Predigt zu Johannes 3,14-21; 4. Sonntag in der Passionszeit – 15. Mӓrz 2015

world wonderful

Das Lied, das gerade so schӧn von Sam gesungen wurde, ist einer der ganz groβen Klassiker: What a wonderful world, im Original von Louis Armstrong. Nun mag ich dieses Lied sehr, und jedesmal, wenn ich es hӧre, bekomme ich so biβchen eine Gӓnsehaut.  Ich glaube, wir alle kennen diese besonderen Lieder, die in uns etwas anrühren. Was ist so besonders an ‘What a wonderful world’?  Zum einen rührt das vom Liedtext her, der uns daran erinnert, wie wunderbar und wunderschӧn diese Welt ist – zum anderen liegt das für mich aber auch an der Melodie, die Staunen und Bewunderung ausdrückt – und auch etwas Melancholie. Und wenn ich dieses Lied hӧre, bekomme ich das Gefühl, daβ wir alle in einer wonferful world, einer wunderbaren Welt leben, aber daβ diese Welt auch verletzbar ist.

The colors of the rainbow, so pretty in the sky
are also on the faces, of people going by
I see friends shaking hands, sayin’, “How do you do?”
They’re really sayin’, “I love you”

I see skies of blue, and clouds of white
The bright blessed day, dark sacred night
And I think to myself
What a wonderful world

Ich würde dieses Lied einen modernen Psalm nennen – es würde wirkich wunderbar in den Psalter passen – denn hier wird, indirekt, der Schӧpfer aller Dinge gepriesen. Gott steht hinter dieser Welt, die so wunderbar geschaffen ist, mit allen wunderbaren und verrückten Kreaturen, und mit Menschen aller Hautfarben. Und wie kӧnnte Gott nicht diese Welt lieben, eine Welt, in der es Schӧnheit und Harmonie gibt, und in der Menschen diese Gaben wertschӓtzen?

Nun gibt es aber jene, die meinen, daβ ‘What a wonderful world’ eine naïve Sicht von der Welt hat. Und es gibt eine ganze Musikkultur heute, die die Miβstӓnde in der Welt beklagt und sehr wütend ist – denken Sie nur einmal an Rapmusik. Und man kӧnnte natürlich fragen: ist diese Welt wirklich so wunderbar? Eine Welt, in der es soviel Haβ gibt, soviel Streit unter den Menschen, soviel Radikalismus.  Eine Welt, in der viele benachteiligt werden, weil sie nicht die richtige Hautfarbe oder Religion oder das nӧtige Kleingeld haben. Eine Welt, in der es viele Plӓtze wie San Francisco gibt, wo immer mehr Menschen mit niedrigem oder gar Mittelstandseinkommen es sich nicht mehr leisten kӧnnen, zu leben. Eine Welt, in der Jugendliche, die scheinbar alles haben, keinen Ausweg sehen, als sich das Leben zu nehmen, wie letzte Woche erneut in Palo Alto – und das war der dritte Selbstmord eines Schülers der Palo Alto High Scholl allein in diesem Jahr. Eine Welt, in der es Habgier, Korruption, Ungerechtigkeit und Gewalt gibt. Eine Welt, in der die 10 Gebote tagtӓglich ganz offen gebrochen werden, und das auch von denen, die sagen, daβ ihnen die Gebote Gottes wichtig und heilig sind. And I think to myself: is it really such a wonderful world?

Und natürlich haben wir hier eine Spannung: zum einen gibt es die Schӧnheit der Natur, die Gabe von Brüdern und Schwestern, die uns auf unserem Lebensweg begleiten und uns helfen, kurzum, eine Welt, welche Gott als Paradies geschaffen hat und wo wir ab und zu einen Blick auf dieses Paradies erhaschen. Aber dann erfahren wir auch, wie Gottes gute Absichten verzerrt und verdreht worden sind. Die Menschheitsgeschichte, jedenfalls laut der Bibel, beginnt mit Habgier – dem Verlangen, mehr zu haben als das Paradies, dem Verlangen, wie Gott zu sein – denn darum geht es bei der verbotenen Frucht – und bald passiert dann auch der erste Brudermord. Was wir Sünde nennen fand schnell in Gottes gute und wunderbare Schӧpfung ihren Einzug – und die Welt ist seitdem nicht mehr perfekt und voller Frieden und Harmonie. Die Menschheit hat schon dafür gesorgt, durch Vernachlӓssigung, Miβhandlung, und Gleichgültigkeit gegenüber Gottes guter Schӧpfung.

