Predigt zu Lukas 13, 1-9; Dritter Sonntag in der Passionzeit – 28. Februar 2016

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Unsere Reise durch die Passionszeit geht weiter. Wir haben etwas über die spirituellen Übungen des Gebens und des Gebets gehört – und letzten Sonntag war die Reflektion über das Vater Unser auch sehr eindrucksvoll, da Loosely Renaissance die Reflektion so wunderbar musikalisch untermalte – und heute möchte ich mir ihnen Buße erforschen. Nun ist Buße wirklich fast ein Fremdwort in unserer Zeit und diesem Teil der Welt. Wir sind von einer Kultur umgeben, die trotzig ist und Ausflüchte sucht und Ausreden hat, wenn Fehler gemacht werden; das wird als wahre Stärke angesehen. Nachgeben? Sich entschuldigen? Buße tun? Das finden wir nur sehr selten.

Und wenn Sie mir nicht glauben, dann rufen Sie sich nur die Debatten  und Taktiken der U.S. Präsidentschaftskandidaten ins Gedächtnis. Fehler und Übertretungen des Anstands werden weg erklärt, und manchmal werden sogar diejenigen, denen Unrecht angetan wurde, für dieses Unrecht verantwortlich gemacht. Es ist nicht mein Fehler, sondern deren Fehler. Nein, wir bekennen nicht, das wir Fehler machen. Wir tun keine Buße. Und warum sollten wir?

Nun sehen wir leider die Resultate einer unbußfertigen Gesellschaft um uns herum und auch in dieser Welt. Wir scheinen mehr denn je polarisiert und zerspalten zu sein. Der Kongress in diesen Lande kriegt nichts gebacken, und Politiker in diesem Land und in aller Welt behandeln einander mit Mißtrauen. Wir vergessen, was es heißt, miteinander zu leben und nach Lösungen zu suchen, die allen zugute kommen anstelle von nur wenigen.

Buße ist das Herzstück des Evangeliums – der frohen Botschaft des Kommen Gottes unter die Menschen. Johannes der Täufer, der den Weg Jesu breitet, ruft den Menschen zu: ‘Tut Buße, denn das Reich Gottes ist nahegekommen!‘ Nach seiner Taufe reist Jesus durch die Lande und ruft selbst die Menschen zur Buße und Umkehr auf. Und Buße ist auch das Herzstück des heutigen Evangeliums.

Im Evangelium des heutigen Tages wird Jesus mit einer Meinung konfrontiert, die in jenen Tagen weitläufig war. Wir hören, daß es jene gab, die Jesus davon erzählten, wie Pontius Pilatus das Blut einiger Galiläer mit dem Blut ihrer Opfer vermischt hatte. Dies ist ansich schon eine Gräueltat, doch gibt es hier auch die rituelle Komponente, die gläubige Juden entsetzte. Und Jesus entgegenet: Meint ihr…? Meint ihr, daß diese Galiläer auf diese Weise leiden mußten, weil sie schlimmere Sünder waren als alle anderen Galiläer?

Jesus reagiert hier gegenüber einer Meinung, die auch viele heute noch teilen: daß schlimme Dinge nur schlimmen Menschen erfahren. In einigen östlichen Religionen würden wir von schlechtem Karma sprechen. Und Jesus fragt: Was denkt ihr? Aber ist dies doch eine rhetorische Frage. Er beantwortet sie selbst: nein, keineswegs. Es mag gängige Meinung sein, daß die Welt so funktioniert, aber Gott denkt da anders. So funktioniert dies im Reich Gottes nicht. Aber ich sage euch, wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr genauso umkommen. Wenn ihr euch nicht Buße tut…

Das Wort, das hier im griechischen Text für ‚Buße tun‘ steht, heißt ‚Matanoia‘. Wörtlich bedeutet ‘Matanoia’ eine Sinneswandlung, eine Umkehrung des Denkens. Und dies gibt Jesu Worten doch irgendwo eine ganz besondere Nuance: Meint ihr, daß schlimme Dinge Leuten wegen ihrer Sünde passieren?  Nein, doch wenn ihr nicht euer Denken ändert, werdet ihr genauso umkommen.

