Die Erde, auf der wir leben, wird oft ‘der blaue Planet’ genannt. Wenn man die Erde vom Weltall aus betrachtet, dann sticht wirklich die blaue Farbe der Ozeane hervor – und man kann nur staunen, wie schön diese Welt selbst aus weiter Ferne betrachtet ist.

 

Diese Erde ist die einzige Welt, die wir kennen. Sie ist unser Lebensraum. Auf ihr leben Milliarden von Menschen verschiedener Hautfarben, Gröβen, Formen, Sprachen und Kulturen. Die Erde ist ein Lebensraum, in dem wir atemberaubende Schönheit finden, aber auch enorme zerstörerische Kräfte – die Naturgewalten, aber auch die Zerstörung, die wir als Menschheit verursachen.

 

Die Welt ist ein Lebensraum, in dem wir sowohl Wachstum als auch Zerfall erleben, sowohl Raubtiere als auch Beutetiere, Leben und auch Tod. Sie ist ein Lebensraum, wo wir überall den trotzigen Lebens- und Überlebenswillen aller Kreatur erfahren – aber auch die Macht von Gewalt und Zerstörung. Alles in allem ist die Welt ein Ort, an dem die Schlange den Eingang zum Paradies gefunden hat. Ja, wir sehen immer noch das wunderbare Werk der Hände Gottes überall, doch ist die Welt ein Ort, der verdorben ist – und als Gläubige sagen wir, daβ die Welt von den Mächten der Sünde und des Bösen verdorben ist.

 

Sie müssen nur die Zeitung aufschlagen oder ihren Fernseher oder Computer anschalten, um dies zu sehen: da gibt es Massenschiessereien, Kriege, Flüchtlingselend und Gewalt. Da gibt es politische und wirtschaftliche Spannungen auf nationaler und internationaler Ebene. Da gibt es den Klimawandel mit seinen Konsequenzen für Mensch, Tier und die Pflanzenwelt. Die Liste scheint endlos zu sein. Da gibt es soviel Leid, soviel Elend.

 

Im Johannesevangelium, aus dem auch der heutige Evangeliumstext stammt, finden wir so manche Stelle, in der Johannes ‘die Welt’ als einen verdorbenen Ort bezeichnet, einen Ort, der von Menchen bewohnt wird, die sich von Gott entfremdet haben und somit auf die falschen Wege der Zerstörung und des Todes geraten sind.  Nur als schnelle Referenz: schauen Sie nur einmal in das erste Kapitel des Johannesevangeliums, den sogenannten Johannes Prolog: das Licht, also Christus, kam in ‘die Welt’, doch ‘die Welt’ erkannte ihn nicht, darum tötete ihn ‘die Welt’.

Aber es ist dieselbe Welt die Gott verzweifelt liebt, mit all ihrem Bösen, aller Sünde, aller Verdorbenheit. Wir haben wahrscheinlich alle schon einmal die Worte aus Johannes 3,16 gehört: ‘Denn also hat Gott die Welt geliebt, daβ er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.’ Und Johannes fährt fort: ‘Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, daβ er die Welt richte, sondern daβ sie Welt durch ihn gerettet werde.’

 

Wenn Sie da mal drüber nachdenken, so ist das schon radikal und fast zu gut, um wahr zu sein: Christus ist nicht in diese verdorbene, blinde und gewalttätige Welt gekommen, um zu richten, sondern um zu erretten. Ist das nicht wahnsinnig?

 

Und dies ist das Herz des Evangeliums. Martin Luther ging sogar so weit, zu sagen, daβ Joahnnes 3,16 und 17 das Evangelium im Kleinformat ist. Jesus ist nicht gekommen, um zu richten und zu verdammen und uns mit den Qualen der Hölle zu bedrohen. Jesu ist gekommen, um zu lieben und zu heilen. Jesus ist gekommen, um zu erretten.

 

Nun ist es schon spannend, sich das griechische Wort anzuschauen, das Luther mit ‘gerettet’ oder ‘erretten’ übersetzt. Dieses Wort ist ‘sozo’, und es wird fast ausschlieβlich für ‘Heilung’ benutzt. Jesus ist also gekommen, um das gestörte Verhältnis zwischen ‘der Welt’ und Gott zu heilen. Unsere Aufgabe heute, wenn wir versuchen, Menschen zum Glauben zu bekehren, ist also nicht so sehr, sie davon zu überzeugen, daβ sie irgendwie errettet werden müssen – nein, es geht eher darum, daβ wir versuchen, die Zetrennung zwischen ihnen und Gott zu heilen. Und das mag einfach dadurch geschehen, daβ wir zeigen, daβ wir selbst Heilung nötig haben, daβ wir in einem ständigen Prozess der Heilung sind. Schlieβlich bekennen wir jeden Sonntag unsere Sünde und geben damit zu, daβ wir nicht ein für allemal von allem Bösen frei sind, solange wir noch hier auf Erden leben.

 

Und vielleicht ist es ganz gut, daβ wir daran erinnert werden, daβ es eben nicht darum geht, daβ Gott manche auserwählte Leute ein für allemal errettet und alle anderen verdammt. Ja, es ist gut und tröstlich und auch heilsam, zu wissen, daβ Gott Sie und mich so sehr liebt, daβ Gott den eingeborenen Sohn gab. Doch wenn wir nur das glaubten, daβ Gott uns irgendwie mehr liebt als andere Leute, dann wären wir überheblich, und das ist auch falsch. Gott hat die ganze schöne, verdorbene Welt also geliebt, daβ Jesus in diese Welt kam, um das zu heilen, was zerbrochen ist.

