Predigt zu Johannes 1, 29-42; Zweiter Sonntag nach Epiphanias – 15. Januar 2017

 

Diese Woche wird es einen Machtwechsel in diesem Land geben, da Präsident Barack Obama das Amt verläßt und Donald Trump in das Präsidentenamt eingefüher werden wird. Wie bei wohl jedem Machtwechsel gibt es da auch Erwartungen; z.B. die Erwartung, daß dies ein Neubeginn für dieses Land sein wird, daß nun Dinge in Angriff genommen werden, um die man sich schon lange hätte kümmern müssen, und daß sich die Dinge für viele in diesem Lande bessern werden. Nun wissen wir ja alle, daß es sehr viele in diesem Lande gibt, die Zweifel haben, daß sich die Dinge bessern werden. Doch nur die Zeit wird uns zeigen, Welch ein Präsident Donald Trump sein wird.

Da müssen wir abwarten und Tee trinken; abwarten und eben sehen, was sich da entwickeln wird. Aber sehen werden wir auf jeden Fall, denn die Position des Präsidenten der Vereinigten Staaten ist nun einmal eine sehr öffentliche Position und steht unter besonderem Augenmerk. Als Präsident ist man eben im Rampenlicht, gerade in unserem Zeitalter, mit all den Medien, die wir haben. Und als erster Diener des Staates sollte der Präsident auch besondere Aufmerksamkeit erregen. Und mein Gebet ist, daß Donald Trump sich als ein Präsident erweisen wird, der diese Land mit Demut leiten wird, und der sich für alle Bürger und Bürgerinnen und ihre Interessen einsetzen wird, mit Herz und Verstand. Trumps wahre Autorität wird sich erst durch das Vermächtnis erweisen, die er hinterlassen wird.

Nun erwähne ich all dieses, weil wir im heutigen Evangelium einen gewissen Machtwechsel miterleben. Hier hören wir über Johannes, den Täufer, denjenigen, der den Weg des Herrn bereitet, and der auf den hinweist, der da kommen soll: Siehe, das Lamm Gottes! Johannes hat sich selbst einen Namen durch seine Worte und Taten gemacht, er hat Autorität gewonnen, er ist der etablierte. Doch nun gibt er Jesus Autorität, indem er über ihn Zeugnis ablegt – daß er derjenige ist, auf den alle gewartet haben, der Messias, der Sohn Gottes.

Nun ist dies doch ein gewaltiger Anspruch; und da gibt es diejenigen, die vielleicht nicht sofort überzeugt sind, doch die neugierig werden. Zwei der Jünger des Johannes folgen Jesus nach, so hören wir, und zwar ganz wörtlich – sie hängen sich an die Fersen Jesu. Die Geschichte hier ist fast komisch: die zwei scheinen Jesus aus gewissen Distanz zu verfolgen, vielleicht skeptisch; vielleicht flüstern sie einander ihre Beobachtungen zu, als sie diesen Jesus unter die Lupe nehmen. Okay, Johannes sagt, daß er derjenige ist, auf den wir warten, aber wie können wir uns sicher sein? Dieser Typ sieht irgendwie nicht wie ein Messias aus; ziemlich gewöhnlich, wenn du mich fragst.

Nun bemerkt Jesus irgendwann, daß er verfolgt wird, und er scheint doch etwas genervt zu sein – wie wir es wohl alle wären, wenn wir merkten, daß uns da jemand auf den Fersen hängt. Was sucht ihr?

Was sucht ihr? Jesus, derjenige, der hier unter die Lupe genommen wird, dreht den Spieß einfach um und nimmt seine Verfolger unter die Lupe; was erwartet ihr? Was habt ihr im Sinn? Warum folgt ihr mir? WARUM folgt ihr mir?

Die zwei, die quasi auf frischer Tat ertappt werden, haben keine Antwort. Und das ist, wenn man darüber nachdenkt, eine gute Sache; denn dies zeigt, daß sie offen dem gegenüber sind, was dieser Mann zu sagen hat und ihnen bieten kann. Sie sagen nicht: nun, wir haben einen mächtigen König erwartet, oder einen Kriegshelden, oder einen Guerilla Kämpfer, der die Römer aus dem Lande vertreibt. Anstelle fragen sie: Rabbi, Meister, wo ist deine Herberge?

Nun ma guns das etwas befremdlich vorkommen, doch was dies bedeutet, ist eigentlich ganz einfach: koennen wir bei dir einkehren? Dürfen wir etwas Zeit mit dir verbringen? Dürfen wir mehr über dich und Deine Lehren erfahren? Und Jesus lädt sie ein: Kommt und seht.

Kommt und seht. Geht der Sache auf den Grund. Erfahrt selbst. Jesus erwartet nicht von seinen Jüngern, daß sie ihm folgen, nur weil er vielleicht der Messias sein könnte. Jesus erwartet nicht von seinen Jüngern, daß sie ihm folgen, nur weil Johannes für ihn bürgt. Jesus erwartet nicht von seinen Jüngern, daß sie ihm blind folgen, nein, er will, daß sie sehen, was do los ist, und ihre eigenen Schlüsse ziehen. Und sie sehen, und sie erkennen. Nachdem sie den Tag mit Jesus verbracht haben und mehr von ihm und über ihn gelernt haben, ist zumindest einer von ihnen, Andreas, überzeugt: er ist’s! Und so breitet Andreas das Wort über den Messias aus und überzeugt auch seinen Bruder, Simon, den wir auch als Petrus kennen. Und nun ist es an Simon Petrus, zu sehen und zu erfahren.

