Predigt zu Lukas 12, 49-56/Hebrӓer 11, 29-12, 2; 12. Sonntag nach Trinitatis – 14. August 2016

mardini

Sie haben wahrscheinlich davon gehӧrt: derzeit finden die olympischen Sommerspiele in Rio statt. Top Athleten aus aller Welt messen sich in allen erdenklichen Sportarten. Nun hat die Olympiade interessanterweise eine grӧβere Bedeutung für die Sportler und Sportlerinnen als zum Beispiel eine Weltmeisterschaft; ein gewisser Mythos umrankt die olympischen Spiele, vielleicht, weil sie nur alle vier Jahre stattfinden. Und so ist es für die Sportler und Sportlerinnen eine besondere Ehre, teilzunehmen. Und wie wir über die letzten zehn Tage gesehen haben, geben die Athleten ihr Bestes, und natürlich hoffen so manche, auf dem Siegertreppchen zu stehen.

Wenn Sie die groβe Erӧffnungszeremonie gesehen haben, so ist Ihnen vielleicht aufgefallen, daβ dieses Jahr ein besonderes Team an der Olympiade teilnimmt: zum ersten Mal in der Geschichte der olympischen Spiele gibt es ein Flüchtlingsteam. 65 Millionen Menschen sind derzeit auf diesem Planeten heimatlos, hauptsӓchlich aufgrund von Kriegen und Konflikten; dies ist die grӧβte Anzahl von Flüchtlingen seit dem Ende des zweiten Weltkrieges. Zehn Athleten aus Afrika und dem Nahen Osten reprӓsentieren derzeit diese 65 Millionen. Dies ist eine Geste der Solidaritӓt vonseiten der olympische Kommittees, und sie ist dazu gedacht, auf die derzeitige globale Flüchtlingskrise aufmerksam zu machen. Sechs der Athleten sind Lӓufer, zwei nehmen an Judo Wettbewerben teil, und zwei sind Schwimmer.

Was diese Athleten mit all den anderen gemein haben, ist, daβ sie in Rio ihr Bestes geben – und sie haben lange und hart dafür trainiert, auch, wenn ihre Trainingskonditionen lӓngst nicht so günstig waren wie in anderen Lӓndern. Diese Flüchtlinge haben schreckliches erlebt, Situationen, wie sie Jesus im heutigen Evangelium beschreibt: mit verzehrenden Feuern, lebensbedrohlichen Waffen und, in Bürgerkriegsgebieten, auch Trennungen und Zwietracht innerhalb von Familien und unter Nachbarn.

Doch trotz aller Widerstӓnde haben diese Athleten durchgehalten und beharrlich daran gearbeitet, besser zu werden. In einem Fall war dies sogar lebensrettend: Yusra Mardini, eine heute 18 jӓhrige Schwimmerin aus Syrien, floh 2015 aus dem kriegserschütterten Land – zusammen mit ihrer Schwester, die auch Schwimmerin ist. Wie so viele wurden die zwei über das Ägӓische Meer nach Griechenland geschleust. 20 Menschen wurden in ein kleines Boot gepfercht, das für maximal sechs zugelassen ist. Irgendwann versagte der Motor, und Wellen schwappten in das Boot. Mardini, ihre Schwester, und ein weiterer Insasse, der schwimmen konnten, sprangen daraufhin ins Wasser und schoben das Boot drei Stunden lang, bevor die Flüchtlinge dann die griechische Insel Lesbos sicher erreichten. Mardini kam dann letztlich nach Deutschland und konnte dort dann weiter mit einem deutschen Verein trainieren.

Mardini nahm am 100m Schmetterlingsschwimmen teil und gewann sogar ihre erstes Qualifikationsschwimmen. Letzlich wurde sie 41ste, zwӧlf Sekunden hinter der Goldmedaillengewinnerin. Auch im 100 m Freistil war sie im hinteren Feld, wieder etwa 12 Sekunden langsamer als die Siegerin. Doch frage ich mich, wieviele andere Athleten ihre Talente auf so selbstlose Weise eingesetzt haben wie diese junge Frau. In meinen Augen hat sie viel mehr gewonnen als nur eine Medaille.