Nun denke ich, daß Jesus nicht nur die gängige Meinung seiner Zeit in Frage stellt, daß schlechte Dinge nur schlechten Leuten passieren – oder deren Nachkommen. Jesus stellt hier mehr in Frage: er greift menschliche Meinung generell an. Meint ihr, daß…einige Menschen besser sind als andere? Daß jene, die besonders tugendhaft sind, Gott in seinem Reich näher sein werden? Daß, wenn wir uns nur genug anstrengen und die rechten Opfer bringen, wir uns unsere Erlösung erwerben können? Tut Buße!  Denkt noch einmal darüber nach.

Menschliche Meinungen und Annahmen haben so ihre Grenzen. Und sie sind nicht nur beschränkt, sondern beschränken auch häufig und bremsen neue Möglichkeiten und Lösungen. Menschliche Meinungen können sogar Gottes wunderbare Taten unter uns bremsen. Wenn wir zu voreingenommen augrund unserer Meinungen sind, und trotzig an ihnen festhalten, ohne Buße, ohne Gott die Möglichkeit zu geben, unseren Sinn zu ändern, dann gibt es keinen Fortschritt, kein neues Leben, keinen Wachstum.

Es ist kein Zufall, daß Jesus im Zusammenhang des Aufrufs zur Buße das Gleichnis vom Feigenbaum erzählt.Dieses Gleichnis stellt so einiges in Frage. Zunächst einmal ist der Feigenbaum ein Beispiel dafür, was passiert, wenn wir keine Buße tun, wenn wir unser Denken nicht ändern, wenn wir unseren Sinn den endlosen und wunderbaren Möglichkeiten Gottes nicht öffnen. Da gibt es dann kein neues Leben, keine Frucht. Dann sind wir so sehr von uns selbst und unseren Meinungen eingenommen, daß wir alle Energie nur auf uns selbst verwenden, doch sie nicht dafür einsetzen, andere zu ernähren.

Nun hat der Besitzer des Feigenbaumes unheimlich Geduld mit dem Baum gezeigt. Eines der vielen mosaischen Gesetze befaßt sich mit fruchttragenden Bäumen. Nachdem ein Baum gepflanzt ist, darf die Frucht, die in den ersten drei Jahren wächst, nicht geerntet und verzehrt werden – das wäre rituell unrein. Wir können also annehmen, daß die drei Jahre der Unfruchtbarkeit dieses Baumes nach den ersten drei Jahren des Wachstums stattfinden, und daß der Baum also volle 6 Jahre keine Frucht getragen hat. Und Feigenbäume sind ganz schöne Schmarotzer, sie verbrauchen einen unheimlichen Anteil der verfügbaren Nährstoffe im Boden und Wasser; oft geht andere Vegetation um einen Feigenbaum herum ein.

Unter normalen Umständen ist das kein Problem, denn Feigenbäume produzieren viel Frucht und wachsen wie Unkraut. Wenn Sie mal durch die Bibel hindurch lesen, zählen Sie mal, wie häufig Feigenbäume oder Feigen erwähnt werden. Feigen sind die vorherrschende Frucht im Mittleren Osten, und sogar Adam und Eva machten sich schon ihre erste Kleidung aus Feigenblättern. Aber eine fruchtloser Feigenbaum ist eben ein besonderer Schmarotzer und zu nichts gut, außer zu Feuerholz.

Der Besitzer des Feigenbaums im Gliechnis hat eine unheimliche Geduld, 1.) da es sehr ungewöhnlich für einen Feigenbaum ist, keine Frucht zu tragen, und 2.) der Besitzer dem Baum sechs volle Jahre gegeben hat. Kurzum, dieser Baum ist einfach ein hoffnungsloser Fall, doch hat der Besitzer dennoch viel Hoffnung gezeigt. Und die, die Jesu Worten damals lauschten, dachten sich wahrscheinlich: Das macht doch überhaupt keinen Sinn! Warum hat der Besitzer diesen Baum nicht schon viel eher umgehauen?  Das wäre gesunder Menschenverstand, das ist, was wir denken.

Tut Buße. Denkt noch einmal darüber nach. Gottes Reich funktioniert nicht so. Gott ist barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte. Wo wir Menschen schnell das schlimmste annehmen und uns unsere Meinung bilden, die häufig ein Vorurteil ist – wo wir schnell die Axt an die Wurzel legen und zuschlagen, oder denken, daß Gott dies doch gewiß tun muß – da wartet Gott voller Geduld und Hoffnung.

