‘Und Gott trieb den Menschen hinaus und ließ lagern vor dem Garten Eden die Cherubim mit dem flammenden, blitzenden Schwert, zu bewachen den Weg zu dem Baum des Lebens.’
1.Buch Mose 3,24, Lutherbibel
Wir leben in einer Welt, in der wir jeden Tag daran erinnert werden, daβ wir nicht mehr im Paradies leben. Die Beziehung des Menschen zu Gott, die ursprünglich sehr vertraulich und gut war, ist gestӧrt. Aber es ist nicht nur die Beziehung zwischen Gott und Mensch – auch die Beziehung von Mensch zu Mensch und von Mensch zur Schӧpfung ist eine gestӧrte und verstӧrte Beziehung. Kriege, Unterdrückung, Spannungen zwischen Rassen, die ungleiche Verteilung von Gütern auf dieser Welt, die Vergewaltigung der Natur – all dies sind Zeichen dafür, daβ das Paradies verloren ist. We leben jenseits von Eden.
Nun sagt die Bibel nicht genau, was den ersten Menschen und heute uns den Wiedereintritt ins Paradies verwehrt; doch Küstler aller Zeiten stellten sich vor, daβ das Paradies durch ein Tor versperrt ist, das von einem Cherubim mit einem flammenden Schwert bewacht wird. Das Tor ist verschlossen. Wir sind ausgesperrt. Christliche Folklore hat dann auch das Himmelreich mit diesem verlorenen Paradies identifiziert; und das Himmelreich kann dann nur nach unserem Tod durch das (Himmels-) Tor betreten werden, das nun von Petrus bewacht wird (und Petrus allein hat den Schlüssel).
Noch heute gibt es so einige christliche Glӓubigen, die Paradies und Himmelreich so verstehen: daβ das Leben auf dieser Erde nur wie ein Durchgang ist, in dem wir mir Sünde und Leiden beladen sind, und daβ wir letztendlich Gottes Belohnung empfangen, nachdem wir sterben und in den Himmel kommen. Daβ diese Erde, mehr oder weniger, ein gottloser Ort ist, wӓhrend wir dann im Himmel von Gottes Herrlichkeit umfangen werden.
Aber Gott sandte den Sohn in die Welt. Gott ist in unsere Wirklichkeit eingebrochen, und tut es auch immer noch. Gott ist in unserer Mitte. Das verschlossene Tor zum Paradies und zu einer versӧhnten Beziehung mit Gott ist geӧffnet worden. Gottes Liebe und Gnade sind für alle zugӓnglich, und Versӧhnung ist mӧglich für alle. We kӧnnen Gottes Einbrechen in unsere Existenz im Hier und Jetzt erfahren.
Und wir sehen die Wirklichkeit Gottes ansatzweise überall, wo wir hinsehen und uns auf das Gute konzentrieren – da, wo Menschen sich einander im Namen Christi gegenseitig helfen, ob sie nun jemanden besuchen, der oder die einsam ist, oder Geld spenden, um eine Schule oder ein Krankenhaus in einem Land der sogenannten Dritten Welt zu bauen. Wir sehen und erfahren diese Wirklichkeit, wann immer wir als der Leib Christi zusammenkommen, um zu beten und Gottesdienst zu feiern. Wir schmecken diese Wirklichkeit, wann immer wir das Brot miteinander brechen und den Kelch des Heils miteinander teilen. Christus ist hier. Emmanuel, Gott mit uns. Das Tor zwischen Eden und all dem, was jenseits davon liegt, ist weit offen. Die Frucht vom Baum des Lebens wird uns angeboten.
‘Heut’ schlieβt er wieder auf die Tür zum schӧnen Paradeis;
Der Cherub steht nicht mehr dafür, Gott sei Lob,Ehr, und Preis!’
Nikolaus Herman, ‘Lobt Gott, ihr Christen allegleich’, EG 27, 6. Strophe