Es gibt einige recht traurige Statistiken, daβ die Wochen vor Weihnachten die Hauptsaison für Trennungen sind. Vielleicht kӧnnen und wollen Paare, die Probleme haben, einfach nicht die Façade einer frohen Weihnacht und einer heilen Welt aufrechterhalten, wer weiβ?

 

Nun wissen alle, die je in einer Beziehung gelebt haben, daβ es nicht immer einfach ist, daβ es da schwierige Zeiten gibt, Tage, an denen wir uns enttӓuscht oder gar betrogen fühlen. Liebe ist harte Arbeit, vor allem dann, wenn unser Vetrauen miβbraucht wird. Und manchmal scheint es, als sei Liebe unter solchen Umstӓnden einfach zuviel Mühe, zuviel Anstrengung, vergebens. Und darum gibt es soviele Trennungen und Scheidungen.

 

Wenn wir uns das Evangelium für den heutigen Tag ansehen, dann haben wir hier eine Geschichte, die wie eine typische Trennungsgeschichte beginnt. Josef und Maria, dazu bestimmt, nun doch getrennte Wege zu gehen, wie soviele andere Paare in der Menschheitsgeschichte.

 

Und es kommt auch wirklich fast dazu. Josef kann einfach nicht damit umgehen, daβ seine Verlobte, Maria, schwanger ist – und zwar nicht von ihm.  Kӧnnen Sie sich vorstellen, was in dem armen Mann vorgeht? Was er empfinden muβ? Verwirrung, Enttӓuschung, Schmerz, vielleicht auch Wut. Da scheint es keine Zukunft mit der Frau zu geben, der er sich anvertraut hat, der er vertraut hat.

 

Und doch hӓlt Josef etwas davon ab, seine Verlobte in Schande zu bringen. Ist es Liebe? Mitleid? Ein gewisser Stolz? Güte? Josef hat es in der Hand, Maria den religiӧsen Autoritӓten als Ehebrecherin auszuliefern, und die würden sie wahrscheinlich zu Tode steinigen. Es wӓre so einfach für ihn, Gerechtigkeit für den Vetrauensbruch, der an ihm begannen wurde, einzufordern, wie es sein Recht nach dem jüdischen Gesetz wӓre. Es wӓre so einfach, in Selbstgerechtigkeit zu schwelgen und Rache zu suchen. Wӓre das nicht vielleicht unsere erste Reaktion? Gleiches mit gleichem zu vergelten mit jemandem, der uns etwas Bӧses angetan hat? Doch Josef wӓhlt einen anderen Weg.

 

Wir mӧgen denken, daβ es schon recht  grausam ist, daβ Josef Maria heimlich verlassen will. Schluβ, aus, Ende der Geschichte. Doch wenn man sich den Fall genauer anschaut, dann merken wir, daβ er Maria beschützen will. Denn wenn er sie heimlich und ohne Angabe von Gründen verlӓβt, und er hat das Recht nach dem Gesetz, so rettet er zumindest ihr Leben – und das Leben des ungeborenen Kindes. Maria kann dann weiterhin im Hause ihres Vaters leben, vielleicht in Schande, doch zumindest am Leben.

 

Doch dann gibt es noch einen anderen Aspekt, wenn wir uns Josefs Entscheidung betrachten: er riskiert, sich zum Gegenstand der Gerüchteküche zu machen und als Übeltӓter angesehen zu werden.  Wie kann er Maria nur verlassen unter den Umstӓnden? Er setzt seinen guten Namen für Marias Wohlbefinden und Ehre aufs Spiel. Na, wenn das kein ehrenhafter Mann ist, oder, wie die Bibel es nennt, fromm. Und insgesamt scheint Josefs Entscheidung die beste unter allen Umstӓnden zu sein, in all dem Chaos und der Verwirrung.

Doch, wie wir alle wissen, gibt es dann doch einen Wendepunkt in der Geschichte. Da gibt es eine himmlische Intervention.  

 

“‘Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist vom heiligen Geist. Und sie wird einen Sohn gebӓren, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden.’ Das ist aber alles geschehen, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht: ‘Siehe, eine Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebӓren, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben’, das heiβt, übersetzt: Gott mit uns.”

Gott bricht mit voller Macht in Josefs Leben und Planen ein, so wie Gott zuvor schon in Marias Leben eingebrochen ist. Da hatte sich Josef gerade dazu durchgerungen, wieder ein gewisses Maβ Ordnung in sein Leben zurückzubringen, und dann kommt Gott und stellt alles erneut auf den Kopf. Gӧttliches Chaos. Zumindest für Josef – die Auβenwelt bekommt davon nichts mit.

