Predigt zu Lukas 4, 21-30; Vierter Sonntag nach Epiphanias – 31. Januar 2016

jeremia

 

Wer hier wäre gerne ein Prophet oder eine Prophetin? Ist hier irgendjemand daran interessiert, Gottes Willen zu verkündigen?

 

Hier ist die Stellenbeschreibung: muß  der Welt Gottes Botschaft verkündigen, die oft nicht gut und tröstlich ist, sondern manchmal ganz schön unbequem. Muß willig und fähig sein, Kritik einstecken zu können, und ein dickes Fell dagegen haben, lächerlich gemacht zu werden. Prophetie führt häufig zu Gefangennahme, Folterung, Exil – und manchmal sogar Tod.

 

Prophetie ist ein undankbares Unterfangen. Schauen Sie sich zum Beispiel einmal Jeremia an. Heute hörten wir in unserer ersten Lesung, wie er von Gott berufen wird.  Und die Botschaft, die er dem Volk Judas überbringen soll ist sehr unbequem: o Juda, du hast mich verlassen, und vernachlässigst deinen Nächsten in Not. Ich trauere über deine Untreue, spricht der Herr. Kehr um! Kehr dich wieder zu mir, wenn du leben willst!

 

Jeremia hat schon seine Gründe, warum er diesen Ruf nur recht widerstrebend annimmt – aber Herr, ich bin doch zu jung! Und Jeremia muß im Laufe seiner prophetischen Karriere viel leiden. Niemand hört auf ihn. Er wird lächerlich gemacht, er wird verfolgt, er wird zur Strafe in eine ausgetrocknete Zisterne gerworfen, gefangengenommen und körperlich mißhandelt. Irgendwann reicht es ihm, und er schreit zu Gott: ‚Warum, o Herr, warum hast du mich nicht im Mutterleibe sterben lassen? Das Leben, das ich führe, ist nicht lebenswert. Herr, warum hast du mir dies angetan?

 

Am Ende erfüllt sich Gottes Prophezeiung, Juda wird von den babyloniern unterworfen, und Jeremia wird von seinen eigenen Leuten ins Exil nach Ägypten geschickt. Seine Spuren verlieren sich in der Wüste…

 

Prophetie ist ein undankbares Unterfangen.

 

Jesus kehrt in seine Heimatstadt Nazareth zurück – wir hörten den Beginn dieser Geschichte am vergangenen Sonntag – nachdem er seine Familie, sein Handwerk und seine Stellung als ordentliches Mitglied der jüdischen Gemeinde verlassen hatte. Er kehrt zurück, nachdem er Menschen in den umliegenden Kommunen geheilt und ihnen die gute Nachricht von Reich Gottes gepredigt hat. Natürlich haben die Einwohner von Nazareth davon gehört. Und ich kann mir das Getuschel vorstellen: ‘Hast du schon über Jesus gehört, den Sohn von Josef, dem Zimmermann?’ ‘Nein, erzähl mal!’ ‘Er ist jetzt ein Prophet, ein Wnaderprediger, der die Menschen von ihren Gebrechen heilt. Na, wer hätte das gedacht – Jesus…aber ich habe ja schon immer gewußt, daß an ihm was besonderes dran ist. Seine Familie muß sio froh sein, daß er nun wieder heimkehrt.’ ‘Ja, und dann kommt er ja auch wieder zu UNS zurück, wo er schließlich hingehört! Er ist ja schließlich einer von uns.‘

 

Und so sind ihm die Menschen Nazareths erst einmal wohlgesonnen. Ihm wird der Platz in der Synagoge angeboten, der ihm gebührt. Auch die Stelle aus der Heiligen Schrift, die er auswählt, wird wohlwollend aufgenommen – die Stelle aus Jesaja über das Kommen des Messias, und wie dieser Messias wunderbare Dinge vollbringen wird, indem er den Blinden Sicht gibt, die Lahmen heilt und die Gefangenen befreit.  Und heute ist all dies vor euch erfüllt. Welch eine wunderbare Botschaft! Gottes Verheißungen werden an uns erfüllt! Es wundert mich nicht, daß die Männer in der Synagoge zunächst wohlwollend über Jesus sprechen.

