Die Israeliten brachen aus der Wüste Sin auf und zogen von einem Lagerplatz zum nächsten, wie der HERR es ihnen befahl. Als sie in Refidim ihr Lager aufschlugen, fanden sie kein Trinkwasser. Da machten sie Mose bittere Vorwürfe und verlangten: »Gib uns Wasser zum Trinken!« Mose erwiderte: »Warum beschwert ihr euch bei mir? Warum stellt ihr den HERRN auf die Probe?« Aber die Israeliten quälte der Durst, und sie klagten Mose an: »Warum hast du uns nur aus Ägypten herausgeholt? Willst du uns mit unseren Kindern und all unseren Herden hier verdursten lassen?« Da rief Mose zum HERRN: »Was soll ich jetzt mit diesem Volk tun? Es fehlt nicht viel, und sie steinigen mich!« Der HERR antwortete: »Ruf einige von den Sippenoberhäuptern Israels und geh mit ihnen dem Volk voran! Nimm dabei den Stab in die Hand, mit dem du in den Nil geschlagen hast! Du wirst sehen, dass ich dich am Berg Horeb erwarte und dort vor dir auf einem Felsen stehe. Schlag mit dem Stab an diesen Felsen! Dann wird Wasser aus dem Stein herausströmen, und das Volk kann trinken.« 2. Mose 17, 1-6
 
Der Herbst des Jahres 1997 war die stressigste Zeit meines Lebens. Ich kroch auf dem Zahnfleisch, wie man so schön auf Deutsch sagt. Warum? Mein zweites Kind war gerade geboren worden. Mein älteres Kind war noch in Windeln. Unsere Familie war kurz davor, von Deutschland nach Kalifornien umzuziehen. Mein damaliger Ehemann war schon in die USA vorausgereist, um sich um eine Arbeitsstelle und eine Wohnung zu kümmern. Ich blieb zurück – und hatte mich nicht nur um zwei kleine Kinder zu kümmern, sondern um alles Mögliche: Auto verkaufen, die Wohnung streichen, packen, all die Sachen verkaufen oder weggeben, die wir nicht mitnehmen konnten oder wollten, und, und, und…
Zudem war ich zu jenem Zeitpunkt auch noch im Vikariat; meine Predigtprüfung stand an, und ich muβte mich darauf sehr genau vorbereiten. Damals wohnten wir im Ländlichen, und meine Familie und Freunde lebten ein gutes Stück entfernt von uns. Kurzum: ich fühlte mich einsam und verlassen und recht überwältigt. Ich dachte, ich müβte alles allein auf meinen Schultern tragen. In jenen Wochen fühlte ich mich, als befände ich mich in der Wüste, und ich lechzte nach einer Quelle, die mich erquicken würde.
Und siehe, da gab es Erleichterung: ein Ehepaar, mit dem ich befreundet war (und immer noch bin) und das noch keine eigenen Kinder hatte, lud mich ein, ein paar Tage bei ihnen zu verbringen. Während meine Freunde auf die Kinder aufpaβten, konnte ich mich in ein stilles Kämmerlein zurückziehen, um mich auf die Predigtprüfung vorzubereiten. Andere Freunde organisierten eine Malkolonne und wechselten sich dabei ab, unsere Wohnung auf Vordermann zu bringen. Mein Schwager half dabei, das Auto zu verkaufen. Nachbarn luden mich zum Essen ein und paβten ab und zu mal auf die Kinder auf. Hilfe kam – ungefragt – von allen Seiten. Ich hatte gedacht, daβ ich ganz alleine sei – und fand mich von Liebe und Sorge umgeben. Eine Quelle der Unterstützung sprudelte nur so aus der Wüste hervor und gab mir die Kraft, diese schwierige Zeit irgendwie zu überstehen. Ich bin all jenen, die mir damals beistanden, immer noch undendlich dankbar. Ich weiβ nicht, ob ich es ohne sie geschafft hätte.
Das Volk Israel fühlte sich in der Wüste einsam und verlassen. In Ägypten waren die Israeliten zwar unterdrückt worden, doch zumindest muβten sie sich nicht Gedanken um das Lebensnotwendigste machen – sie waren gut versorgt. In der Wüste muβten sie neue Wege finden – und sich irgendwie selbst versorgen. Da gab es Ungewiβheit und auch Angst – wie können wir unter diesen Umständen überleben, so ganz auf uns gestellt? Sie verloren den Mut und beschuldigten gar Gott, daβ er sich nicht um sein Volk schere. Doch Gott stellte sicher, daβ das auserwählte Volk überlebte – in der Wüste läβt Gott eine Quelle sprudeln. Leben findet sich an ganz unerwarteten Orten. Mögen wir die (manchmal recht unerwarteten) Quellen lebendigen Wassers in allen Trockenstrecken unseres Lebens finden – und darauf vertrauen, daβ Gott uns nicht verläβt.
 
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