Predigt zu Johannes 6, 51-58 und Sprüche 9, 1-6; 13. Sonntag nach Trinitatis – 16. August 2015

wisdom bread

Wer hier möchte ein langes und gutes Leben haben? Oder, um Worte des Psalmes zu benutzen, den wir vor wenigen Minuten gebetet haben: “Wer möchte gern gut leben, und schöne Tage sehen?”

Ich würde gerne ein langes und gutes Leben haben, und ich nehme an, Sie auch, oder? Der ganze amerikanische Traum, der ‘American Dream’, ist doch darauf basiert. Und dieser Traum lockt noch immer viele Menschen aus aller Welt in dieses Land, so wie er auch uns – oder unsere Vorfahren – in die USA gelockt hat.

Wer möchte ein langes uns gutes Leben haben?  Das ist fast eine rhetorische Frage, und, ja, es war wohl auch als eine rhetorische Frage gedacht, selbst ca. 3000 Jahren, als Psalm 34 niedergeschrieben wurde.  Mit uns stimmt etwas nicht, wenn wir uns ein kurzes und miserables Leben wünschen.

Nun denke ich einmal, daß wir alle doch wissen, was wir tun sollten, um ein langes und gutes Leben zu haben. (Was sagen Sie?)  Man muß sich von gefährlichen Situationen fernhalten, wenn es denn möglich ist; wir treffen besser keine dummen Entscheidungen, die unser Leben und unsere Gesundheit gefährden. Wir brauchen ausreichenden Schlaf und regelmäßige körperliche Aktivität, um ein langes und gutes Leben zu haben. Drogen und Rauchen sollten tabu sein, und Alkohol genießen wir besser in Maßen.

Und dann sollten wir natürlich auf unsere Ernährung achten. ‘Du bist, was du ißt’ ist ein zutreffendes Sprichwort.  Wir wissen alle, daß wir nicht zuviel Zucker, nicht zuviel Salz, nicht zuviel Junk Food und im allgemeinen nicht zuviel Essen zu uns nehmen sollten. Und wir sollten uns gesund ernähren: wenn überhaupt, dann mageres Fleisch, Vollkorn, viel Obst und Gemüse. Das wissen wir ja alle, das brauche ich Ihnen nicht zu sagen.

Natürlich ist uns ein langes und gutes Leben durch eine gesunde Lebensweise nicht unbedingt garantiert. Unfälle und Katastrophen geschehen nun einmal aus heiterem Himmel; und Menschen bekommen immer noch schlimme und manchmal unheilbare Krankheiten, egal, wie gut sie auf sich aufpassen. Doch verbessern wir unsere Chancen gewaltig, ein langes und gutes Leben zu haben, wenn wir uns gewissenhaft um uns selbst kümmern.

Nun passen nicht alle menschlichen Lebewesen immer gut auf sich auf.  Kleinkinder, z.B., und dann viele Teenager geben gar nicht gut auf sich und ihre Gesundheit acht.  Nun wissen Kleinkinder noch nicht, wie man das macht – sie bringen sich in gefährliche Situationen, weil sie einfach noch nicht gelernt haben, Gefahr zu erkennen. Deshalb müssen andere immer gut auf sie aufpassen. Kleinkinder verweigern auch häufig gesundes Essen, wie Gemüse, egal, wie sehr man ihnen erklärt, wie vernünftig das ist – ein Zweijähriger weiß eben noch nichts von Vernunft.

Mit Teenagern ist das etwas anders.  Teenager sollten eigentlich wissen, was gut und was gefährlich für sie ist. Doch manchmal scheint es mir so, als ob manche Teenagers denken, daß sie unverwundbar und unsterblich sind. Und so treffen sie fragwürdige oder auf einfach dumme Entscheidungen, wie z.B. die Nacht durchzumachen, sich sinnlos zu betrinken, einen zu heißen Reifen zu fahren, mit Drogen zu experimentieren, und gefährliche Mutproben mitzumachen.  Und ich denke, viele hier kennen auch so manche Erwachsenen, die nie aus diesem Lebensstadium herausgewachsen sind und auch weiterhin gefährlich leben.

