Predigt zu Markus 9, 38-49; Jakobus 5,13-20; 19. Sonntag nach Trinitatis – 27. September 2015

vigil

 

Manchmal kommt es mir so vor, als hӓtten wir idealisierte Vorstellungen von den guten alten Zeiten der urchristlichen Gemeinde. In der Apostelgeschichte im vierten Kapitel, z.B., lesen wir, daβ die ersten Nachfolger des auferstandenen Christus alles miteinander teilten; daβ sie nicht müde wurde, Gott im Tempel anzubeten; daβ sie ihre Brot miteinander brachen; und daβ sie sich um die Witwen und Waisen unter ihnen und in der Gesellschaft kümmerten.

Und wir stellen uns die urchristliche Gemeinde als einen friedlichen Ort vor, an dem die Glӓubigen liebevoll und respektvoll miteinander umgehen und sich umeinander kümmern; als eine perfekte Gemeinschaft in perfekter Harmonie – das Himmelreich hier auf Erden widergespiegelt.

Und wir mӧgen uns zu jenen guten alten Zeiten zurücksehnen, als christliches Leben scheinbar noch so einfach war. Als Gemeindemitglieder in allem übereinstimmten, als sie sich noch nicht mit Haushaltsplӓnen herumschlagen muβten, als sie sich noch auf den wahren Dienst an Gott und am Nӓchsten konzentrierten konnten. Als Kirche noch ein Ort war, and dem man wahren Frieden finden konnte.

Unsere Erfahrungen als Glaubensgemeinschaft in der heutigen Zeit sind so anders als zu Zeiten der Apostelgeschichte.  Wir müssen uns um die Erstandhaltung unseres Kirchengebӓudes sorgen, um Gehӓlter und Rechnungen, um die Zukunft dieser Gemeinde. We sorgen uns ums Geld. Als Kirchenmitglieder leben wir über die ganze Bay Area verstreut, und wir kümmern uns nicht so um einander, wie wir es vielleicht sollten – und wir sind weit davon entfernt, alles, was wir haben, miteinander und mit den Bedürftigen in der Gesellschaft zu teilen.

Darüber hinaus betrifft uns als Kirche heutzutage und vor allem in diesem Teil der Welt, daβ wir eben nicht mehr so relevant sind, wie wir es einmal waren. Die Institution und ihre Lehren werden heute oft mit Miβtrauen betrachtet, manchmal wird sich über sie lӓcherlich gemacht, manchmal wird sie gar miβachtet. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, daβ Leute miβverstӓndliche Vorstellungen von der Kirche haben: daβ Leute, die der Kirche angehӧren, irgendwie besser oder heiliger als andere sind, und daβ unser Leben irgendwie perfekt ist, denn geht es nicht darum beim Christsein – darum, daβ wir gute Menschen sind? Und so mӧgen manche, die der Kirche nicht so nahe stehen, denken, daβ wir scheinheilig sind – denn wir sind eben nicht notwendigerweise gute Menschen und perfekt in der christlichen Liebe. Denn wir alle verfehlen hӓufig das Ziel, ein heiliges Leben zu führen, was immer das auch bedeutet. Wir sind eben nicht wie die ersten perfekten Nachfolger Christi, wie sie in der Apostelgeschichte dargestellt werden.

Aber manchmal denke ich mir, daβ der Verfasser der Apostelgeschichte es mit der Wahrheit vielleicht nicht ganz so genau genommen hat, als er die urschristliche Gemeinde so beschrieb. Wir müsen uns nur einmal die Briefe des Apostels Paulus ansehen, um zu vermuten, daβ eben nicht alles so wunderbar in den urschristlichen Gemeinden gewesen ist. Da gab es Konflikte über Hierarchie in der Gemeinde, wer ein Christ werden konnte, was man glauben sollte und was bekennen, was man essen soll oder auch nicht, wie man sich zu verhalten hat – Paulus nimmt da kein Blatt vor den Mund und setzt sich mit allem auseinander. Eine harmonische Gemeinde mit perfekten Christen?  Wohl kaum.

Und wir sehen dies auch im Jakobusbrief, aus dem wir an den vergangegen Sonntagen gelesen haben. Die Gemeinde, die hier angeschrieben wird, hatte so ihre Probleme: da gab es Wohlstand, der nicht geteilt wurde, Habsucht, verletzende Worte gegenüber Brüdern und Schwestern in der Gemeinde, unangemessenes Predigen und Lehren, das Verlangen nach weltlichen Dingen, die Bevorzugung von Reichen, Ungeduld; Gemeindemitglieder hatten Vorurteile einander gegenüber, sie hӧrten dem Wort Gottes zu, aber folgten ihm nicht, und sie stritten sich stӓndig. Und dies sind nur einige der Dinge, die hervorstachen, als ich mir den Jakobusbrief noch einmal durchlas. Das klingt nicht sonderlich perfekt, oder?

Also scheint es, daβ auch die urschristliche Gemeinde so ihre Probleme hatte. Und warum auch nicht?  Schlieβlich sind auch die, die Christus nachfolgen, letztendlich nur Menschen, mit all ihren Fehlern und Macken. Warum wӓre Gott in Jesus Christus in diese Welt hinabgekommen, wenn wir uns irgendwie selbst erlӧsen kӧnnten?

