Warten. Das tun wir alle. Wahrscheinlich sogar täglich. Wir warten an der Ampel, wir warten in einer Schlange an der Kasse. Warten ist ein Teil unserer Kultur geworden. Überall gibt es Wartezimmer und Wartebereiche. Nun wissen wir normalerweise, worauf wir warten. Darauf, daβ die Ampel grün wird und wir unseren Weg fortsetzen können; darauf, daβ die Bahn oder der Bus endlich ankommen; darauf, daβ uns die Sprechstundenhilfe ins Behandlungszimmer ruft.

Aber dann warten wir manchmal auf etwas, das nicht so konkret ist. Ich denke einmal, daβ die meisten unter uns darauf warten, daβ sich etwas in unserem Leben oder in unserer Welt verändert. Und diese Art von Warten ist auch immer mit Erwartungen verbunden. Als Nation warten wir vielleicht darauf, daβ sich die Wirtschaft auch zugunsten des kleinen Mannes und der kleinen Frau bessert. Als Kirche warten wir vielleicht auf eine neue Generation, die diese Gemeinschaft mit neuem Leben erfüllt. Und als Nachfolger Christi warten wir darauf, daβ Gottes Reich komme. Jedenfalls beten wir dies jede Woche im Vaterunser.

Aber worauf warten wir Christen eigentlich genau? Was sind unsere Erwartungen, und nicht nur für die Advents- und Weihnachtssaison, aber was erwarten wir, wenn wir an das Gottesreich denken? Wie stellen wir uns Christus vor, und was erwarten wir von ihm? Ich denke, wir alle haben irgendwie Erwartungen an Christus. Oder vielleicht auch nicht.

Ich glaube, daβ viele Leute die Idee mögen, daβ die Adventszeit eine Zeit der Vorbereitung auf Weihnachten ist – dies ist ein Christus, den wir leicht akzeptieren können, das Kind in der Krippe, verletzbar und machtlos. Dies ist ein Christus, der recht vorhersehbar und unbedrohlich ist. Dieser Christus weckt in uns zarte Gefühle.

Doch sollte uns das Kampflied der Maria, das Lied, das wir auch als Magnifikat kennen, davor warnen, dieses Kindlein als schwach und zart anzusehen. Maria erwartet dieses Kind, ganz wörtlich, doch während sie auf seine Geburt wartet, hat sie auch eindeutige Erwartungen: Daβ dieses Kind, das sie trägt, die Welt auf den Kopf stellen wird. Er übt Gewalt mit seinem Arm, und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. Er stöβt die Gewaltigen vom Throne und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und läβt die Reichen leer ausgehen. Klingt das nach einem lieblichen und harmlosen Säugling?

Marias Lied weist darauf hin, daβ der Advent auch eine Zeit der Vorbereitung auf das ist, was wir das zweite Kommen Christi nennen. Das Kommen des Christus, der unberechenbar ist und wie ein Dieb in der Nacht kommt und uns verspricht, die Welt aus den Angeln zu heben. Des Christus, der uns ermahnt, zu jeder Stunde darauf vorbereitet zu sein, daβ das Reich Gottes unter uns hereinbricht. Was erwarten wir?

Johannes der Täufer hat lange auf das Kommen des Messias gewartet. Und wir haben über die Erwartungen des Johannes am vergangenen Sonntag gehört. ‘Der aber nach mir kommt, ist stärker als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe zu tragen. Ich taufe euch mit Wasser zur Buβe, doch er wird euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen.’ Und dabei auch mit all den Übeltätern abrechnen und mit unauslöschlichem Feuer verbrennen. Na dann, frohe Festtage!

Nun sind das recht konkrete Erwartungen. Jesus ist derjenige, der radikalen Wandel mit sich bringen wird. Und in gewisser Weise haben wir hier auch ein Echo des Magnifikat, des Liedes der Maria.

Doch dann kam Jesus und wurde im Jordan von Johannes getauft und begann seine Mission. Er predigte, setzte sich mit allen möglichen Leuten zu Tisch und aβ, er heilte sie von Gebrechen, befreite sie von Dämonen und vergab ihre Sünde. Das klingt nun gar nicht radikal. Die Römer haben immer noch das Sagen im Land; die religiöse Führungsschicht, die Johannes ‘Schlangenbrut’ nennt und die mit der Besatzungsmacht kooperiert – und daher auch von vielen ihres eigenen Volkes als Verräter angesehen werden – haben immer noch ihre Machtstellungen. Auf der Oberfläche sieht es doch so aus, als hätte sich überhaupt nichts verändert.

Und dann geht Johannes zu weit und kritisiert König Herodes, der nichts weiter als eine weitere Marionette der Römer ist, dafür, daβ er die Frau seines Bruders geheiratet hat. Johannes landet im Kerker, und sein Schicksal ist ungewiβ. Es sieht nicht gut für Johannes aus. Wo ist den nun der radikale Wandel, wo ist die Gerechtigkeit, die der lang erwartete Messias bringen sollte?

