Predigt Lukas 21, 25-36; Erster Advent – 29. November 2015

 

fig tree

Die Weihnachtssaison hat nun offiziell angefangen – haben Sie’s schon gemerkt?  Man muβ sich ja nur einmal hier umschauen, um zu sehen, daβ die gute Zeit nahe ist, wie es so schӧn in einem Adventslied heiβt. Und – wie geht’s Ihnen damit? Ist schon jemand ganz gestreβt hier? Oder aufgeregt? Mӧgen Sie diese Zeit?

 

Natürlich ist diese Jahreszeit etws besonderes und auch aufregend. Wir, gerade als Deutsche, Ӧsterreicher und Schweizer, haben ja auch unsere besonderen Traditionen, die uns viel bedeuten. Da gibt es Tannenzweige und Lichter, Kerzen und den Duft von Weihnachtgebӓck, Lieder und die Geheimnistuerei, wenn wir Geschenke verpacken. Dies ist eine Zeit voller Erwartung, gemütlich und feierlich. Hier gibt es dazu auch ein Lied: It’s the most wonderful time of the year…

There’ll be much mistletoeing and hearts will be glowing when loved ones are near – It’s the most wonderful time of the year.

 

Das macht doch Weihnachtsstimmung, oder?

Aber dann kommen wir zur Kirche, und auf einmal ist die Stimmung weg. Zumindest, wenn man den Lesungen für den heutigen Sonntag zuhӧrt. Das heutige Evangelium klingt so, als hӓtte der Grinch es ausgesucht, um unser Weihnachtsgefühl zu stehlen. Das heutige Evangelium hӓtte besser an einem der letzten Sonntage gepaβt, an denen es um die Endzeiten ging.

 

Wieso, um Himmels willen, hӧren wir also dieses Evangelium in der Vorweihnachtszeit? Wir kӧnne uns bemühen, wie wir wollen, aber da gibt es nichts gemütliches oder feierliches in den Worten, die Jesus zu seinen Jüngern spricht. Ganz im Gegenteil: diese Worte beschreiben eben nicht wundervolle Feiertage. Anstelle von, ‘there’ll be much mistletoing’ hӧren wir: ‘Und es werden Zeichen geschehen an Sonne, Mond und Sternen, und auf Erden wird den Vӧlkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Krӓfte der Himmel werden ins Wanken kommen.’ Das klingt viel zu sehr nach der Realitӓt, in der wir derzeit leben, gerade mit der prekӓren Situation zwischen Ruβland und der Türkei bzw. Der NATO, die wir derzeit erleben. Und wollen wir dieser Realitӓt nicht ein Stück weit entfliehen wӓhrend der Festtage?

 

Nun sagt Jesus, daβ dies die Zeichen seines Kommens sind. So, wie das Ausschlagen des Feigenbaums ein Zeichen dafür ist, daβ der Sommer nahe ist, so wiβt, daβ mein Kommen nahe ist, wenn ihr diese Zeichen seht.

 

Wollen wir diese Worte hӧren? Wollen wir daran erinnert werden, daβ wir wӓhrend der Adventszeit nicht nur auf die Ankunft des Kindes in der Krippe warten, sondern auch das Kommen Christi in aller Herrlichkeit am Ende der Zeiten? Wollen wir daran erinnert werden, daβ, je schlimmer es in dieser Welt wird, wir das Kommen und das radikale Eingreifen Gottes in unser Leben brauchen? Und daβ, wenn wir beten, ‘Dein Reich komme’, wir die Hoffnung auf eine neue Welt erbitten?

 

Und schlieβlich ist dies die Adventszeit.  Nein, es ist noch nicht Weihnachten, egal, was uns die Werbung weismachen will. Nun kӧnnte ich Sie über die wahre Bedeutung des Advents belehren und mich darüber aufregen, daβ wir Christus wieder einen Teil der Weihnachtszeit machen müssen – im englischen klingt’s besser, ‘to put Christ back into Christmas’ – und wie wir wӓhrend dieser Zeit des Wartens auf Christus zur Umkehr und Buβe aufgefordert sind. Bekehrt euch!  Schluβ mit dem frӧhlichen Feiern!

 

Da gibt es nu rein kleines Problem: ich mag ja die Gemütlichkeit, den Glühwein, die Plӓtzchen und die Tannenzweige selbst viel zu sehr.  Ich erinnere mich selbst gerne an die Traditionen meiner Kindheit zurück, die eben ein Ausdruck der Vorfreude auf Weihnachten waren.

 

Und, wie so hӓufig in unserer Existenz als Christen hier auf dieser Welt, sind wir in dieser Jahreszeit in Gegensӓtzen gefangen. Wir leben hier und heute, aber warten auf das Kommen des Reiches Gottes. Wir sind dazu berufen, in dieses Reich Gottes bereits durch unsere Worte und Taten hineinzuleben – doch hӓufig widersprechen die Werte Gottes die Werte dieser Welt. Wir sind dazu aufgerufen, die Welt zu verӓndern, doch wӓhlen hӓufig den Weg der Bequemlichkeit. Wir sind Sünder und gleichzeitig Gerechtfertigte.  Wir feiern die Vorfreude auf das Weihnachtsfest und hӧren die Worte Jesu: “Seid wachsam! Paβt auf, daβ eure Herzen nicht beschwert werden mit Fressen und Saufen und mit tӓglichen Sorgen. Seid bereit für mein Kommen!  Seid bereit für radikale Verӓnderungen! Seid wachsam und hütet euch!”

 

Und so befinden wir uns irgendwo zwischen der Weihnachtsfreude und dem Ruf zu Buβe und Umkehr. Seid bereit!  Ändert euer Leben!