Doch geht Jesus dann noch einem unglaublichen Schritt weiter. Der Besitzer des Baumes hat nach sechs Jahren die Nase voll und will diesen parasitischen Baum fällen. Doch der Gärtner beschwichtigt ihn: warte noch ein Jahr. Ich will alles tun, was in meiner Macht steht, den Baum zu nähren. Ich will tief bis an die Wurzel graben und das Problem beseitigen. Ich will diesem Baum noch eine Chnace geben. Und das ist schon erstaunlich, denn, wie ich schon erwähnte, brauchen Feigenbäume normalerweise keine Pflege, sondern wachsen wie wild. Der Gärtner bietet also dem Besitzer an, sich um ein Unkraut zu kümmern. Der Gärtner sieht etwas in diesem Baum, ein Potential, das ihn dazu treibt, es noch einmal zu versuchen und ein besonderes Opfer zu bringen.

Und die, die Jesus damals lauschten, dachten sich wahrscheinlich: Warum, um Himmels willen, strengt sich der Gärtner so an? Das ist doch eine Verschwendung von Zeit und Energie! Das wäre gesunder Menschenverstand, das ist, was wir denken.

Tit Buße. Denkt noch einmal darüber nach. Die Gnade Gottes, wie sie in Jesus Christus offenbart wird, und besonders in Jesu anscheinend sinnlosem Kreuzestod, bietet allen scheinbar hoffnunglosen Fällen nun doch noch Hoffnung – und eine weitere Chance. Und diese Gnade und Chance gilt auch für uns.

Buße heißt, unsere Sinne uns Herzen dieser wahnsinnigen Liebe und Gnade Gottes zu öffnen – und dann unsererseits demnach zu leben. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern…

Denn selbst der Gärtner denkt, daß der Baum nach einem Jahr der besonderen Fürsorge nun endlich Frucht bringen sollte. Gnade und Barmherzigkeit führen zur Verantwortung, etwas mit diesen Gaben zu tun.  Der Feigenbaum muß aufhören, alles nur für sich selbst zu verbrauchen., sondern muß anfangen, sich selbst zu verschenken, zur Nahrung und der Wohlfahrt anderer.

Wie ein Theloge mal beschrieb: Frucht zu bringen ist nicht ein Problem der Frucht, sondern ein Problem der Wurzel. Wenn der Baum am falschen Ort steht oder auf falsche Weise gepflanzt ist, so hat das eine Auswirkung auf die Frucht.

Die Wurzel all dessen, was wir sagen und tun, liegt in unserem Denken, unserem Sinn, unserer Einstellung.  Um die reichhaltigste, reichste und nahrhafteste Frucht zu bringen, müssen wir Buße tun, Dinge überdenken, und über unseren beschränkten Erfahrungsschatz und unsere Annahmen  hinaus unsere Sinne offenhalten. Wir müssen versuchen, die Welt durch die Augen eines anderen zu sehen; wir müssen unsere eigenen Fehler einsehen und auch bekennen, um Verzeihung bitten und unsere Hand in Versöhnung zu denen ausstrecken, denen wir wehgetan haben. Es geht bei Buße nun einmal um einen Sinneswandel, nicht nur darum, etwas mehr oder weniger zu tun. Es geht bei Buße darum, die endlosen und wunderbaren Möglichkeiten, die Gott uns bietet,  anzunehmen. Es geht bei Buße darum, zu glauben, daß Gott  lange Geduld mit uns hat – und auch mit anderen – und auch weiterhin das Außerordentliche tut, um uns zu erlösen.

Das Reich Gottes ist auf Buße gabaut uns somit doch ganz anders als die Reiche dieser Welt. So möchte ich Sie nun in dieser Passionszeit dazu einladen, Buße zu tun – und zwar eben nicht in dem Sinne, daß Sie auf Ihre Knie fallen und sich flagellieren sollen, sondern wie folgend: wenn Sie meinen, wenn Sie denken, Sie hätten eine Situation oder eine Person begriffen – denken Sie noch einmal darüber nach!

Amen