‘Man kann nicht zweimal in denselben Fluβ steigen.’ Dies ist ein Zitat des griechischen Philosophen Heraklits von Ephesus, der im 5. Jh. vor Chr. lebte. Dieses Zitat faβt die Lehre des Heraklit zusammen: daβ eben alles im Fluβ ist, alles bewegt und ӓndert sich stӓndig. Und natürlich flieβt ein Fluβ. Es ist nicht dasselbe Wasser mit denselben Mineralien und Mikroorganismen in das man zum zweiten Mal steigt, oder zum dritten, oder zum fünfzigsten. Der Fluβ mag gleich aussehen, und das gibt uns eine gewisse Zuversicht; die Verӓnderungen sind nicht so offensichtlich, daβ wir uns Sorgen machen müβten. Doch ӓndern tut sich etwas, unaufhӧrlich.

Doch dann gibt es da auch Zeiten, in dene nein Fluβ sich ganz offensichtlich verӓdert. Wir haben das ja gerade erst in Kalifornien erlebt. Ausgetrocknete Bӓche werden zu geschwollenen Flüssen, an den Stauseen werden Vorrichtungen für den Überfluβ zu rauschenden Wasserfӓllen, da gibt es Schlamm und so einiges, was von den Wasser mitgerissen wird, da gibt es unerwartete Wucht und Chaos. Und, ja, manchmal in unserem Leben erfahren wir solche radikalen Verӓnderungen, Verӓnderungen, die uns überaschen, die uns von den Socken hauen, die vielleicht sogar unsere Welt zerstӧren.

Und dann verӓndert sich ein Fluβbett natürlich auch über die Jahrhunderte, Jahrtausende, Millionen von Jahren. Das Wasser findet mit der Zeit immer einen Weg. Und dann haben natürlich auch die Menschen in modernen Zeiten immer wieder versucht, Flüsse zu kontrollieren und zu begradigen und sie an ihren Platz zu verweisen – oft mit katastrophalen Folgen.

Man kann nicht zweimal in denselben Fluβ steigen. Dinge ӓndern sich. Aber dann  gibt es auch einen zweiten Teil zu diesem Zitat: ‚Man kann nicht zweimal in denselben Fluβ steigen, denn es ist nicht derselbe Fluβ, und man ist auch nicht mehr derselbe.‘ Also ӓndern sich nicht nur die Umstӓnde – wir ӓndern uns auch, physisch, mental und spirituell. Wir sind im Fluβ. Wir werden geboren, wir wachsen, wir werden alt, wir sterben, wir erstehen wieder auf.

Verӓnderungen sind unvermeidbar. Das wissen wir alle, wir haben es alle durchgemacht. Aber dann gibt es verschiedene Wege, mit Verӓnderungen umzugehen. Nun kӧnnen wir manchmal gar nicht anders, als auf Verӓnderungen zu reagieren – wenn z.B. ein geliebter Mensch stirbt, oder wir krank werden, oder ein Kind in die Familie geboren wird. Da haben wir keine Wahl, wir müssen uns damit auseinandersetzen. Dann gibt es da manchmal Verӓnderungen, die nicht gut sind und die entweder uns oder die Gesellschaft bedrohen. Da heiβt es dann, Widerstand zu leisten.

Wie aber gehen wir mit Wandel um, der nicht bedrohlich ist, der uns aber Unbehagen oder vielleicht sogar Furcht verursacht, weil wir einfach nicht wissen, was sich dadurch für uns verӓndert? Da kӧnne wir natürlich auch Widerstand leisten. Wir kӧnnen versuchen, uns einen Raum zu schaffen, in dem wir nicht viel von diesen Verӓnderungen spüren. Wir kӧnnen Verӓnderungen tolerieren, gezwungenermaβen, und über sie meckern. Dann kӧnnen wir aber auch Verӓnderungen akzeptieren, sie annehmen, und sie als eine Chance erleben, etwas Neues auszuprobieren und etwas Neues zu tun. In jedem Falle aber kӧnnen wir den Fluβ der Zeit und der Ereignisse nicht aufhalten, und nichts wird je wieder so sein, wie es einmal war. Und manchmal sollte es vielleicht auch asnicht so sein, wie es einmal war, denn nicht immer ist alles gut und muβ verӓndert werden.