Nun denke ich, daβ es sehr interessant ist, daβ das Beispiel eines sportlichen Wettkampfes, und zwar des Laufens, um prӓzise zu sein, mehrere Male im Neuen Testament erwӓhnt wird. Nun redet Jesus zwar nicht davon – sportliche Wettbewerbe waren einfach nicht ein Teil der traditionellen jüdischen Kultur. Aber die ersten christlichen Missionare, die dann in alle Bezirke des rӧmischen Reiches auszogen, wurden Zeugen einer ausgeprӓgten Sport- und Wettkampfkultur. Langlauf hatte schlieβlich der Legende nach im griechischen Marathon seinen Ursprung, und die ersten olympischen Spiele fanden zu Ehren des Gӧtterberges Olymp statt. Also benutzten die christlichen Missionare das Bild des Wettkampfs, um den Menschen in jener Kultur zu erklӓren, was es mit dem christlichen Glauben auf sich hat – und das christliches Leben mit einem Rennen verglichen werden kann, und nicht nur einem 100m Sprint, sondern einem Langlauf, das viel Ausdauer verlangt.

Der Apostel Paulus verwendet dieses Beispiel vom Laufen ein paar mal; und, wie wir in der heutigen Epistel hӧrten, benutzt auch der Autor des Hebrӓerbriefes dieses Bild. ‘Laβt uns laufen mit Geduld in dem Kampf – oder Wettbewerb -, der uns bestimmt ist.’

Nun wurden in der Antike Lӓufer, wie auch Athleten generell, verehrt. Denn selbst, wenn jemandem schon die kӧrperliche gӧttliche Gabe, ein Athlet zu werden, quasi in die Wiege gelegt wurde, so muβte diese Gabe dann doch entwickelt werden: durch regelmӓβiges Training, einen gesunden und hӓufig asketischen Lebensstil, und die richtige Ernӓhrung. Kurzum, ein Athlet brauchte viel Disziplin, um ein Topathlet zu werden.

Und das ist natürlich auch heute noch der Fall. Wir bewundern Topathleten, wie derzeit bei der Olympiade, weil wir wissen, das dies viel Talent, Disziplin und Opfer verlangt. Nun gibt es heutzutage natürlich auch hӓufig den Verdacht, daβ bei Topleistungen mit Doping nachgeholfen wird. Aber nur mit Doping schafft man’s auch nicht – Sie kӧnnten mich zum Beispiel soviel dopen, wie Sie wollen, und ich würde doch kein einziges Rennen gewinnen. Es gehӧrt schon viel Vorbereitung, ein starker Willen, Durchhaltevermӧgen und Disziplin dazu, um es soweit zu bringen.

Das Rennen des Glaubens zu laufen ist da schon mit einem sportlichen Langlauf zu vergleichen. Ja, uns allen wurde die gӧttliche Gabe, dieses Rennen zu laufen, quasi in die Wiege gelegt: Wir sind getauft, und wir haben Gottes Liebe, Gnade und Vergebung erfahren. Bessere Startbedingungen gibt’s gar nicht. Doch selbst Jesu Jünger waren nicht automatisch perfekte Glӓubige; das griechische Wort für ‘Jünger’ im neutestamentlichen Urtext ist ‘Mathatheis’, ganz wӧrtlich mit ‘Schüler’ zu übersetzen. Und das englische Wort für ‘Jünger’ spiegelt das auch besser wider: hier haben wir das Wort ‘disciples’, was darauf hinweist, daβ es Disziplin braucht, um das christliche Leben zu leben.

