Ich gebe es zu: die Adventszeit ist meine Lieblingszeit im Kirchenjahr. Ich mag einfach diese Zeit, die schwanger ist mit Erwartung, Geheimnis und Hoffnung.

 

Das kommt vielleicht auch daher, dass ich so viele schöne Kindheitserinnerungen an die Adventszeit habe. Wir waren keine besonders religiöse Familie, doch hatten wir unsere Rituale, wie das Anzüden der Kerzen auf dem Adventskranz bei Kaffee, Kakao und Weihnachtsgebäck, und dann natürlich das Öffnen der Türchen des Adventskalenders. All dies lehrte mich, was es bedeutet, etwas mit kindlicher Freude zu erwarten.

 

Was sind einige der Dinge, die Sie am Advent mögen?

 

Villeicht ist es die Vorfreude? Die Lichter, die Musik, die Aussicht, Zeit mit der Familie zu verbringen?

 

Doch dann hören wir während dieser Zeit eine Stimme, die ziemlich nervt oder gar bedrohlich klingt: ‘Ihr Schlangenbrut!’ ‘Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!’ Tut Buβe!’ ‘Der da nach mir kommt, wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen!’ ‘Bereitet dem Herrn den Weg!’

 

Ich muss gestehen, dass ich alle Jahre wieder doch von dieser Stimme aus der Wüste etwas aus der vorweihnachtlichen Bahn geworfen werde – der Stimme Johannes des Täufers.

 

Jedes Jahr im Advent begegnet uns diese merkwürdige Figur: Yochanan, wie Johannes auf Hebräisch genannt wird. Ganz egal, welches der 4 Evangelien wir aufschlagen, ob Matthäus, Markus, Lukas oder Johannes, da ist er. Wir können ihm und seiner Botschaft einfach nicht entkommen, egal, wie sehr wir versuchen, sie mit Weihnachtsliedern zu übertönen. Bereitet dem Herrn den Weg! Tut Buβe!

 

Diese Botschaft ist aber nun anscheinend für die, die die Evangelien niederschrieben, ganz wichtig – wichtiger als die Umstände der Geburt Jesu, von der nur Matthäus und Lukas berichten, Markus und Johannes gar nichts. Im Markusevangelium ist Johannes der Täufer sogar die allererste Person, der wir dort begegnen. Er bestimmt den Ton für all das, was dann nocht kommt – die Botschaft von Buβe und Vergebung. Johannes’ Name ist schon eine Botschaft an sich und weist auf das hin, was kommt.

 

Wir sagen Johannes, doch, wie ich schon sagte, wird sein Name auf Hebräisch ‘Yochanan’ ausgesprochen. Und Yochanan bedeutet wortwörtlich ‘Gott bückt sich’, ‘Gott beugt sich herunter’, oder, mehr im allegorischen Sinne, ‘Gott hat Mitgefühl’. Ist das nicht ein schöner Name? Und was für eine Botschaft! Ja, Gott beugt sich voller Mitgefühl nieder zu denen, die verloren sind, denen, die krank sind, denen, die am Boden sind oder auf krummen Wegen. Und Yochanan, Johannes, predigt nicht nur diese Botschaft, er verkörpert sie auch.

 

Gott bückt sich und beugt sich hernieder. Dies ist das Evangelium grob zusammengefasst. Und dies ist die Richtung Gottes – hinter uns herzusein, hinunter, da wo wir sind, in den Niederungen des Lebens. Gott ist auf dem Weg – zu uns. Doch gibt es da immer wieder Hindernisse, Strassensperren, die oft von uns selbst errichtet werden.

 

Und so hören wir die dringliche Botschaft des Johannes. Bereitet dem Herrn den Weg, räumt alle Hindernisse aus dem Weg. Tut Buβe. 

 

Tut Buβe. Ich wette, viele Leuten wissen gar nicht, was das bedeutet. Buβe ist so ein altmodisches Wort und scheint eher ins Mittelalter als in unsere Zeit zu passen. Wer in der heutigen Zeit – oder gar in der Politik – tut schon Buβe? Das würde ja womöglich als Eingeständnis von Schuld oder Schwäche gesehen.

 

Nun ist Buβe ein interessantes Wort – und es ist auch interessant, dass Luther es in seiner Übersetzung verwendet. Buβe kommt von altgermanischen ‘bot’, was ‘gut’ bedeutet. Buβe ist ursprünglich eine Verbesserung oder Wiedergutmachung, und nicht unbedingt im Sinne von Bestrafung, wie es dann später in der Geschichte vornehmlich verstanden wurde. ‘Tut Buβe’ könnte man also im Sinne von ‘macht es wieder gut’ verstehen.

