‘Frieden, wenn er als die Abwesenheit von Krieg verstanden wird, hat wenig Wert für die, die an Hunger oder aufgrund von Kälte sterben. Solch ein Friede wird das Leiden eines Menschen, der aufgrund seines Gewissens ein Gefangener ist und gefoltert wird, nicht hinwegnehmen. Solch ein Friede tröstet jene nicht, die geliebte Menschen in einer Flut verlieren, die von sinnloser Entwaldung im Nachbarland verursacht wurde. Frieden kann nur da andauern, wo Menschenrechte respektiert werden, wo Menschen gesättigt werden, und wo Individuen und Nationen frei sind.’

Der XIV. Dalai Lama

Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.

Micha 6,8, Lutherbibel

Das hebräische Wort für Frieden ist ‘Schalom’. Doch ist dieses Wort vielschichtig. ‘Schalom’ ist soviel mehr als nur die Abwesenheit von Krieg oder Konflikt – Schalom betrifft unsere gesamte Existenz. Bei Schalom geht es um Beziehungen: die Beziehungen zwischen Menschen, die Beziehung zwischen Mensch und Natur, die Beziehung zwischen Mensch und Gott. Wenn auch nur eine dieser Beziehungen gestört ist, ist Schalom, Frieden, unmöglich.

Wenn wir die prophetischen Bücher des Alten Testamentes lesen, so stellen wir fest, daβ dem Volk Israel ‘Schalom’ häufig fehlte. Das lag hauptsächlich daran, daβ die Beziehungen der Menschen untereinander gestört waren. Da gab es immer diejenigen, die nur nach ihrem eigenen Vorteil strebten und die Würde und Bedürfnisse anderer mit Füβen traten – und gerade die Armen und Schwachen, wie Witwen und Waisen, ausnutzten. Dies war zu Zeiten des Propheten Micha nicht anders, und so ist seine dringende Botschaft die, daβ Menschen nur Frieden haben können, wenn sie ‘Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig’ vor ihrem Gott sind.

Nun haben sich die Menschen seit Michas Zeiten nicht besonders verändert. Ja, wir mögen sagen, daβ wir in diesem Land in friedlichen Zeiten leben – obwohl jene, die Verwandte und Freunde im Militärdienst haben, oder die von Waffengewalt betroffen worden sind – da wohl anderer Meinung sind. Die Welt, und das schlieβt unser Land mit ein, ist von ‘Schalom’, in welchem alle Menschen in einer heilen und gesunden Beziehung zu ihrem Nächsten, der Natur und Gott leben, weit entfernt; viele Menschen haben noch nicht einmal Frieden mit und in sich selbst. Überall begegnen uns politische, ökologische und wirtschaftliche Ungerechtigkeit. Die überwältigende Mehrheit der Weltbevölkerung wird von jenen mit politischer, ideologischer und wirtschaftlicher Macht übervorteilt.

Der derzeitige Dalai Lama macht deutlich: Frieden, andauernder Frieden – ein Frieden, der unsere gesamte Existenz einschlieβt – ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Beziehungen müssen geheilt und gepflegt werden: die Hungrigen müssen genährt werden. Obdachlose brauchen ein Dach über dem Kopf. Die Würde eines jeden Menschen und einer jeglichen Kreatur, die Gott so liebevoll erschaffen hat, muβ geschützt werden. Die Gewissensfreiheit ist unabdingbar.

 

Es ist eine Sache, auf die Wiederkehr Christi und das Kommen des Friedensreiches Gottes – eines Reiches, in dem ewiger ‘Schalom’ herrschen wird und in dem alle Beziehungen geheilt sind – zu hoffen. Es ist eine andere, daran zu wirken, daβ wir diesen Frieden bereits hier und heute leben. Denn was sonst verlangt Gott von uns, als daβ wir Gottes Wort halten, Liebe und Gerechtigkeit üben, und demütig sind vor unserem Gott?

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