Nun scheint es so, als würde Johannes, der Evangelist, eher eine pessimistische Sicht der Welt teilen. In seinem Evangelium finden wir einige Passagen, in der er sich nicht auf ‘die Welt’ als die wunderbare Schӧpfung Gottes bezieht, sondern al seine korrupte Welt – eine Welt, die von Menschen bevӧlkert ist, die von Gott entfremdet sind und damit versucht, verführt, und auf dem Weg zu Zerstӧrung und Tod. Man muβ sich nur das allererste Kapitel des Johannesevengeliums ansehen, den sogenannten Epilog des Johannes, um diese Ansicht zu finden: das Licht, nӓmlich Christus, war in die Welt gesandt, doch die Welt erkannte ihn nicht. Deshalb tӧtete ihn die Welt.  Auf der anderen Seite liebt Gott eben diese Welt leidenschaftlich, mit all ihren Fehlern, mit Sünde und Übel und Korruption.  Und so finden wir die vielleicht meist zitierten Worte des Evangeliums in der heutigen Passage aus dem Johannes, ‘Denn also hat Gott die Welt geliebt, daβ er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben’. Es ist so einfach, das zu lieben, was gut ist.  Es ist sehr viel schwerer, das zu lieben, was seine Fehler hat, oder das, was uns enttӓuscht, habe ich recht? Jeder, der je in einer Liebesbeziehung gewesen ist, wird wohl bezeugen können, daß es manchmal anstrengend ist, den oder die andere zu lieben, denn, wie wir so schön sagen, nobody is perfect. Doch Gott hat diese wunderbare und sündhafte Welt so geliebt, daβ er seinen Sohn gab.  Nun gibt es für uns die Versuchung, zu sagen, ja, die Welt ist schlecht. Ich weiß nicht, wie oft ich das meine Oma habe sagen hören, ach, die Welt ist schlecht. ‚Die Welt‘ wird dann zu etwas, was irgendwie nichts mit uns zu tun hat, als ob wir eben nicht zu dieser Welt dazugehören. Aber, ob wir’s mögen oder nicht, wir sind ein Teil des Systems, wir sind ein Teil der Welt – auf der einen Seite wunderbar von Gott geschaffen, wie es in einem Psalm heißt, mit unseren Stärken; auf der anderen Seite aber auch verdreht, manchmal verwirrt, trotzig, und eben nicht so liebevoll und fürsorglich, wie wir sein könnten.  Es hat so seine Gründe, warum wohl niemand hier je von der katholischen Kirche in den Heiligenkalender aufgenommen würde. Gottes Liebe ist für die Welt, und das schließt uns mit ein.  Und so sollten wir dankbar sein, daß Gott uns liebt, trotz allem, und nicht nur unsere Ehrfurcht vor Gottes winderbarer Welt zeigen, sondern auch Gottes wunderbare Liebe mit Ehrfurcht annehmen.

 

Wir alle sind von Gottes Liebe abhängig, und von Jesus Christus, auf den wir schauen sollen, aufgerichtet am Kreuz.  Christus am Kreuz erinnert uns Gottes große Güte und Liebe, an Gottes Opfer für uns, so daß wir gerettet, geheilt werden können, mit Gott versöhnt; und daß wir so von Gott verwandelt werden in Menschen, die, vielleicht sogar wie am Anfang im Paradies, in Frieden mit Gott, miteinander, und mit der Schöpfung leben.

Aber Gott braucht da auch unsere Hilfe und unsere Anstrengungen, um solch einer Verwandlung zu erreichen. Was können wir tun, um uns zu verwandeln?  Was können wir tun, um diese Welt zu verwandeln – von einer Welt, die korrupt ist, zu einer wunderbaren Welt, von der Menschen seit jeher geträumt haben, von Jesaja zu Johannes, dem Apokalyptiker, bis zu modernen Propheten wie Louis Armstrong und Martin Luther King Jr.?  Was können wir tun, um das Friedensreich Gottes, das wiedergefundene Paradies, zu verwirklichen? Was können wir tun, die Spannungen in uns und in unserer Welt zu überbrücken? Wir sollten nie die Macht– und die Verantwortung – unterschätzen, die uns von Gott gegeben ist, die Welt zu verändern, und sei es auch nur ein bißchen. Wenn wir nut etwas in uns gehen, werden wir alle etwas entdecken, das dabei helfen kann, die Welt ein Stückchen besser zu machen.  Wir sind alle begabt von Gott.

Gottes Liebe und der Kreuzestod Christi wäre vergebens, wenn diese Liebe uns nicht irgendwie verwandeln würde.  Schließlich hat Gott so die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, so daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, daß er die Welt richte, sondern daß die Welt durch ihn gerettet werde.

Jesus Christus ist nicht in die Welt gekommen, um für uns zu leiden und zu sterben und uns damit einen blanken Scheck zu geben, nach dem Motto: nun gut, dies habe ich für euch getan, also macht weiter wie bisher.  Haltet mit eurer Liebe zurück, zerstört weiterhin die Welt, seid gleichgültig aller Gewalt und Ungerechtigkeit gegenüber, die euch direkt nicht betrifft – nein, Jesus Christus kam, daß die Welt gerettet werde.

Und, wie wir alle wissen, ist diese Welt noch weit von Rettung entfernt. Jesus Christus hat den Prozess der Errettung begonnen – doch sind wir, der Leib Christi, dazu bereufen, die Arbeit der Errettung weiterzuführen, mit der Hilfe und aus der Gnade Gottes. Und hoffentlich leben wir mit soviel Integrität, daß wir offen im Licht wandeln, und andere durch uns Gottes wunderbare Welt sehen, wie sie hier bereits erfahrbar ist – und hoffentlich vergißt die Menschheit nie die Vision der wunderbaren Welt, die da noch kommt.

Amen