 

Im Englischen sagen wir ‘repent’. Dies kommt von Lateinischen und bedeutet wortwörtlich ‘zurück-denken’, oder Umdenken. Und dies kommt dem grieschischen Wort, das wir hier im Evangelium haben, sehr nahe: Metanoia. Metanoia bedeutet Gedankenwechsel, also Umdenken, Sinneswandel. Und mit einem Sinneswandel geht dann auch meistens ein Verhaltenswandel einher.

 

Und ich denke, wir alle wissen, dass man nicht so einfach sein Verhalten ändern kann. Man kann nicht so einfach die Richtung wechseln. Jeder hier, der mal versucht hat, das Rauchen oder das Trinken oder das zu viele Arbeiten aufzugeben oder auch gesünder zu leben wird das bezeugen können. Bevor sich das Verhalten ändert, muss sich erst einmal das Denken und Fühlen ändern – die Einstellung.

 

 

Warum ist es nur so schwierig, einen Sinneswandel zu haben? Was macht es so schwer, Buβe zu tun, sich zum Besseren zu wenden? Ist es Sturheit? Ist es Bequemlichkeit oder gar Faulheit? Ist es Stolz – ich kann nicht zugeben, dass ich auf dem Holzweg war oder bin? Vielleicht ist es ja von allem ein bisschen.

 

Nun sagte der Philosoph Francis Picabia einmal: “Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.” Macht Sinn, oder? Warum, ach warum denken wir so häufig stur geradeaus? Warum ist es so schwer, unseren Sinn zu wandeln? Warum ist es so schwer, zuzugeben, dass wir uns auf dem Holzweg befinden und in die falsche Richtung laufen?

 

Vielleicht ist dies ja das Herzstück dessen, was wir Sünde nennen: dass wir einfach weiterlaufen, obwohl wir es eigentlich besser wissen. Wir halten an unserem Groll fest. Wir laben uns daran, dass uns Unrecht getan wurde. Wir halten an alten Gewohnheiten fest, obwohl es uns nicht guttut. Es ist so schwer, loszulassen, es ist so schwer, die Richtung zu wechseln.

 

 Und vielleicht betonen deshalb die Verfasser der Evangelien Johannes den Täufer und seine Botschaft: tut Buβe! Tut Buβe, tut Buβe, tut Buβe! Wendet und wandelt euch zum Besseren! Wendet euch Gott zu, der euch schon entgegenkommt, der sich zu euch niederbeugt. Gott ist auf dem Weg zu euch!

 

Aber irgendwie scheinen wir dann doch oft in die Gegenrichtung zu gehen: hin zur Verurteilung und weg von der Vergebung. Hin zur Gleichgültigkeit und weg vom Mitgefühl. Hin zur Zerstörung und weg von allem, was wiedergutmacht und heilt. Hin zum Tod, und weg vom Leben. Weg von Gott.

 

Aber, aber – und darin liegt das Geheimnis und das Wunder der Adventszeit: Gott ist immer noch hinter uns her, Gott beugt sich zu uns hernieder und schert sich nicht um all die Hindernisse, die wir Gott – die wir uns selbst – in den Weg legen. Gott sehnt sich danach, dass wir einen Wandel von Herz und Sinn und Verhalten haben, dass wir umkehren, uns hinkehren zu dem, in dem wir Anfang und Ende haben: dem Gott der Liebe und der Gnade. Dem Gott, der uns Leben schenkte und allen ein ewiges Leben in aller Fülle verspricht.

 

Nirgends sehen wir diese Sehnsucht so ausgedrückt wie im Kind in der Krippe, in einem Futtertrog, so ganz unromantisch. Wie viel tiefer könnte Gott sich zu uns niederbeugen?

 

Gott kommt zu uns hinunter, und wir erleben das immer wieder: in Brot und Wein, und auch im Wasser der Taufe – und das Geheimnis dieser beiden Sakramente, das Geheimnis des Kommens Gottes zu uns werden wir heute erleben, da wir nicht nur Abendmahl feiern, sondern auch A getauft wird.

 

Gott beugt sich zu A. Gott beugt sich zu uns. Gott kommt zu uns. Gott ist mit uns. Gott ist unser Anfang und Ziel. Dies ist das Herzstück der Botschaft der Johannes, und diese Botschaft ist ganz wichtig in dieser Zeit, schwanger mit Erwartung, Geheimnis und Hoffnung.

 

Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen! Tut Buβe und wendet euch zum Guten! Bereitet dem Herrn den Weg! Laβt euch Herzen und Sinne ändern, so dass Gottes Friedensreich in uns und unter uns Wohnung findet.

 

 

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