Predigt zu Matthӓus 5,21-37; Sechster Sonntag nach Epiphanias – 12. Februar 2017

 

Die meisten von uns sind wahrscheinlich schon einmal in einer Situation gewesen, in der wir an jemandem Kritik üben muβten oder auch jemanden korrigieren muβten – weil diese Person etwas eben nicht ganz richtig machte. Und alle Eltern, Erzieher, Lehrerinnen und Vorgesetzten unter uns wissen, daβ dies einfach notwendig ist, um anderen etwas beizubringen – wie sollten und kӧnnten sie sonst lernen? Kritik ist notwendig, um das beste aus einem Menschen hervorzubringen.

 

Aber dann denke ich, daβ wir alle wissen, wie schwer es sein kann, Kritik anzunehmen. Schlieβlich geben wir, wie wir meinen, oft schon unser Bestes, und wir denken, daβ wir dafür Anerkennung verdienen. Zu hӧren, daβ wir etwas besser hӓtten machen kӧnnen oder sollen, ist dann schon manchmal ganz schӧn hart, und wir mӧgen das gar nicht.

 

Nun wӓchst derzeit in diesem Teil der Welt eine Generation heran, die ganz besonders Probleme damit hat, kritisiert zu werden. Das liegt zum Teil daran, daβ viele Kinder heutzutage für alles Mӧgliche gelobt werden, egal, ob sie wirklich ihr Bestes gegeben haben oder auch nicht. Da gibt es stӓndig Bestӓtigung, und jeder kriegt einen Preis oder eine Urkunde. Doch dann geht irgendwann das richtige Leben los, und junge Menschen finden dann schnell heraus, daβ es eben nicht ausreichend ist, einfach nur anwesend zu sein, nein, man muβ schon etwas besonderes leisten. Und dann kann es ein ganz schӧner Schock sein, sich Kritik anhӧren zu müssen – und sie zu akzeptieren. Und viele Kids oder auch junge Erwachsene hӧren gar nicht richtig zu, wenn sie kritisiert werden – sie erfahren Kritik irgendwie als Ablehnung, doch nicht als ein Mittel, um eben besser zu werden und etwas zu lernen. Ist ihnen denn nicht gesagt worden, daβ sie bereits groβartig und wundervoll sind? Warum sollten sie sich in etwas verbessern? Aber, um fair zu sein muβ ich auch sagen, daβ nicht nur junge Leute Probleme damit haben. Da gibt es viele Ältere, die meinen, sie wüβten schon alles und müβten nichts mehr dazulernen.

 

Nun hӧrte ich von kurzem von einer bestimmten Methode, um Kritik effecktiv zu kommunizieren, und diese Methode wird ‘Sandwich Methode’ genannt. Man beginnt da mit Lob und Anerkennung, dann folgt Kritik, und man schlieβt das ganze wieder mit Bestӓtigung. Die Kritik wird also, wie Wurst und Kӓse, zwischen die Brotscheiben der Anerkennung gelegt. Ein Beispiel dafür wӓre: ‘Ich sehe, daβ du viel Arbeit in deine Geschichtshausaufgabe gesteckt hast. Doch sind da noch ein paar fehlende Daten und ein paar Unklarheiten, und es wӓre gut, wenn du da noch etwas genauer nachforschen würdest. Aber wenn du das tust, dann kann das eine richtig gute Arbeit sein!‘ Die Theorie ist, daβ Leute Kritik eher annehmen und sich nicht automatisch abgelehnt fühlen , wenn Kritik von Bestӓtigung eingerahmt ist.

 

Nun sind wir in unserer Perikopenreihe gerade dabei, die Bergpredigt Jesu Stück für Stück und Sonntag für Sonntag zu hӧren. Die Bergpredigt ist die erste groβe Rede, die Jesus nach Beginn seiner Mission hӓlt, und kann als programmatisch beschrieben werden. Und es scheint, als hӓtte Jesus bereits vor 2000 Jahren etwas über die ‘Sandwich Methode’ gewuβt. Vor zwei Wochen hӧrten wir die trӧstlichen Worte der Seligpreisungen, die die Berpredigt erӧffnen, ‘Selig seid ihr’. Letzte che hӧrten wir: ‘Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt.’ Und diese Worte geben und Bestӓtigung, Gottes Bestӓtigung. Und, ‚spoiler alert‘, wie man hier so schӧn sagt, am Ende der Bergpredigt gibt es wieder eine Bestӓtigung: ‘Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet.‘ Na, ich denke, wir kӧnnen dies gerade derzeit gut nachvollziehen.

