gefahr, daβ wir Gott eben nur in einem bestimmten Raum oder einer bestimmten Erfahrung suchen und es versӓumen, Christus in anderen Momenten und an oft auch recht ordinӓren  Orten zu sehen. Wie z.B. in einem überfüllten BART Zug, im Verkehrsstau oder wӓhrend wir durch den Supermarkt hetzen. Warum würde Christus nicht in solchen Situationen gegenwӓrtig sein? Der Gott des Lebens ist gewiβ an all den Orten, an denen Leben stattfindet, und seien sie noch so mundӓn.

Und dann ist Christus natürlich auch an all jenen Orten gegenwӓrtig, wo wir sind, wo Sie sind. Denn wir sind der Leib Christi, so nennt uns der Apostel Paulus, und als solcher heute in der Welt gegenwӓrtig. Und um den Gedanken mal etwas weiterzuspinnen, wohin auch immer WIR gehen und wo immer WIR auch sind, da ist Emmaus.

Aber dann kӧnnen und sollen wir uns selbst ein Christus sein; nein, da brauchen wir immer noch etwas, das auβerhalb von uns existiert, die Gegenwart Gottes, die eben auf uns einwirkt; wir brauchen den Gott, der zu uns kommt. Wir brauchen den Gott, der bei uns ist. Aber behalten Sie mal den Gedanken, daβ wir die Gegenwart Christi sind, für einen Moment im Hinterkopf, ich komme darauf noch einmal zurück.

Ich sagte bereits, daβ die Ostergeschichte, wie sie in der Emmausgeschichte zum Ausdruck kommt, uns daran erinnert, daβ wir unsere Herzen und Sinne für die Gegenwart Christi offenhalten sollen. Doch gibt es da noch einen anderen faszinierenden Aspekt der Geschichte: auch wenn die Jünger Christus auf dem Wege nicht erkennen, so ist er doch bei ihnen. Gottes Gegenwart ist nicht von ihrem Erkennen abhӓngig – Gottes Gegenwart ist nicht von unserem Erkennen abhӓngig.

Und so gibt uns das heutige Evanglium Hoffnung: Hoffnung, daβ Gott irgendwie und irgendwo bei uns ist, auch in solchen Situationen und Zeiten, in denen alles u uns herum dunkel erscheint und voller Verzweiflung; in Situationen, in denen wir uns verlassen, allein und ӓngstlich fühlen. Wir dürfen darauf vertrauen, daβ Gott uns leitet oder doch zumindest unser Weggefӓhrte in jeglichem finsteren Tal unseres Lebens ist. Ich bin bei euch.

Die Kehrseite der Medaille ist, daβ wir als der Leib Christi und als Glieder des Leibes Christi dazu berufen sind, für andere dazuzein, sei es in Person, durch Gebet, oder durch Taten, die eine gerechtere Welt für alle Kreatur schaffen. Jene, für die wir da sind, mӧgen nicht unbedingt Christi Gegenwart darin erkennen – aber darauf kommt es nicht an. Worauf es ankommt ist Gottes bedingungslose Gegenwart.

Seitdem ich den Sprung über den groβen Teich gewagt habe, habe ich so einige Emmaus Momente erlebt. Heute weiβ ich, daβ Christus im DMV gegenwӓrtig war, naja, vielleicht nicht immer; Christis war gegenwӓrtig in Arztpraxen und Krankenhӓusern, an der Brückenzollstation und an BART Fahrkartenautomaten, um nur einige der unerwarteten und ordinӓren Orte zu nenen, die für mich zu Emmaus wurden. Und dies sind lediglich die Orte und Situationen, an die ich mich erinnern kann; ich bin mir sicher, daβ Christus auch an vielen anderen Orten war und ich ihn bloβ nicht erkannt habe.

Und dann ist Gott natürlich auch in all den Gotteshӓusern gewesen, in denen ich über die Jahre Gottesdienst gefeiert habe, und letzlich auch hier, in der Matthӓusgemeinde. Gott ist gegenwӓrtig gewesen, in Wasser und Brot und Wein und in persӧnlichen Begegnungen und Beziehungen. Christus ist hier und heute durch Sie alle gegenwӓrtig.

Emmaus ist dort, wo wir dem auferstandenen und lebendigen Christus begegnen. Emmaus ist dort, wo wir zur Gegenwart des auferstandenen und lebendigen Christus für andere werden. Wir befinden uns auf dem Weg des Lebens und dem Weg des Glaubens. Wir sind stӓndig auf dem Weg nach Emmaus. Und Christus spricht zu uns allen auf diesem Wege: Ich bin bei euch. Fürchtet euch nicht.