Josef erlebt etwas, das Theologe Thomas Long als eine ‘heilige Unterbrechung’ beschreibt. Eben die Erfahrung, daβ Gott unsere Plӓne manchmal durchkreuzt. Gott also hat einen anderen Plan für Josef – Gott tritt in sein Leben, das Leben, von dem Josef meinte, daβ er es gerade erst wieder irgendwie in Ordnung gebracht hӓtte. Doch Gott greift ein und verlangt das Unerwartete und das Überaschende. Diese heilige Unterbrechung ӓndert Josefs Leben. Gott hat ihn ganz direkt berührt, und Josef weiβ, daβ nichts so bleiben wird und bleiben kann, wie es einmal war.

Nun klingt es in den Worten des Evangeliums etwas mundӓn: Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und er nahm seine Frau zu sich. Und wieder kriegt die Auβenwelt nichts von diesem doch recht spektakulӓren Ereignis mit. Josef nimmt Maria zur Frau, so wie geplant. Sie bekommen ein Kind, so wie erwartet. Doch diese schlichten Worte, und Josef tat, wie ihm der Engel befohlen hatte, zeigen uns, welch ein tiefes Vertrauen Josef in die gӧttliche Fügung hat – in diesen doch recht aberwitzigen, überaschenden, unerwarteten Plan. Josef vertraut der Botschaft des Engels und ergibt sich, Maria und das ungeborene Kind in Gottes Hand. Und das hat nichts mit gesumdem Menschenverstand zu tun; das ist schon ein biβchen verrückt.

Wenn man darüber einmal nachdenkt, dann ist die gesamte Weihnachtsgeschichte mir ihrer Vorgeschichte mit recht merkwürdigen Charakteren besetzt: einer jungen Frau, die sich dazu bereiterklӓrt, ein Kind unter obskuren Umstӓnden zu empfangen. Josef, der seinen Trӓumen folgt. Mysteriӧse Weise, die einem Stern folgen. Hirten, zu jener Zeit der Abschaum der Gesellschaft, die himmlische Stimmen in den Feldern hӧren. Nӓrrische Leute, die Gottes Stimme lauschen und folgen, ohne sich um Vernunft oder die Konventionen und Regeln der Gesellschaft zu scheren. Und wӓre unsere Welt nicht vielleicht besser, wenn wir mehr solcher liebenswerten Narren hӓtten? Trӓumer, die glauben, daβ Gott wirklich Immanuel, Gott mit uns, ist, und ihrer Hoffnung auf und ihren Trӓumern von Frieden auf Erden und dem Wohlgefallen unter allen Menschen gemӓβ leben, sogar und gerade an all den Orten, an denen es keine Hoffnung, keinen Frieden, und kein Wohlgefallen gibt?

Idealisten, die, wie letzte Woche in Aleppo, immer noch versuchen, ihren Nachbarn zu helfen und sie in Sicherheit zu bringen, anstelle nur ihre eigene Haut zu retten, obwohl Regierungstruppen gnadenlos alle niedermachen, die ihnen in den Weg kommen. Trӓumer, die immer noch einen Funken Hoffnung haben, daβ die kleinen Kinder, die sie tragen, doch irgendwie gerettet werden kӧnnen, obwohl die Welt um sie herum zusammenstürzt. Idealisten, die solch ein schreiende Unrecht anprangern und es verurteilen. Und dann all jene in dieser Welt, die es eben nicht hinnehmen, daβ Ungerechtigkeit und Unfriede herrschen.

Was wӓre die Welt ohne solche frommen Narren, Trӓumer, Idealisten, Hoffnungstrӓger? Wahrscheinlich die absolute Hӧlle auf Erden.

 

Armer Trӓumer Josef. Er bekommt eigentlich nie die Anerkennung, die er verdient. Seine Rolle in dem himmlischen Drama um Immanuel, Gott mit uns, Jesus Christus, scheint recht bescheiden und unbedeutend zu sein. Er taucht nur noch wenige Male in der Geschichte Jesu auf, in der Bethlehemgeschichte natürlich, auf der Flucht nach Ägypten, ein paarmal wӓhrend Jesu Kindheit, doch dann verschwindet er wieder, heimlich, still und leise. Josefs Beliebtheit reicht nie an die seiner hochverehrten Frau Maria heran. Doch erinnert uns Josef daran, daβ, wenn Dinge sich nicht so entwickeln, wie wir es uns vorstellen, und unser Leben aus den Zügeln zu gleiten scheint, es vielleicht eine ganz gute Idee ist, auf Gottes Stimme zu horchen. Gott um Rat und Führung zu bitten. Auf diese innere und vielleicht leise Stimme zu hӧren, mit Vertrauen und und Glauben, egal, was die Welt um uns herum denken oder sagen mag. Es zu riskieren, daβ wir von der Welt als nӓrrische Trӓumer und Idealisten angesehen zu werden. Und offen zu sein für all die heiligen Unterbrechungen in unserem Leben, in denen wir Immanuel, Gott mit uns, in vielleicht ganz überaschenden Menschen und Situationen begegnen – und eben nicht nur in der Krippe.