Aber das bedeutet auch, daβ Jesus in diese Worte der Bestӓtigung Kritik in der Form von Regeln und Geboten einfügt. Bereits letzte Woche hӧrten wir sanfte Kritik: ihr seid das Salz der Erde, aber Salz kann seinen Geschmack verlieren. Ihr seid das Licht der Welt, doch manchmal stellen wir es unter einen Scheffel. So laβt euer Licht vor anderen leuchten! Und: Ich bin nicht gekommen, das Gesetz aufzuheben, sondern um es zu erfüllen.

 

Und heute geht’s dann so richtig los mit Regeln und Gesetzen, angesichts derer wir wahrscheinlich am liebsten weghӧren mӧchten. Also sage ich Ihnen: erinnern Sie ich bei alledem an Jesu bestӓtigende Worte. Selig seid ihr. Ihr seid das Licht der Welt. Dann ist es leichter, Jesu Worten zuzuhӧren, die uns herausfordern, uns zu bessern. Und diese Worte sind wichtig, wir müssen diese Worte hӧren und sie uns zu Herzen nehmen.

 

Also hier zur Erinnerung:  Im heutigen Evangelium nimmt Jesus einige der alttestamentlichen Gesetze auf. Du sollst nicht tӧten, du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht falsch Zeugnis reden und schwӧren – und dann ist da noch das Gesetz zur Ehescheidung, ein Gesetz, das folgendermaβen zusammengefaβt werden kann: ‚Du sollst deiner Frau einen Scheidebrief geben, wenn du einen Falsch an ihr findest.‘ Und, nur nebenbei, dieses Gesetz wurde teilweise recht groβzügig ausgelegt. Einer Frau konnte schon ein Scheidebrief gegeben werden, wenn sie das Essen anbrennen lieβ, oder der Mann sie einfach nicht mehr attraktiv fand. Die Frau hatte da überhaupt kein Sagen und keine Rechte.  

 

Nun nimmt Jesus diese altbekannten Gesetze und setzt noch einen drauf: Wahrlich, ihr sollt nicht tӧten, doch ihr sollt noch nicht einmal eurem Bruder oder eurer Schwester zürnen, also euch nicht über andere ӓrgern, sondern Versӧhnung suchen. Wahrlich, ihr sollt nicht ehebrechen, doch schon der Gedanke an Ehebruch macht euch schuldig. Bezüglich der Scheidung: tut’s nicht (es sei denn, sie ist fremdgegangen; und, nur als Randbemerkung: Jesus appelliert hier an die Gnade. Eine Ehebracherin konnte zu Tode gesteinigt werden. Jesus lӓβt Milde walten, wenn er in diesem Falle eine Scheidung ‚erlaubt‘.). Und bezüglich der falschen Eide und Schwüre, na klar ist das untersagt, doch dann sollen wir überhaupt nicht schwӧren, sondern immer Klartext reden. Und, so Jesus, wenn ihr diese Regeln nicht befolgt, werdet ihr die Folgen spüren.

 

Das muβ man schon erst einmal verdauen. Denn das scheint fast unmӧglich. Da dürfen wir noch nicht einmal mit unseren Mitmenschen frustriert oder verӓrgert sein? Wir dürfen uns nicht hinter ihrem Rücken über sie beschweren, keine Missetat vergelten, sondern uns um Versӧhnung bemühen? Das allein ist schon eine gewaltige Herausforderung.

 

Und die ganze Scheidungsgeschichte trifft mich als Geschiedene schon hart. Doch dann weiβ ich natürlich auch al seine Geschiedene, daβ eine Scheidung die Hӧlle ist und soviel Leid und Schaden verursacht, gerade, wenn es Kinder gibt. Ich bin nicht stolz, daβ diese Beziehung scheiterte, daβ eine Familie auseinandergerissen wurde, auch, wenn die Scheidung als die beste Lӧsung schien. Gott gibt uns nicht nur Regeln, die die Moral betreffen, Gottes Erwartungen an uns sind keinesfalls einer moralischen Natur, nein, Gott will uns mit den Geboten vor Leid bewahren – und auch davor bewahren, anderen Leid anzutun.