Epiphanias ist die Zeit im Kirchenkalender, in der es um die Offenbarung der göttlichen Natur Christi geht; ein Zeit, in der wir viel über das Licht hören, vom Stern über Bethlehem bis hin zur Verklärung Jesu, bei der er selbst zu Licht wird. In dieser Zeit steht Jesus im Rampenlicht. Und Jesus – und das ist im gegensatz zu vielen Führungspersönlichkeiten in der heutigen Welt – will gesehen werden. Jesus will erfahren werden. Da gibt es keinen Grund, sich zu verstecken. Jesus will klarstellen, wer er ist, und was er für die Welt bedeutet. Kommt und seht!

Jesus lädt uns also dazu ein, und fordert uns geradezu dazu auf, ganz aktiv an diesem Prozess teilzuhaben. So, wie er vor ca. 2000 Jahren seine Jünger dazu auffordert, ihre Sinne – und ihren Vestand – zu benutzen, so sind auch wir heute noch dazu aufgefordert, unsere Sinne und unseren Verstand dazu zu nutzen, um herauszufinden, was Jesus Christus uns heute bedeutet.

Und das sollte uns als Lutheraner nicht überaschen. Wir feiern ja dieses Jahr das 500 jährige Jubiläum der Reformation, und eine der großen Errungenschaften der Reformation ist die Geburt eines öffentlichen Schulsystems. Nun war der Hauptgrund Martin Luthers, die Bildung aller zu fördern – alt und jung, arm und reich, männlich und weiblich – der, daß er zum einen wollte, daß jede und jeder die neu ins deutsche überstzte Bibel selbst lesen und erforschen könne; zum anderen wollte er auch das kritische Denken aller fördern. Luther stellte klar, daß Glaube eben nicht blind ist, und daß man weltlichen oder kirchlichen Autoritäten nicht blind folgen soll, sondern daß wir uns mit Gott und dem Wort Gottes selbst auseinandersetzen. Und dies alles geschieht im Lichte des Gewissens, dem wir alle Gehör schenken müssen. Es ist also an uns, den Glauben zu erforschen und zu leben.

Hier geht es also um einen lebendigen Glauben, einen aktiven Glauben, einen Glauben, der eben nicht fertig und unveränderlich ist, sondern ein Glaube, der sich bewegt, wie Wellen im weiten Meer. Das Meer ändert sich ja nicht, und doch gibt es da konstante Bewegung. Wir sind dazu eingeladen, zu kommen und zu sehen, und dann, erneut zu kommen und zu sehen, und dann wieder, und dann wieder; denn unsere Perspektive oder unsere Lebenserfahrung könnte sich ja geändert haben, oder wir haben vielleicht vergessen, einen gewissen Aspekt zu betrachten. Und so erleben wir vielleicht Jesus Christus ganz neu, oder doch etwas anders. Und wir erfahren so auch immer aufs Neue, was Christus uns bedeutet, da wir unsere Leben hier und heute leben. Das ist unser Erbe als Lutheraner.

Doch gleichzeitig ist Jesu Aufforderung, zu kommen und zu sehen auch eine dringende Ermahnung, unsere Augen in unserer Welt offen zu halten. Gott erwartet nicht von uns, ihm blind zu folgen, sondern will, daß wir selbst sehen und erfahren. Gott ermahnt uns aber auch gleichzeitig, unseren Politkern oder Wirtschaftführern oder Ideologien oder Programmen nicht einfach blind und vielleicht zu naiv oder vertrauensselig zu folgen – sondern unsere Sinne und unseren Verstand zu benutzen und so unsere eigenen Schlußfolgerungen zu ziehen, anstelle einer gewissen Propaganda – oder auch Gefühlen, die wir vielleicht haben mögen – zu vertrauen.

Gott dringt uns dazu, unsere Augen offenzuhalten und zu beobachten, was in dieser Welt geschieht, und Dinge im Lichte dessen zu betrachten, was Jesus Christus uns durch sein Beispiel lehrte: unseren Nächsten zu lieben. Für unsere Feinde zu beten. Andere zu Verantwortung zu ziehen, wenn sie Fehler begehen, und zwar mit Liebe und Langmut. Die Hungrigen zu speisen, den Obdachlosen ein Obdach zu gewähren, und die Fremden willkommen zu heißen. Das zu teilen, was uns anvertraut ist. Uns um die Schwachen zu kümmern. Zu vergeben, wie auch uns vergeben wurde. Haß mit Liebe zu entgegnen.

Wie steht es um die Welt im Lichte all dieser Dinge, die Christus uns gezeigt uns gelehrt hat? Wie sehen unsere Führer in diesem Lichte aus? Und wie sehen wir in diesem Lichte aus? Denn am Ende ist es an uns, unseren Glauben treu zu leben.

Kommt uns seht. Haltet eure Augen offen. Bezeugt, was ihr seht. Und lebt euer Leben im Lichte der Liebe Gottes.