Und die Essgewohnheiten vieler Teenager in den USA?  Zuviel Junk Food und Junk Drink.

Es scheint, als sei eine gewisse Reife notwendig, um gesunde – oder zumindest gesündere – Entscheidungen für’s Leben zu treffen. Oder vielleicht könnte man Weisheit sagen. Wenn wir lang und gut leben wollen, müssen wir weise sein.

Nun ist Weisheit etwas, das wir mit Erfahrung bekommen. Weisheit hat nichts mit unserem Intelligezquotienten zu tun, sondern könnte wohl am besten als gesunder Menschenverstand beschrieben werden – und gesunder Menschenverstand schließt auch eine gewisse emotionale Reife mit ein. Z.B. könnte uns Weisheit dazu veranlassen, in einer gewissen Situation lieber den Mund zu halten und zurückzustecken, obwohl wir genau wissen, das wir recht haben, stimmt’s? Wir brauchen diese Art von Weisheit, um ein langes und gutes Leben zu führen. Und dann natürlich auch eine gute Portion Glück.  Aber zurück zur Weisheit.

Weisheit hat eine wichtige Stellung in der Bibel. Die heutige Lesung aus Sprüche 9 spricht von der Weisheit, die, in personifizierter Form, die Menschen zu einer großen Feier einlädt. Übrigens finde ich es interessant, daß die Weisheit eindeutig weiblich ist – auch schon im originalen Hebräisch, und dann im griechischen kennen wir sie als ‘Sofia’ – aber davon vielleicht ein andernmal mehr. In Sprüche, Kapitel 8, wird beschrieben, wie die Weisheit zuallererst von Gott geschaffen wird – noch vor der Welt. Weisheit hilft Gott sogar dabei mit, die Welt zu erschaffen, und hat große Freude daran. Weisheit ist also Gott sehr wichtig. Gott ist nun einmal der Gott des Lebens, und Gott schenkt uns Weisheit, welche das Leben fördert und auch dafür sorgt, daß wir ein langes und gutes Leben haben. Und so kann die Weisheit gar am Ende von Sprüche, Kapitel 8, sagen: “Wer mich findet, der findet das Leben und erlangt Wohlgefallen vom Herrn.”

Weisheit ist das Geschenk Gottes an uns, das uns hilft, gute Entscheidungen für unser Leben zu treffen. Wir haben schon über die rein körperlichen Aspekte gesprochen; doch wissen wir auch alle, daß unser Wohlbefinden über das des Körpers hinausgeht. Wir haben auch eine Seele, und die braucht auch Pflege. “Wer möchte gern gut leben, und schöne Tage sehen?” fragt der Psalm, und er gibt uns auch gleich eine Antwort, die das seelische Wohlbefinden betrifft. “Behüte deine Zunge vor Bösem und deine Lippen, daß sie nicht Trug reden. Laß ab vom Bösen und tu Gutes; suche Frieden und jage ihm nach.” Und, ja, wir brauchen viel Weisheit, um all dies zu tun. Und: wenn wir ein langes und gutes Leben haben wollen, dürfen wir nicht egoistisch sein. Ein gutes und langes Leben ist nur mit anderen möglich.

Der Apostel Paulus nimmt diesen Faden auf. Wie oft in seinen Briefen ermahnt er die Gläubigen in all den verschiedenen Gemeinden, sich um ihre seelischen Belange zu kümmern – und das heißt, ihr Leben ganz Gott zu widmen und im Frieden mit dem Nächsten zu leben? Ein gesundes Verhältnis zu Gott und zu anderen Menschen ist ebenso wichtig für ein gutes, langes, und vor allem erfülltes Leben, wie gesunde Verhaltensweisen in Bezug auf unseren Körper – und sogar noch wichtiger. In der heutigen Epistel an die Epheser kann Paulus dann auch all seine Ermahnungen folgendermaßen so zusammenfassen: “So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise.”