 

Und dies führt natürlich zu der Frage, wie wir evangelisieren, wie wir die frohe Botschaft der Liebe Gottes für alle weitergeben. Wenn wir jemandem lediglich sagen, daβ er oder sie errettet werden muβ, damit sie nicht in der Hölle landen, und daβ man eine persönliche Beziehung zu unsrem Herrn und Heiland braucht, ist womöglich nicht genug – ganz im Gegenteil, das wirkt auf viele abschreckend. Aber was wäre wenn wir Evangelisation so verstünden, daβ wir zu dem Heilungprozess beitragen, von dem Jesus spricht: einfach für andere dazusein, wenn sie Sorgen oder Nöte haben und es ihnen nicht so gut geht. Auf Menschen ganz ohne Vorurteil zuzugehen und sie als Kinder Gottes zu sehen, die wundervoll und wunderbar geschaffen sind; mit ihnen jene Liebe zu teilen, die wir so überreichlich und unverdient von Gott empfangen haben. Menschen auf gleicher Ebene zu begegnen – sind wir nicht alle Menschen, die Gottes Liebe und Gnade brauchen? – und nicht als solche, die irgendwie überlegen sind. Ich habe so das Gefühl, daβ diese Art und Weise, andere davon zu überzeugen, daβ es da einen liebenden Gott gibt, viel effektiver ist als nur jemanden, den wir als verloren betrachten, mit frommen Phrasen zu bombardieren.

 

Nun ist das heutige Evangelium etwas aus dem Zusammenhang gerissen. Jesu Reflektion über Gottes Liebe für alle Welt ist ein Teil einer Diskussion, die Jesus mit Nikodemus hat. Nikodemus ist ein Pharisäer, er ist hochgebildet und gehört der alten Garde an, er repräsentiert das althergbrachte System; doch ist er neugierig, was es mit Jesus und seinen Lehren auf sich hat. Und so erklärt ihm Jesus, daβ seine Lehre nur von denen wirklich verstanden werden kann, die wiedergeboren sind, aus dem Geiste neu geboren – kurzum, von denen, die eine neue Existenz von Gott empfangen haben. Also hat Gott die Welt geliebt, das stimmt schon, doch führt dies zu einem neuen Leben, einem Wandel, einer Umkehr, einem Neuanfang. Es ist wunderbar, ein neues Leben geschenkt zu bekommen, und es ist ein kostbares Geschenk; doch dann zu leben, als hätte sich aber auch gar nichts geändert, wäre so, als würden wir dieses Geschenk nicht benutzen, sondern es noch eingepackt irgendwo auf dem Speicher liegen zu haben.

 

Bei Gottes Liebe geht es um eine Liebe, die alles verändert, alles neu macht. Und es ist diese radikale und transformative Liebe, über die wir immer wieder in den Evangelien lesen. Dies ist eine Liebe, die in unsere Herzen hinein- und dann darüber hinausflieβt. Gottes wundersame Liebe – die besonders durch das Hingeben des Sohnes und seinen Tod am Kreuz ihren Ausdruck findet – wäre vergebens, wenn diese Liebe uns und die Welt nicht irgendwie verändern würde.  Schlieβlich hat Gott die Welt so geliebt, daβ er seinen eingeborenen Sohn gab, so daβ alle, die an ihn glauben, nicht verlorengehen, sondern das ewige Leben haben. Wahrlich, Gott hat den Sohn nicht in die Welt gesandt, daβ er sie richte, sondern daβ die Welt durch ihn errettet – geheilt – werde.

Jesus kam nicht in die Welt, um zu leiden und zu sterben und uns somit einen Freifahrtschein zu geben – dies habe ich für euch getan, also macht nur feste weiter so wie immer: haltet mit eurer Liebe zurück, zerstört die Welt, die ich so liebevoll erschaffen habe, nur weiter, miβbraucht die Menschen, die ich euch anvertraut habe, schert euch nicht um Unrecht und Gewalt, solange sie euch nicht direkt betrifft -, nein, Jesus spricht von der Errettung und der Heilung der Welt.

Nun wissen wir alle, daβ die Welt noch weit von einer Heilung entfernt ist. Jesus Christus hat diesen Prozess begonnen, doch wir, als der Leib Christi auf Erden heute, sind dazu berufen, diese Arbeit fortzusetzen – mit der Hilfe und durch die Gnade Gottes. Und hoffentlich leben wir so in der Liebe und aus der Liebe Gottes, daβ andere die guten Werke sehen, die wir im Namen Gottes tun, da wir ein neues Leben empfangen. Hoffentlich erhascht ‘die Welt’ dann auch einen Blick auf das, was sie sein kann und was sie am Anfang war: ein Lebensraum, in dem das Verhältnis zwischen Gott und Mensch, und Mensch und Mensch, und Mensch und Schöpfung noch ungestört war.

Hoffentlich erkennt ‘die Welt’ – und das schlieβt Sie und mich mit ein -, daβ die Liebe – Gottes Liebe – die Antwort zu den Problemen ist, mit denen wir uns auf diesem blauen Planeten herumschlagen.

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