In unserem Kirchenjahr sind wir jetzt an einem Angelpunkt angekommen, wir sind an der Schwelle von einer Saison zur anderen. Wir ziehen nun von der Epiphaniaszeit, in der es um den Glanz Christi und seine offenbarte gӧttliche Natur geht, in die Passionszeit, wӓhrend der wir den langen Weg zum Kreuz mit Jesus gehen werden. Und wir spüren den Wechsel in der Stimmung bereits in unserem heutigen Evangelium. Gerade noch waren wir mit Jesus auf dem Berg und haben seiner Bergpredigt gelauscht. Und heute besteigen wir einen anderen Berg mit ihm. Aber in der Zwischenzeit ist so einiges passiert, und so einiges hat sich verӓndert.

Gerade bevor Jesus Petrus, Jakobus und Johannes mit sich auf den Gipfel nimmt, kündigt er seinen Jüngern an, daβ er leiden und sterben muβ. Die Reise nach Jerusalem, der Weg nach Golgatha, hat begonnen. Welch ein Schock dies für die Jünger sein muβ! Ihr ganzes Leben haben sie diesem Mann gewidmet, diesem Rabbi, dem Messias, und zwar, weil sie an das Reich Gottes glauben, das nahe herbeigekommen ist. Sie erwarteten eine Revolution, eine Umkehr der Dinge – und vielleicht ja auch eine Rückkehr zu den guten alten Zeiten, das goldene Zeitalter Israels, in der das David Kӧnig und das Land noch unabhӓngig war. Vielleicht hoffen sie darauf, irgendwie doch ein zweites Mal in denselben Fluβ zu steigen. Jedenfalls bin ich mir ziemlich sicher, daβ das Leiden und Sterben das Letzte sind, das sie erwarten.

Die Jünger werden also mit einer Tatsache konfrontiert, die alles ӓndert, die alles für sie ӓndert. Und nun zieht Jesus mit Petrus, Jakobus und Johannes auf den Berggipfel. Und dort passiert etwas Atemberaubendes: Jesus wird vor ihren Augen verklӓrt, sein Gewand leuchtet, und sie sehen die Herrlichkeit Christi. Und nicht nur das – da erscheinen dann noch Moses und Elias, die das Gesetz und die Propheten des Alten Bundes vertreten. Dies ist eine enorme Verwandlung, eine enorme Verӓnderung. Das ist einfach umwerfend, schockierend und wunderbar.

Der Schleier wird von den Augen dieser Jünger genommen, und sie sehen, wer Jesus wirklich ist: Gottes Sohn, voll der Herrlichkeit, das Verbindungsglied zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wie paβt das aber nun mit Jesu Ankündigung seines Leidens und Sterbens zusammen? Warum muβ Gottes Sohn, in all seiner Macht und Majestӓt, sich dem Tod aussetzen? Wir wissen es, wir kennen die ganze Geschichte über Christi Sterben und Auferstehung, über die Macht Gottes, die sich in dem offenbart, was wur als Schwachheit empfinden. Aber für die Jünger liegt all dies noch in der Zukunft, und die Zukunft ist verwirrend und ungewiβ.

Armer Petrus. Er kommt in den Evangelien nicht immer gut weg. Gerade erst ist er von Jesus zurückgewiesen worden, als er protestiert, da Jesus seinen Tod ankündigt. Nein, Herr, das darf nicht passieren! Und Jesus entgegenet: weiche von mir, Satan, verführe mich nicht! Nun will Petrus Hütten bauen, Tabernakel, Monumente für diesen monumentalen Moment auf der Bergspitze. Er will den Moment bewahren, die Herrlichkeit Christi bewahren, er will lieber die guten alten Zeiten mit seinem Herrn bewahren als sich mit der Zukunft auseinanderzusetzen, die Jesus vorhergesagt hat. Er will etwas schaffen, das Bestand hat. Er will den Fluβ aufhalten. Und obwohl er es gut meint, so versucht er Jesus doch unabsichtlich erneut – eben nicht den Weg zum Kreuz zu gehen, sondern in der Herrlichkeit zu verweilen. Und wieder wird Petrus zurückgewiesen. Diesmal kommt die Zurechtweisund nicht von Jesus, sondern aus der Wolke: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; auf den sollt ihr hӧren! Auf ihn sollt ihr hӧren.