 

Doch ist dies nicht die ganze Botschaft. Nein, auch Jesus, der Prophet, verkündet eine unbequeme Wahrheit: Gott ist nicht euer Eigentum. Nur, weil Gott mit euch einen Bund geschlossen hat, heißt das lange noch nicht, daß ihr Gott exklusiv für euch in Anspruch nehmen könnt. Nein, Elia und Elias, die Propheten des Alten Testamentes, wurden zu Heiden gesandt, Menschen außerhalbs der Volkes Israel, um Gottes Herrlichkeit zu offenbaren.

 

Dies macht die Männer in Nazareth fuchsig. Die ‚Hosannas‘ verwandeln sich in ‚Kreuzige ihn‘, sozusagen. Das Wohlwollen verwandelt sich in gewaltsame Feindlichkeit. Jesus ist einfach zu groß, zu gewagt, zu offen für die Klainstadtmenschen in Nazareth. Wir erfahren nicht genau, was diesen Umschwung in den Menschen von Nazareth bewirkt. Vielleicht, daß Jesus es ablehnt, seine gewohnten Platz in der Kommune Nazareths wieder einzunehmen? Vielleicht, weil ihnen die Erkenntnis kommt, wer Jesus behauptet zu sein, nämlich der Messias? Dies ist Blasphemie! Aber vielleciht ist es auch etwas in Jesu Botschaft, das die Leute erregt: ihr seid nicht die einzigen, dei auserwählt sind. Gottes Liebe reicht viel weiter, als ihr es euch vorstellen könnt.

 

Es scheint, als wollten dies die Männer Nazareths nicht hören. Es scheint, als wollten sie sich als die Auserwählten fühlen, als die, die ausschließlich und exklusiv erretet und erlöst sind.

Nun ist es für uns einfach, auf die Männer von Nazareth hinabzusehen. Wie konnten sie nur? Aber ist es nicht auch ein Teil unser christlichen Kultur heute, zu denken, daß Gott uns anderen Menschen, vielleicht sogar anderen christlichen Konfessionen, vorzieht? Daß wir heute noch von Häresie sprechen, wenn jemand anders glaubt als wir? Daß einige erretet sind, aber andere nicht? Daß, weil Jesus spricht, ‚Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, dies heißt, daß das Himmelreich nur durch Christus zu erreichen ist? Daß wir Gottes Gnade und rettende Kraft denen vorenthalten, die andere Glaubensbekenntnisse haben?

 

In meinem Vortrag über ‘Religion und Identität’ am vergangenen Sonntag in Oakland habe ich viel über die Erfahrung derTrennung zwischen Katholiken und Lutheranern in meiner Heimatstadt Delmenhorst gesprochen. Noch nicht einmal Christen, die an denselben Gott glauben, konnten anerkennen, daß ‘die anderen’ erlöst würden – nur, weil beide Konfessionen auf andere Art und Weise glauben. Lange Zeit wurden Evangelische und Katholiken noch nicht einmal im selben Friedhof beerdigt – noch nicht einmal der Tod in Christus verband Christen verschiendener Konfession. Nun hat sich das Gotts sei dank geändert. Sogar Papst Franziskus hat in letzter Zeit den Dialog mit Lutheranern gesucht und sogar um Vergebung für die Verfolgung von Protestanten gebeten.

 

Was ich damit sagen will, ist, daß wir häufig unsere Identität dadurch beschreiben, indem wir uns von anderen absetzenund abgrenzen. Und häufig steigern wir unser Selbstwertgefühl, indem wir jemand anderes heruntermachen oder ihm oder ihr den Respekt verweigern. Wir alle kennen, glaube ich, das Gefühl, bevorzugt sein zu wollen – die Auserwählten.

