Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei.

Dies ist ein Rhythmus, der musiktechnisch Dreivierteltakt genannt wird, aber der breiten Bevölkerung eher als Walzer bekannt ist. Wir verbinden heute den Walzer gerne mit Wien und Johann Strauss, mit bauschigen Ballkleidern und höfischem Zermoniell. Aber zunächst war der Walzer ein weitverbreiteter und beliebter Volkstanz und in den oberen Schichten verpönt. Männer und Frauen müssen sich beim Walzer ja in den Arm nehmen, welch ein Skandal!

Einer der Gründe, warum der Walzer ein so populärer Tanz ist, ist, dass der Rhythmus recht einfach nachzuvollziehen ist. Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei. Darüber hinaus ist der Walzerschritt womöglich der einfachste aller Tanzschritte. Das ist der Kastenschritt: man setzt entweder den Fuss vor oder zurück, je nachdem, ob man führt oder geführt wird, dann wird der andere Fuss gut 30 Zentimeter parallell danebengesetzt, dann führt man die Füsse zusammen, und macht man dasselbe in die andere Richtung. Und dann geht’s wieder von vorne los. Das kapier sogar ich, und ich bin keine begabte Standardtänzerin. Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei. Und wenn man sich dann mit dieser Schrittfolge sicher fühlt, dann kann man auch anfangen, sich im Kreis zu drehen.

Wenn man genauer darüber nachdenkt, dann ist der Walzer auch der stabilste aller Tänze – eben wegen des Kastenschritts. Auch bei einem lebhaften Walzer fühlt man sich sicher – da geht’s nicht so kompliziert oder wild zu wie bei einem Tango oder einer Samba. Der Walzer ist Bodenständigkeit in Bewegung.

Nun ein leichter Themenwechsel: welche Art von Stuhl oder Schemel ist am stabilsten? Denken sie an eins, zwei, drei: es ist ein dreibeiniger Schemel. Das mag vielleicht überraschen, aber es gibt es mathematische Erklärung dafür: man braucht nur drei Punkte, um eine Fläche oder Ebene zu definieren. Und je mehr Punkte hinzugefügt werden, desto instabiler wird die Fläche. Das Dreieck ist also die stabilste Form überhaupt. Eins, zwei, drei. Es hat schon seinen Grund, warum die Zahl 3 in judeo-christlicher Kultur heilig ist.

Und das bringt uns zur Heiligen Dreifaltigkeit, derer wir am heutigen Tag, Trinitatis, gedenken. Im Laufer der Zeit hat es viele Versuche gegeben, die Heilige Dreifaltigkeit, Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist zu beschreiben oder zu erklären. Und meiner Meinung nach muss jeder dieser Versuche scheitern, da es bei der Heiligen Dreifaltigkeit letzlich um ein göttliches Geheimnis geht.  Doch gibt mir der Gedanke an die Dreifaltigkeit ein Gefühl der Sicherheit – denn wie in einem Dreieck gibt es hier äuβerste Stabilität und Geleichgewicht.

Die erste Person, die die Heilige Dreifaltigkeit mit einem dreibeinigen Schemel verglich, war eine deutsche Nonne aus dem 12. Jahrhundert: Hildegard von Bingen.

Hildegard war ihrer Zeit weit voraus. Sie war eine erfolgriche und einflussreiche Äbtissin, die mit Kaisern und Päpsten kommunizierte. Sie komponierte Musik, die für das späte Mittelalter revolutionär war, und war als Heilkundlerin bekannt. Darüber hinaus hatte sie aber auch göttliche Visionen, die sie ihrem Sekretär diktierte; der schrieb dann alles auf Latein auf, und so sind diese Visionen der Hildegard auch der Nachwelt erhalten geblieben.

Nun sind diese Visionen zumeist doch etwas exzentrisch – ähnlich der Vision, von der wir heute in der ersten Lesung aus dem Propheten Jesaja hörten. Da gibt es dann fantastische himmlische Kreaturen, Räder, Feuer, Rauch, Naturgewalten usw. Aber dann befaβt sich Hildegard auch ganz nüchtern mit bestimmten Themen. Z.B. mit der heiligen Dreifaltigkeit.

Für Hildegard ist die Dreifaltigkeit eben wie ein dreibeiniger Schemel. Solide, ausbalanciert, heil. Doch ist diese göttliche Dreifaltigkeit auch in unserer menschlichen Lebenswelt reflektiert. Und so beschreibt Hildegard die heilige Dreifaltigkeit von Gott, Natur und Mensch. Und selbst in uns Menschen gibt es eine heilige Dreifaltigkeit: Körper, Psyche und Seele. In diesem Dreiklang findet sich göttliche Stabilität.