 

Manche mӧgen sich in dieser Spannung nicht so wohlfühlen. Mit dem Gefühl, daβ wir irgendwo zwischen den Dingen stehen. Ich weiβ, gerade als Deutsche, Ӧsterreicher oder Schweizer mӧgen wir Klarheit; wir wollen wissen, wo’s lang geht. Wer mag schon die Unklarheit und das Gefühl, zwichen Dingen zu stehen? Weder Fisch noch Fleisch, sowohl/als auch.

 

Doch vielleicht ist es gar nicht mal so eine schlechte Sache, als Christen mit all den Spannungen und Unklarheiten zu leben. Ich wage sogar zu behaupten, daβ Dinge erst dann so richtig in Gang kommen und geschehen, wenn es Spannungen gibt. Wenn Sie z.B. auf eine Wetterkarte schauen, sehen Sie Hs und Ts – Hochdruckgebiete und Tiefdruckgebiete, oder im englischen Highs and Lows. Und dann gibt es da all die Bereiche zwischen diesen Hochs und Tiefs. Nun bewegt sich die Luft immer vom Hoch um Tief, um den Luftdruck auszugleichen. So bekommen wir Wind und Wetter, durch diese Luft, die sich bewegt in diesen Zwischengebieten. Und Regen natürlich auch, und wie wir den brauchen hier im düregeplagten Kalifornien!

 

Nun wird der Heilige Geist hӓufig auch als ‘Wind’ bezeichnet. Stellen Sie sich einmal vor, es gӓbe keine Spannungen, keine Widersprüchlichkeiten, keine Zwischenrӓume in unserem Leben – dann hӓtten wir nur eine dauernde Stille, eine Flaute; kein Lüftchen, das sich regt, kein Wind, kein Geist, der uns treibt und bewegt, kein Wasser, das sich in einer Taufe reinigend und erneuernd über uns ergieβt. Was den Heiligen Geist in unserem Leben wirksam macht, das sind die Spannungen in unserem Leben, die Herausforderungen.  Und nur, wenn wir irgendwie und irgendwo in einem Raum ‘dazwischen’ sind, sind wir auch flexibel genug, um uns vom Heiligen Geist umtreiben zu lassen. Nur, wenn wir im Raum dazwischen, im Sowohl/Als Auch leben, kӧnne wir uns wahrlich der Hoffnung auf die Dinge, die da noch kommen werden, ӧffnen.

 

Die Spannungen und Herausforderungen in unserer Gemeinde sind es, die den Heiligen Geist unter uns in Bewegung setzen.  Es ist kein Geheimnis, daβ diese Gemeinde, St. Matthӓus, schon bessere Tage erlebt hat. Wir brauchen neue Leute, frisches Blut. Manche mӧgen denken, daβ wir uns in einer schlechten Situation befinden, oder doch zumindest einer unangenehmen Situation. Ich wage es aber, zu behaupten, daβ dieser Art Zwischenstation, in der wir uns derzeit befinden, eine Raum und eine Zeit der Hoffnung ist. Wir befinden uns zwischen einer Vergangenheit mit starken Traditionen und einer gefestigten Identitӓt – wir sind halt die deutschsprachige Gemeinde – und einer Zukunft, in der Gott uns vielleicht mit neuem und unerwartetem Leben erstaunen und überraschen wird.

 

Wir sind auf einer erstaunlichen Reise – wir kommen von Gott her und sind in Gott verwurzelt, und haben Gott und das Himmelreich als unser Ziel. Wir befinden uns auf einer Zwischenstation, wir sind in Bewegung, getrieben durch den Geist Gottes, und dies ist eine gute und erstrebenswerte Situation, solange wir hier noch auf Erden sind.

 

Die Adventszeit erinnert uns daran, daβ wir die Verheiβungen Gottes empfangen haben, und wir mӧgen zwar noch nicht angekommen sein, doch kann uns niemand diese Verheiβungen nehmen; wir sehen sogar, wie sie sich schon im Hier und Jetzt manchmal verwirklichen. In diesem Sinne, als eine Gemeinde auf Zwischenstation und auf dem Wege feiern wir Christus in unserer Mitte – und bleiben wachsam. Wie komm Gott zu uns, in dieser Gemeinde und in dieser Welt? Gott kӧnnte uns in ganz unerwarteten Formen und Situationen begegnen. Nur, wenn wir uns irgendwo zwischen den Dingen bewegen, kӧnnen wir wahrlich Hoffnung auf die Dinge haben, die da noch kommen.

 

Also ist es gut für uns, irgendwo dazwischen zu sein in dieser Adventszeit – uns die Zeit zu nehmen, das Übel und die Ungerechtigkeit in der Welt zu bedenken und uns auf das Kommen Christi und des Reiches Gottes in Umkehr und Buβe vorzubereiten. Zu beten, dein Reich komme. Aber gleichzeitig dürfen wir uns freuen, denn Gott ist bereits zu uns gekommen – als das Kind in der Krippe – und hat Liebe und Barmherzigkeit und Frieden auf Erden gebracht. Dies ist die Zeit, wachsam zu sein, und auf die Zeichen Gottes in unserer Mitte aufzupassen – und dies mit Hoffnung und Vorfreude in unseren Herzen zu tun.

 

Dies ist die wundervollste Zeit im Jahr – the most wonderful time of the year. Dies ist die windervolle Adventszeit, mit ihrer wundervollen Spannung, eine Spannung, die uns weiterhin auf das Reich Gottes hin zutreibt – und eine Zeit, in der wir das Reich Gottes bereits in der Krippe erspӓhen.

Amen.