Auf Jesus zu hӧren bedeutet aber, Jesus auf den neuen und unerwarteten Wegen in eine ungewisse Zukunft zu folgen. Auf Jesus zu hӧren heiβt, zu akzeptieren, daβ Dinge nicht so sein werden, wie sie es einmal waren. Auf Jesus zu hӧren heiβt, sich nicht nach den guten alten Zeiten zu sehnen, denn das führt letztlich zu nichts, sondern in die Zukunft, Gottes Zukunft, zu schauen. Und zu vertrauen, daβ Gott immer da sein wird, eine wӓhrende Gegenwart durch alle Verӓnderungen hindurch.

Als die Jünger dies hӧren, so lesen wir, fallen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr. Nun denken wir natürlich zunӓchst, daβ sie so erschrecken, weil da diese gewaltige Stimme vom Himmel spricht – wen würde das nicht umhauen? Aber ich frage mich, ob sie nicht eher erschrecken, weil sie sich bewuβt werden, was es bedeutet, auf Jesu Stimme zu hӧren – nӓmlich, ihm auf dem Weg des Leidens und Sterbens zu folgen.

Aber Jesus rührt sie in jenem Moment an, er berührt sie, und ermutigt sie: Steht auf und fürchtet euch nicht. Steht auf und fürchtet euch nicht. Es ist Zeit, sich aufzumachen, es ist Zeit, wieder in das Tal zurückzukehren, in dem das wahre Leben stattfindet, es ist Zeit, den Weg nach Jerusalem fortzusetzen. Doch gibt es keinen Grund, Angst zu haben, denn Gott ist gegenwӓrtig, auf Schritt und Tritt. Und so stehen sie dann auch auf und machen sich auf den Weg; sie lassen die Vergangenheit zurück, sie lassen den Moment zurück, und wagen sich in die Zukunft.

Es ist unsere menschliche Natur, sich nach den guten alten Zeiten zu sehnen. Das ist der Segen und Fluch der Erinnerung. Doch wenn wir lediglich an der Vergangenheit hӓngen, dann verpassen wir womӧglich wunderbare und neue Dinge, die JETZT geschehen. Dann verpassen wir es womӧglich, neue Verbindungen zu knüpfen und neue Freundschaften zu finden, etwas neues zu lernen, etwas wertzuschӓtzen, von dem wir bisher noch nicht einmal wuβten, daβ es existiert. Zu neuen Orten zu ziehen und sie zu erforschen, zum allerersten Mal. Gott in unerwarteten Menschen und unerwarteten Situationen zu erleben. Gottes Herrlichkeit um uns herum zu erfahren – und Gottes Herrlichkeit in unsere Umwelt zu reflektieren. Zu sehen und spüren, wie uns das Reich Gottes heute nahekommt.

Und so sehr wir auch damit Probleme haben, die Verӓnderungen um uns herum zu akzeptieren, so ist es doch unsere Natur als Kinder Gottes, mit Zuversicht in die Zukunft zu schauen und sie anzunehmen – auch, wenn nichts je so sein wird, wie es einmal war. Wir kӧnnen auf Gott hӧren und Gott nachfolgen, auch, wenn der Weg unbekannt ist und in die entgegengesetzte Richtung führt, als aus der wir gekommen sind. Mit Christus und in Christus steigen wir nie zweimal in denselben Fluβ. Gott macht alle Dinge neu und schenkt uns allen ein neues Leben. Und in alledem kӧnne  wir uns gewiβ sein, daβ Gott immer da ist und in seiner Hand hӓlt. Also steht auf-und fürchtet euch nicht.