Doch dann warnt uns Hildegard auch davor, diese Balance zu stören. Wenn eines der Beine der Schemel oder auch zwei heftig angeschlagen sind, dann kommt das ganze aus dem Gleichgewicht. Und wie recht sie hat, sehen wir das doch derzeit recht deutlich im menschlichen Umgang mit der Natur und der Miβachtung des Schöpfers, der Himmel und Erde gemacht hat. Wer weiss, ob unsere Ausbeutung des Planeten noch heilbar ist.

Und wir erleben es ja auch, dass, wenn wir körperlich, psychisch oder auch seelisch angeschlagen sind, dass wir uns insgesamt nicht wohlfühlen und nicht heil sind. Es sind also weise Worte der Hildegard, wenn sie uns daran erinnert, dass der göttliche Dreiklang in unserm Leben und unserer Lebenswelt immens wichtig ist.

Eins, zwei, drei – für Hildegard geht es bei der Dreifaltigkeit um heilige Ordnung. Aber dann geht es auch um Beziehung. Da gibt es Kommunion und Kommunikation zwischen dem, was sie nicht ‘Vater’ nennt, sondern ‘Gotthaupt’, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Da gibt es Interaktion, da gibt es Bewegung. Da gibt es diesen Tanz der Heiligen Dreifaltigkeit, stabil und doch bewegt. Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei. Und wir werden von diesem sich immer gleitenden und doch verläβlichen Tanz Gottes eingeschlossen. Wir werden von allen Seiten liebevoll umfangen und geschützt, auch, wenn sich die Richtung einmal ändert, auch, wenn es scheint, dass sich alles schneller um uns dreht, auch, wenn wir aus dem Lebensrhytmus greaten.

In der heutigen Lesung aus dem Römerbrief beschreibt Paulus das Zwischenspiel der heiligen Dreifaltigkeit und wie sie uns umfängt. Wir werden vom Heiligen Geist zum Vater geführt, so dass wir zu Gottes Kindern werden. Wir sind sicher als Kinder des himmlischen Vaters und als Erben Gottes – uns wird Liebe, Gnade, Vergebung und das Leben selbst anvertraut. Wir können uns als Kinder Gottes, die unter seinem Schutz stehen, sicher fühlen und sicher sein – und so zuversichtlich in die Welt als Geschwister Christi hinausgehen und an seinem Werk in der Welt teilhaben. Sollten wir den Mut verlieren oder uns verirren, so steht uns der Heilige Geist wieder zur Seite, um uns zum Vater zurückzuführen. Eins, zwei, drei: Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist läβt uns nicht im Stich. Gott ist mit uns und um uns herum – in Zeiten der Freude, der Probleme, der Angst.

Ich weiss nicht, ob Sie je einmal eines dieser Vertrauensspiele gespielt haben – die waren sehr populӓr, als ich Teenager war und an kirchlichen Jugendgruppen und Freizeiten teilnahm. Bei einem dieser Spiele steht eine Person, Augen verbunden, in einem recht engen Kreis anderer Jugendlicher. Dann wird die Person in der Mitte aufgefordert, sich fallenzulassen: vorwärts, rückwärts, seitwärts. Die Leute, die um diese Person herumstehen, müssen natürlich dafür sorgen, dass der, der sich fallenläβt, unter allen Umständen aufgefangen wird. Für mich bedeutet Paulus Beschreibung der Heiligen Dreifaltigkeit etwas ganz Vergleichbares: Gott umschlieβt mich, umschlieβt uns als Gemeinschaft, umschlieβt seine Kirche – eins, zwei, drei – Gott ineinander verschlungen, mit kräftigem Arm, und stöβt mich oder uns sanft – oder manchmal auch nicht so sanft – wieder in dorthin, wohin wir gehören. Gott läβt uns nicht fallen.  

Eins, zwei, drei – in Gott, der Heiligen Dreifaltigkeit, erfahren wir Stabilität und Sicherheit. In diesem Sinne ist Gott wie ein dreibeiniger Schemel, wie ihn Hildegard von Bingen beschreibt. Doch wenn ich an die Heilige Dreifaltigkeit denke, kommt mir auch ein Tanz – ein Walzer – in den Sinn; denn Gott ist nicht unbeweglich und starr, sondern ein lebendiger Gott – ein Gott, der mit sich und unter sich agiert, ein Gott, der sich im Spiel von Schöpfung, Errettung und Erhaltung bewegt. Gottes Tanz bewegt auch uns – und vergewissert uns gleichzeitig, dass wir uns auf Gott um uns herum stützen können und seiner Führung vertrauen können.

Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei. Dies ist unser Lebensrhythmus, im Namen des Vaters, und des Sohnes, und des Heiligen Geistes. Amen

 

Foto von Ihor Malytskyi, unsplash.com