 

Gott gibt uns Regeln, nach denen wir leben sollen, uns zwar nicht, um es uns schwer zu machen oder unser Leben zu kontrollieren, sondern uns zum Vorteil und zum Nutzen. Regeln, Gebote und Gesetze sind uns gegeben, so daβ wir als Menschen miteinander klarkommen – so daβ wir unsere Selbstsucht überwinden und uns auf das Gemeinwohl konzentrieren. Und auch, wenn es zunӓchst nicht so scheint, so kommt uns das Gemeinwohl am Ende wieder zugute. Denn eine Gemeinschaft, die gut funktioniert, eine Gemeinschaft, in der sich Menschen umeinander kümmern, eine Gemeinschaft, in der mich meine Nӓchsten kümmern, da wird sich auch um mich gekümmert. Da finden Liebe und Akzeptanz. Da erhaschen wir einen Blick auf das Reich Gottes unter uns.

 

Und im Grunde genommen sind Jesus Gebote darauf aus, daβ wir einander mit mehr Barmherzigkeit behandeln. Und das tut, gerade in der heutigen Zeit, Not.

 

Gerade letzte Woche fand ich dieses nette Zitat: ‘Live for yourself, and you will live in vain; live for others, and you will live again’ – Leb für dich selbst, und du lebst vergenbens; leb für andere, und du wirst erneut leben. Und dieses Zitat faβt im Grunde genommen den Sinn der Gebote Gottes zusammen – denn sie ermӧglichen es uns, miteinander und füreinander zu leben, und führen uns zum Leben in aller Fülle, zum ewigen Leben. Und übrigens stammt dieses Zitat von Bob Marley und ist seinem Lied ‘Pass it on’, ‘Gib es weiter’, entnommen.

 

Doch nun zurück zu den kritischen Worten Jesu, die uns dazu herausfordern, besser zu handeln und besser zu werden. Wir mӧgen diese Kritik nicht annehmen wollen. Wir mӧgen denken, daβ wir ja schon gute Christen sind und bereits unser Bestes tun. Wir sehnen uns danach, so anerkannt zu werden, wie wir sind. Wir mӧgen denken, daβ Gott uns irgendwie ablehnt und verwirft, wenn Gott etwas mehr von uns erwartet. Oder, auf der anderen Seite, wir mӧgen meinen, daβ wir über diesen Worten stehen, daβ sie uns irgendwie nichts angehen, unseren Nӓchsten aber sehr wohl! Und daβ wir schnell über andere urteilen, gerade dann, wenn sie nicht den Regeln und Geboten gerecht werden, und daβ wir solche Menschen verwerfen. Und daβ, obwohl wir doch alle das Wort der Verheiβung und der Bestӓtigung empfangen haben. Und daβ, obwohl wir alle gemeinsam diesen Weg auf Erden gehen. Und daβ, obwohl Gott sich um die gesamte Schӧpfung kümmert und sorgt.

 

In alledem ist es nur recht und würdig, daβ wir uns daran erinnern, daβ Gottes Worte der Kritik erinnern, und insbesndere an die Worte, die wir als Teil Jesu Bergpredigt hӧren, in Gottes Verheiβung von Gnade und Leben eingebettet sind. Es ist recht und würdig, daβ wir uns daran erinnern, daβ Gottes Gesetze und Gebote in Gottes Bestӓtigung eingebettet sind: Du, Mensch, liegst mir am Herzen – so wie auch die gesamte Kreatur. Darum gibt uns Gott schlieβlich Gebote, als Zeichen Gottes Liebe und Fürsorge für uns und unsere Mitmenschen.

 

Und weil wir von Gottes Liebe umfangen sind, kӧnne  wir uns sicher sein und auch Mut haben: den Mut, Gottes Herausforderung anzunehmen und danach zu streben, unser Leben und damit das Leben anderer zu verbessern; das Potential auszuschӧpfen, das Gott in uns allen erkennt. Den Mut, Gottes Traum einer Gemeinschaft zu leben, in der niemand dem anderen Leid zufügt – und niemand Leid erfӓhrt – eine Gemeinschaft, in der die Menschen, in der wir, nicht ineinander verkrümmt sind, sondern dem Nӓchsten die Hand reichen – eine Gemeinschaft, die das ewige Himmelreich schon hier und jetzt wiederspiegelt. Dies ist Gottes Verheiβung. Und dies wird zu unserer Berufung.

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