Mit diesem Hintergedanken lassen Sie uns zum Buch der Sprüche zurückkehren. Weisheit, diese Macht, die Gott dabei half, Himmel und Erde zu schaffen, lädt alle zu einem Festmahl ein. “Kommt, esset von meinem Brot und trinkt von dem Wein, den ich gemischt habe! Verlasset die Torheit, so werdet ihr leben, und geht auf dem Wege der Klugheit.”

Weisheit  nährt und ernährt uns. Und das Brot der Weisheit ist das Brot des Lebens.  Das Brot des Lebens – wo haben wir das schon einmal gehört? Hier haben wir eine spannende Verbindung zu Jesus Christus, dem Brot des Lebens, von dem wir schon seit 4 Wochen jeden Sonntag gehört haben.

Du bist, was du ißt. Wenn wir die Einladung annehmen, die uns die Weisheit ausspricht – wenn wir auf all die guten Ratschläge und Ermahnungen hören, welche uns weise Menschen durch die Jahrtausende hindurch gegeben haben – so werden wir weise, so wird unser Leben verwandelt, und unsere Chancen, ein langes und gutes Leben zu führen – und zwar in Gemeinschaft mit Gott und in Gemeinschaft mir anderen – sind gut. Also wird nicht nur unser Leben verwandelt, sondern auch das Leben anderer, und das Leben der Gemeinschaft. Unser Wohlergehen hӓngt von dem Wohlergehen anderer ab.  Wir sind alle miteinander verbunden, und wir alle brauchen einander. Wenn nur einige lang und gut leben, doch andere eben nicht, spüren wir alle es irgendwann einmal.  Denken Sie nur einmal daran, wieviele Revolutionen dadurch entstanden sind, daβ es ein unheimliches Ungleichgewicht zwischen arm und reich gab. Die Rassenunruhen in diesem Lande kommen meist zustande, weil Menschen das Unrecht spüren. Und selbst viele Extremisten auf dieser Welt lassen sich von Ideologien verführen, da sie selbst arm sind, keinen Job haben  und keine andere Zukunftschance sehen.

Du bist, was du iβt. Jesus Christus hat sich uns selbst als das Brot des Lebens gegeben, so daβ die ganze Welt versӧhnt werde: die Menschheit mit Gott, aber dann auch die Menschen untereinander, so daβ wir die Dinge überwinden, die uns trennen. Wenn wir den Leib Christi essen, so tun wir dies nicht nur um unseretwillen und um unsere Seelen zu heilen.  Gleichwie das Brot der Weisheit uns und die Welt um uns herum verwandelt, so verwandelt uns Christus, das Brot des Lebens, in einen Leib. Immer dann, wenn wir gemeinsam Christi Leib essen, werden wir gemeinsam zum Leib Christi. Und sobald wir in den Leib Christi verwandelt worden sind, dann geht es bei unserer Existenz nicht nur darum, ein langes und gutes Leben hier auf Erden zu haben –  das war Christus selbst ja nun auch nicht vergӧnnt – sondern geht es dann darum, uns selbst mit einer hungrigen Welt zu teilen, gerade wie Christus sich mit-teilte. Und so helfen wir auch anderen, ein langes und gutes Leben zu führen.

Das Brot des Lebens, welches die Weisheit anbietet, hilft uns mit dem Leben hier auf Erden. Das Brot, das Christus uns anbietet, gibt uns ewiges Leben – ein Leben, welches über unsere begrenzten Lebenserfahrungen hier auf Erden hinausgeht. Ewiges Leben ist ein Leben mit Gott und in Gott, ein Leben, in dem wir von Gottes absoluter Gnade, Liebe, und Fürsorge umfangen sind. Sowohl das Lebensbrot, das uns die Weisheit anbietet, als auch das Lebensbrot, das Christus uns gibt, sind Gottes Gnadengaben. Beide sind für das Wohl und Heil unseres Leibes und unserer Seele wichtig. Und wir sind dazu berufen, beide mit einer hungrigen Welt zu teilen.