Aber zurück zu Jakobus. Er ist eindeutig frustriert – er schimpft, er beschwӧrt, er streitet – und doch klingt er am Ende seines Briefes hoffnungsvoll und versӧhnlich. Wir hӧrten diese Worte in der heutigen Epistellesung. Jakobus erinnert die Glieder dieser problemgeplagten Gemeinde daran, daβ sie nicht alleine sind. Er erkennt es an, daβ Menschen schemrzen werden, daβ sie straucheln werden, daβ sie schwach sein werden – aber dann gibt es all die Schwestern und Brüder, die dabei helfen, diese Lasten zu tragen.  Bekennt voreinander eure Sünde, empfiehlt Jakobus, und betet füreinander, so daβ ihr geheilt werdet. Liebe Brüder und Schwestern, wenn jemand unter euch abirren würde von der Wahrheit und bekehrte ihn, der soll wissen: wer den Sünder bekehrt hat von seinem Irrweg, der wird seine Seele von Tode erretten und wird bedecken die Mende der Sünden. Leben in der Gemeinschaft Christi ist also der Schlüssel zur Erlӧsung, auch wenn diese Gemeinschaft nicht perfekt ist und so ihre Probleme hat.

Jakobus geht es darum, daβ wir, wenn wir alleine stehen, schnell unsere Richtung und unseren Hinblick auf die wichtigen Dinge im Leben verlieren und straucheln. Doch die Glaubengemeinschaft, die uns umfӓngt, hat die Macht zu erretten – durch Gebet, Ihre Sorge, ihre Akzeptanz, Worte der Vergebung, und das Hӓndeauflegen. Und übrigens kann das altgriechische Wort, daβ hier für Errettung benutzt wird, als Heilung Und Wiederherstellung übersetzt werden. Inmitten einer liebevollen Gemeinschaft erfahren wir Heilung, wenn wir gebrochen sind.

Nun wollen wir alle stark und unabhӓngig sein.  Wir sind meist auch so erzogen worden, daβ wir uns besser zusammenreiβen und das Leben eben weitergeht, als ob nichts schlimnmes geschehen wӓre. Und doch hat wohl jeder unter uns schon erfahren, daβ es eben nicht immer so einfach ist, uns zusammenzureiβen und durchzuhalten. Denn das Leben ist nicht fair. Das Leben kann ganz schӧn hart sein. Und dann passieren da Dinge in unserem Leben, die einfach schrecklich sind und uns überwӓltigen. Wir werden alle mal vom Leben geschlagen und sind verletzt.  Wir alle brauchen Heilung. Wir alle brauchen Errettung. Und die Kirche ist ein sicherer Platz, wo wir unseren Schmerz hinbringen kӧnnen. Kirche ist ein sicherer Ort, wo wir unsere gebrochenen Seelen hinbringen kӧnnen. Denn Gott ist hier, um zu heilen, zu trӧsten, und wiederherzustellen.  Und dann sind da ja auch noch jene, die Gott uns zur Seite gestellt hat: Schwestern und Brüder, die uns als Leib Chrsti die Gegenwart Gottes sind.

Die Kehrseite ist, daβ wir nicht nur diejenigen sind, die Errettung und Heilung brauchen; gleichzeitig zind wir auch die, die Gott dazu ermӓchtigt hat, zu erretten und zu heilen. Wir kӧnnen für andere beten, Bekenntnissen geduldig zuhӧren, und jene heilen, die ihre Richtung verloren haben. Wir sind auch für die verantwortlich, die neben uns in der Kirchenbank sitzen, sogar die, die wir nicht so gut kennen – so wie auch jene für uns verantwortlich sind. Christus hat uns in die Gemeinschaft berufen, so daβ wir die Sorgen und Nӧte des Lebens nicht alleine tragen müssen, und eben auch anderen dabei helfen, ihre Lasten zu tragen.

Wenn wir heute NN hier taufen, dann verwandelt er sich nicht wie durch Zauberei in einen perfekten kleinen Christen, der von Gott vor allem Leid und allem Übel bewahrt wird.  Was hier durch die Taufe geschieht, ist, daβ NN von Gott umfangen wird.  Ihm wird heute zugesagt, daβ er nie alleine sein wird, und daβ er von Gott akzetiert ist, egal, was kommen mag. NN wird heute ein Mitglied der weltweiten Gemeinschaft Gottes – eine Gemeinschaft, die ihm und seiner Familie hilft, die Lasten des Lebens zu tragen, und einen Ort der Erquickung zu bieten. NN ist ein geliebtes Kind Gottes, und diese Liebe wird er auch unter uns erfahren. Und hoffentlich wӓchst auch er dann, mit Hilfe seiner Familie, seiner Paten, und der Gemeinschaft Christi, zu einem liebevollen Menschen heran, der Gottes frohe Botschaft auf seine Art und Weise verkündet. Dies ist die Macht der Gemeinschaft.

Die Kirche ist kein Vereinshaus für die, die perfekt sind – noch nicht einmal für gute Menschen. Die Kirche ist ein eher unordentlicher Ort, wo wir mit all dem hinkommen, was wir so mit uns herumschleppen, den guten und den nicht so guten Dingen. Schlieβlich existiert die Kirche nicht getrennt von der Welt, auf einem heiligen Berg, sondern mitten in der Welt – einer Welt, die nun einmal kompliziert und unordentlich ist. Und solange wir in dieser unordentlichen Welt leben, müssen wir uns wohl oder übel mit der Unordnung beschӓftigen – und die Ärmel hochkrempeln und was tun, innerhalb und ausserhalb der Kirchenmauern. Die frohe Botschaft ist: Gott erwartet nicht, daβ wir perfekt sind. Gott erwartet, daβ wir wie Kinder sind – manchmal etwas hilflos, manchmal verloren, und auf die Hilfe anderer angewiesen. Als eine Gemeinschaft der Glӓubigen sind wir stӓrker als alleine. Zusammen kӧnnen wir Dinge angehen, die schwer alleine zu bewӓltigen sind.

In alledem werden wir von Gottes Liebe, Sorge und Gnade umfangen. Wir sind nicht alleine. Dafür sei Gott Preis und Dank.