Es ist nicht verwunderlich, daβ John so seine Zweifel an Jesus als dem Messias hat, dort in der Finsternis des Kerkers, in einer auswegslosen Situation. Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?

Jesu Antwort auf diese Frage ist wahrscheinlich nicht, was Johannes erwartet. Hört! Seht! Blinde sehen, Lahme gehen, Taube hören, Tote stehen auf, und Armen wird das Evangelium gepredigt. Dies alles sind Zeichen, daβ die Prophezeiungen des Alten Testamentes erfüllt werden. Nein, der Messias ist nicht gekommen, um mit roher Gewalt die Welt zu verändern, sondern handelt auf viel subtilerer und gleichzeitig mächtigere Weise: er sät den Samen, das wie ein Senfkorn wachsen wird. So wird das Reich Gottes unter unshereinbrechen. Nicht durch Gewalt, sondern langsame und stetige Tranformation.

Wir erfahren nicht, ob Johannes mit dieser Antwort zufrieden ist. Sind wir es?

Es scheint ja so, als seien die Wunder, die Jesus vollbrachte, ein Ding der Vergangenheit. Ja, manchmal werden wir auch heute noch Zeugen einer wundersamen Heilung, oder wie jemand wie durch ein Wunder einen Unfall oder eine Katastrophe überlebt.

Doch dann leiden und sterben diejenigen, für die wir beten, doch – wie Pastor Gutsche. Wir werden Zeugen sinnloser Morde und schrecklicher Ereignisse, so wie des Feuers in der Künstlerkommune in Oakland, be idem 36 junge Menschen starben. Die Armen und Geisteskranken leben immer noch auf der Straβe, und uns ist es unangenehm, sie zu sehen oder von ihnen angesprochen zu werden. Das Geld regiert immer noch die Welt, und unsere Führer mögen sich ändern, doch am Ende folgen sie doch alle den gleichen Regeln.

Die Prophezeiung, daβ die Mächtigen vom Thron gestürzt werden und die Reichen leer ausgehen hat sich noch nicht erfüllt. Es scheint, als sei alles wie immer, und so mögen wir unsere Zweifel an diesem Messias haben; dem Messias, den Maria und Joahnnes so sehnsüchtig erwarteten. Bist du derjenige, der da kommen soll? Oder sollen wir auf einen anderen warten?

Doch dann hören und sehen wir: wie die Engel der San Francisco Night Ministry in die Finsternis gehen und denjenigen, die darin wandeln, mit wahrer Liebe und Barmherzigkeit begegnen. Wir werden Zeugen des selbstlosen Dienstes derjenigen, die in die Krisengebiete dieser Welt gehen, so wie dem Roten Kreuz und Ärzten ohne Grenzen, um den Schwachen und Hilflosen so weit wie’s geht zu helfen. Gerade in dieser Jahreszeit erleben wir, wie viele Menschen ihre Herzen und ihre Portmonnaies öffnen, um gemeinnützigen Organisationen zu unterstützen – und wenn Sie diese Kirche am Leben erhalten möchten, dann können Sie auch gerne eine steuerbegünstigte Spende an die Matthäusgemeinde geben.

Und manchmal passieren dann auch ganz subtile und mächtige Dinge: Letzte Woche machten sich mehr als 4000 U.S. Militärveteranen auf den Weg nach Standing Rock, dem Reservat, das durch den friedlichen Protest gegen eine potentiell umweltgefährdende Öl Pipeline in die Schlagzeilen geraten war; und diese 4000 Veteranen, trotz Schneesturms und Teperaturen unter dem Gefrierpunkt, versammelten sich dort, um die Nachkommen der Ureinwohner dieses Landes um Vergebung zu bitten; Vergebung für all die Greueltaten, die das U.S. Militär im Laufe der Geschichte an den Ureinwohnern begangen hatte. Und viele dieser Veteranen bildeten auch eine menschliche Schutzmauer um die Demonstranten herum.

Diese Gesten sind weitaus mächtiger als rohe Gewalt. Hier sehen wir das Samenkorn, das gesät ist, und welches zu einer Transformation und einem Herzenswandel führt. Gesten, die uns berühren und uns erneut an die Macht der Liebe glauben lassen. Und diese Ereignisse zeigen uns, was wir erwarten können, wenn Christus erneut zu uns kommt: das Ende der Dinge, die so wie immer sind. Das Überwinden von Scham und Schuldgefühlen. Den Mut, mit unserem sündigen und heiligen Wesen ehrlich umzugehen. Den Wandel unseres Herzens – und die Verwandlung der Welt. Und schlieβlich: Frieden. Mit uns selbst. Mit unserem Nächsten. Mit Gott.

Dies ist, worauf wir warten, was wir erwarten, und wonach wir in umserer christlichen Existenz streben.