Und diese Disziplin beinhaltet Gebet, Gottesdienst, die Nӓhrung mit Brot und Wein im Abendmahl, Nӓchstenliebe, das Streben nach Gerechtigkeit, und das Lesen und das Studium der Bibel. Gleichzeitig müssen wir uns der Dinge enthalten, die uns daran hindern, besser zu werden, so, wie auch Sportler gewissen Dingen entsagen müssen. In unserem Falle sind dies Bosheit, Habsucht, Tratsch, Faulheit, Egoismus, und, und, und. Paulus hat die komplette Liste in seinen Briefen, wenn Sie da nachschauen mӧchten. Doch natürlich müssen wir all diese Disziplin nicht alleine durchstehen: Gott ist unser Coach, unser Trainer, und gibt uns alles, was wir brauchen – wenn wir nur achtgeben und Ratschlӓge zur Verbesserung zu Herzen nehmen .

Nun sind Hochleistungen für Sportler ja nicht nur eine Sache der kӧrperlichen Anstrengung; es ist irgendwann dann ein Lebensstil, der Kӧrper, Geist und Seele einnimmt – es wird zur Gewohnheit. Und so mag uns auch spirituelle Disziplin am Anfang erst anstrengend vorkommen, doch irgendwann kӧnnen wir uns unser Leben – ein Leben in Gott und mit Gott – gar nicht mehr anders vorstellen.

Unser Ziel, da wir das Glaubensrennen laufen, ist offensichtlich. Der Verfasser des Hebrӓerbriefes beschreibt es folgendermaβen: ‘Laβt uns laufen mit Geduld in dem Rennen, das uns bestimmt ist, und aufsehen zu Jesus, dem Anfӓnger und Vollender des Glaubens.’ Oder, anders gesagt, wir dürfen Christus nie aus den Augen verlieren, der uns in dieses Rennen geschickt und uns darauf vorbereitet hat, der uns wӓhrend des Rennens begeistert anfeuert, und der dann auch an der Zielgeraden steht, um unseren Glauben perfekt zu machen. Mit Christus als unserem Fokus und Gottes Reiches des Friedens und der Gerechtigkeit als unserem Ziel wissen wir, warum und wofür wir laufen.

Dabei werden wir umgeben von einer Wolke von Zeugen – von Glaubensbrüdern und –schwestern, die waren, und sind, und sein werden – die mit uns laufen und uns anspornen auf unserem Weg. Und so laufen wir, Kilometer für Kilometer, erfahren Erschӧpfung und Ekstase und alles mӧgliche dazwischen, und setzen beharrlich einen Fuβ vor den anderen, egal, was um uns herum passiert.

Wie Jesus im heutigen und recht erschreckenden Evangelium klarmacht: da gibt es Hindernisse und Erschreckendes auf diesem Kurs. Es ist kein einfaches Rennen. Auch, wenn es so leicht und elegant aussieht, wie die olympischen Lӓufer ihre Rennen absolvieren – auch, wenn Leistungsschwimmerinnen wie Yusra Mardini anscheinend mühelos durch das Wasser gleiten – auch diese Athleten müssen viele Hindernisse überwinden, und das gilt gerade für die olympischen Teilnehmenden, die derzeit als das Flüchtlingsteam antreten.

Mӧgen diese bewunderswerten Ahleten uns ein Beispiel sein: immer weiterzulaufen, weiterzuschwimmen, oder auch sonstwie das Training nicht aufzugeben, und uns nicht von Furcht oder Hindernissen von unserem Ziel abhalten zu lassen: dem Reich Gottes, wie es uns in und durch Jesus Christus versprochen ist. Mӧgen wir uns nicht von Chaos und Gefahr ablenken lassen, da wir dieses Rennen begehen, das uns bestimmt ist und welches wir das Leben nennen. Mӧgen wir stetig ein gutes Rennen laufen, beharrlich im Glauben und in der Liebe für Gott, unseren Nӓchsten und alle Kreatur. A