“Daran wird jedermann erkennen, daβ ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.”
Johannes 13,35, Lutherbibel
Das Kreuz, das Sie im Bild sehen, ist eines der Kreuze, das im Gottesdienstraum in der Gemeinde von Taize (Frankreich) zu finden ist. Taize ist weltweit unter Christen bekannt; vor allem wegen all der wunderschӧnen Gesӓnge, die hier ihren Ursprung haben und nun in vielen christlichen Gemeinden in aller Welt gesungen werden.
Das ‘Herzenskreuz’ symbolisiert Gottes Liebe für die Menschheit – und diese Liebe wird vor allem im Tod Christi am Kreuz sichtbar. Allerdings sagt dieses Kreuz auch viel über die die Gemeinde in Taize selbst aus – und über ihren Gründer, Bruder Roger Schuetz.
Schuetz war Schweizer Staatsbürger. Er studierte reformierte Theologie und wollte Pfarrer werden. Aber die Schrecken des Naziregimes warfen ihn aus seiner Bahn. Wӓhrend des zweiten Weltkrieges versteckte Schuetz jüdische Flüchtlinge in Taize, einem kleinen franzӧsischen Dorf, um sie vor Verfolgung zu bewahren. Aber 1942 wurde auch Taize von deutschen Truppen besetzt, und Schuetz muβte diesen geheimen Standort aufgeben.
Nach dem Krieg lag ganz Europa in Schutt und Asche. Auch nach Kriegsende sahen sich viele Vӧlker in Europa noch als verfeindet an. Schuetz litt sehr unter dieser Zertrennung unter den Menschen – insbesondere, da sich die Groβzahl der Europӓer zu jenem Zeitpunkt zum christlichen Glauben bekannte, und an denselben Gott glaubte. Schuetz kehrte nach Taize zurück und gründete eine ӧkumenische Bruderschaft, mit dem Ziel, Menschen miteinander zu versӧhnen. Schuetz war klar, daβ nur christliche Liebe – eine Liebe, die über konfessionelle und nationale Grenzen hinwegsieht – dazu instande sein würde, solch eine Versӧhnung zu bewirken, und die Wunden des Krieges zu heilen. Als Leiter dieser Gemeinschaft in Taize wurde Schuetz dann als ‘Frere Roger’, oder ‘Bruder Roger’ bekannt.
Bruder Roger versuchte vor allem, die Jugend in Europa zu erreichen. Er lud junge Menschen ein, nach Taize zu kommen, und dort für eine Weile mit anderen jungen Leuten gemeinsam zu arbeiten und Gottesdienst zu feiern – und Brüder und Schwestern im Glauben kennenzulernen, die vormals als Feinde betrachtet worden waren.
Damit konfessionelle Neutralitӓt gewahrt würde, hat es kein Glaubensbekenntnis oder Dogma in Taize gegeben – lediglich die Bibel wird im Gottesdienst zitiert. Die Hauptsprache im Gottesdienst und für die Gesӓnge war und ist noch immer Latein – eine ‘neutrale’ Sprache, die keine Nationalitӓt bevorzugt. Durch diese Maβnehmen hofften Bruder Roger und seine geistlichen Brüder, den grӧβten gemeinsamen Nenner unter all jenen zu finden, die nach Taize kommen. Er hoffte auch, daβ sich so alle auf das Kreuz Christi und die Versӧhnung in ihm und durch ihn konzentrierten.
Bruder Roger war erfolgreich. Die Gemeinschaft in Taize wuchs gewaltig über die Jahrzehnte. Noch heute kommen zehntausende von zumeist jungen Christinnen und Christen nach Taize, um mit anderen jungen Glaubensbrüdern und –schwestern zu arbeiten und Gottesdienst zu feiern. Und eines der Hauptsymbole, an dem sich die Gemeinschaft orientiert, ist das ‘Herzenskreuz’. In ihm wird die uneingeschrӓnkte und leidenschaftliche Liebe Gottes für alle erfahren.
Es ist ironisch und tragisch, daβ Bruder Roger, der Liebe und Frieden personifizierte, einen gewaltsamen Tod starb – im August 2005 wurde er wӓhrend des Gottesdienstes von einer geistig verwirrten Frau erstochen. Doch sein geistliches Vermӓchtnis dauert bis heute an.
In den letzten zwei Wochen lud ich Sie ein, Steine am Fuβe des Kreuzes niederzulegen, die Ihre Lasten und Ihre Bitterkeit symbolisieren. Diese Woche mӧchte ich Sie dazu einladen, einen Stein mit dem Gebet niederzulegen, daβ Versӧhnung dort geschehen mӧge, wo sie dringend gebraucht wird – sei es in Ihrem privaten Kreis, oder in Krisengebieten dieser Welt. Mӧgen Sie daran gedenken, daβ der Tod Christi am Kreuz aus Liebe geschah – und für eine verlorene und verwirrte Welt.
Und mӧge der Friede Christi uns weiterhin begleiten, da wir unsere Reise im Schatten des Kreuzes fortsetzen.