 

Warum haben wir das Bedürfnis, bevorzugt zu sein? Warum wollen wir zu den Auserwählten gehören? Wie sind wir nur auf die Idee gekommen, daß Gott sich eine bestimmte Anzahl von Menschen auserwählt – und ich bin natürlich unter denen, während die, mit denen ich nicht klarkomme oder die meine Meinung nicht teilen, ausgeschlossen werden?

 

Und nun bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei – aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

 

Wenn wir Jesus genau zuhören, dann entdecken wir, daß er häufig über einen Gott redet, der unser Vorstellungsvermögen sprengt. Elia wurde zur heidnischen Witwe gesandt, Elias heilte Naaman, einen Syrer, von seinem Aussatz.

 

In Matthäus, Kapitel 25, der berühmten Passage von den Schafen und den Ziegen, spricht Jesus nicht von den christlichen Gläubigen, die Jesus in ihrem Nächsten dienen – oder auch nicht -, sondern von den Heiden. Also sagt Jesus selbst aus, das einige das Himmelreich erlangen werden, die nicht Christen sind. Da ist es entscheidend, ob wir Gottes Willen tun, aber nicht unser Lippenbekennnis. Gottes Reich ist ständing am Wachsen, wie ein Senfkorn, wie ein Weizenfeld. Gott geht denen hinterher, die verloren sind. Jesus spricht eben nicht von einem Gott, der nur mit denen ist, die ihn exklusiv beanspruchen – sondern von einem Gott, der sich immer weiter ausdehnt, und die ganze Welt zu gewinnen sucht. Denn so sehr hat Gott die WELT geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab…

 

Die prophetische Botschaft der radikalen Liebe Gottes schient uns verrückt und lächerlich zu sein. Zumindest ist dies eine Botschaft, die in unserer heutigen Gesellschaft oft als naiv und träumerisch angesehen wird. Liebe deinen Nächsten? Liebe deine Feinde? Halt die andere Wange hin? Ehre die gesamte Schöpfung Gottes? Folge einem Gott, der seine Macht und Stärke durch den Tod am Kreuz demonstriert? Da sehen wir nicht wirklich in unserer Gesellschaft. Ganz im Gegenteil, wir schätzen physische. materielle und politische Stärke, und rohe Gewalt.  Wir haben uns der Philosophie des Überlebens des Stärkeren, des Reicheren, des Schlauesten, dessen mit der wirkungsreichsten Waffe verschrieben. Doch ist dies nicht das Himmelreich, das Gott sich und uns vorstellt. Wir sind sehr weit vom Paradies entfernt.

 

Und so brauchen wir heute noch Propheten, vielleicht mehr denn je in einer Welt, in der die Menschen so polarisiert sind, und in der viele so leben, als gäbe es keine Zukunft, noch nicht einmal eine Zukunft vor und mit Gott.

 

Wir brauchen Propheten, die die Wahrheit in Liebe sprechen, die einen Gott verkündigen, der unendlich liebevoll und gnadenvoll ist; ein Gott, der nicht aufhört, uns mit seiner Akzeptanz und Barmherzigkeit zu überaschen. Wir brauchen Propheten, die eine Vision von Gottes Zukunft haben, einer Zukunft, die nicht von Exklusivität und Vormacht geprägt ist, sondern von Glaube, Hoffnung und vor allem Liebe.

 

Wir brauchen Propheten, die nicht still bleiben, wenn die Würde eines der geliebten Kinder Gottes oder Gottes geliebter Kreatur angetastet wird.

 

Prophetie ist ein undankbares Unterfangen. Wenn Sie erst einmal den Mund aufmachen, dann könne Sie nicht erwarten, von der Welt mit offenen Armen empfangen zu werden. Aber Sie können sich gewiß sein, daß Gott Sie immer mit offenen Armen empfangen und Sie umfangen wird – Gott, der Sie aus dem Mutterleibe gezogen und seit jeher geliebt hat – Gott, der verspricht, alles new zu machen durch Glaube, Hoffnunf und Liebe.