Jesus spricht: “Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen gehӧrt das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfӓngt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.” Und er herzte sie und legte ihnen die Hӓnde auf und segnete sie. Markus 10, 14b-16, Lutherbibel 1984
 
“Ein Kind ertrӓgt Verӓnderungen, die ein Mann nicht ertragen würde.” Jean Jacques Rousseau, Philosoph (1712-1778)
 
Vor einigen Jahren begleiteten meine Familie und ich eine kirchliche Jugendgruppe auf eine Missionsreise nach Mexiko. Dort bauten wir ein bescheidenes Hӓuschen für die Ärmsten der Armen. Die Umstӓnde in Mexiko waren für uns, die wir westlichen Luxus gewohnt waren, sehr gewӧhnungsbedürftig. Im Slum, wo wir das Haus errichteten, gab es kein flieβendes Wasser, keine Kanalisation, keinen Strom. Es war staubig, trocken und sehr heiβ. Unzӓhlige Hunde als auch Kinder streunten auf den ungepflasterten Straβen herum. Mein damals sechsjӓhriger Sohn kam sehr schnell zu dem Schluβ: “It’s not much fun being a Mexican.” – Es macht nicht viel Spaβ, mexikanisch zu sein. Was er wohl eher damit meinte, war, daβ er es sich nicht vorstellen konnte, wie Menschen Freude unter solch ӓrmlichen Bedingungen haben kӧnnten. Aber er paβte sich dann erstaunlich schnell an sein neues Umfeld an. Wӓhrend die Jugendlichen und die Erwachsenen sich auf den Hausbau konzentrierten, schloβ mein Sohn Freundschaften mit den mexikanischen Kindern im Slum. Fuβball ist eine international Sprache, und so verbrachte mein kleiner Blondschopf viel Zeit mit seinen dunkelhaarigen Freunden, einen Ball herumzubolzen, der schon bessere Tage gesehen hatte. Er schnappte auch sehr schnell spanische Worte auf und schmuggelte Muesliriegel und andere U.S. Leckereien aus unserer Unterkunft zur Baustelle, die er dann mit seinen neuen Freunden und Freundinnen teilte. Er wurde so rasend schnell und unkompliziert ein Teil der Gemeinschaft. Seine Offenheit und Flexibilitӓt erstaunten mich. Ich hatte sehr viel mehr Probleme, mich den neuen Umstӓnden anzupassen. Doch sind Kinder wirklich in vielerlei Hinsicht resistenter als Erwachsene, wenn es zu Verӓnderungen kommt, wie auch schon Rousseau feststellte. Derzeit gibt es ca. 60 Millionen Flüchtlinge auf diesem Planeten; mehr als die Hӓlfte unter ihnen sind Kinder. Und es sind in der Regel die Kinder, die sich in den Lӓndern, die Asyl gewӓhren, am schnellsten anpassen. Auf der Kehrseite sind es auch Kinder, die Neuankӧmmlinge mit viel weniger Ablehnung und Vorturteilen begegnen, als es viele voreingenommene Erwachsene tun. Es scheint so, als würden Kinder nicht nur kӧrperlich wachsen, sondern daβ sie auch noch viel Spielraum und Raum zum Wachsen in ihrer Seele haben. Kinder sind einfach noch nicht so ‘fertig’ wie viele Erwachsene, und haben daher die Fӓhigkeit, neuem mit Neugierde zu begegnen.
Es ist viel darüber spekuliert worden, was Jesus denn nun eigentlich mit seinen berühmten Worten -‘Lasset die Kindlein zu mir kommen…denn solchen gehӧrt das Reich Gottes’- gemeint haben kӧnnte. Vielleicht ist es ja so, daβ den Kindern das Reich Gottes gehӧrt, weil sie der Verӓnderung, der Wandlung gegenüber weitaus offener sind als Erwachsene und einfach mehr Unbefangenheit zeigen. Denn also Erwachsene sind wir doch hӓufig von unseren Meinungen, Urteilen und Vorturteilen befangen. Haben wir nicht alle unsere Vorstellungen, wie das Reich Gottes sein sollte, wem wir dort begegnen mӧchten und wem nicht? Sperren wir ‘Groβen’ uns nicht oft jeglicher Verӓnderung, die uns unbequem ist? Sind wir wirklich offen für Gottes Vision und Wirken unter uns, so daβ das Reich Gottes ein Stück weit schon hier Wirklichkeit wird? Wie ein Kind Gottes zu werden oder zu sein bedeutet nicht, kindisch zu sein – aber vielleicht doch die Unbefangenheit und wahre Neugierde auf die Änderungen, die Gott uns verspricht, wieder zu erlernen.