Predigt zu Johannes 1, 43-51; 2. Sonntag nach Epiphanias / Martin Luther King Jr. Day – 18. Januar 2015

MLK

 

Im Kirchenjahr sind wir nun in der Zeit nach Epiphanias.  Epiphanias beginnt am 6. Januar mit dem Fest, das wir gerne ‘Heilige Drei Könige’ nennen, und endet am Aschmittwoch, dem Beginn der Fastenzeit. Epiphanias bedeutet wörtlich, ‘das, was beschienen wird’, oder ‘das, was sichtbar wird’. Und so ist die Epiphaniaszeit eine Zeit des Lichts, der Erleuchtung, und der Aha-Momente. Epiphanias beginnt mit dem Stern über Bethlehem, der den Weisen den Weg zum neugeborenen König Jesus zeigt. Als Jesus getauft wird, wird er als geliebter Sohn Gottes allen Anwesenden verkündet. Und die Evanglien für heute und die flogenden Sonntage befassen sich mit all den Aha-Momenten, die jene haben, die mit Jesus in Berührung kommen. Menschen sehen das Licht. Menschen sehen und erkennen, wer dieser Jesus ist – der Sohn Gottes, der gesandt ist, um das Volk Gottes zu erlösen. Und so ist Epiphanias die Saison, in der wir das Licht feiern, und wie es Gottes Herrlichkeit unter uns offenbart. Das Motto für Epiphanias könnte also sein: tretet hinaus in das Licht!  Seid offen für Aha-Momente!  Lebt im Licht!

Nun klingt das zunächst einmal gar nicht so übel, oder?  Lebt im Licht. Wer würde nicht gerne in Gottes Licht und Herrlichkeit und Liebe und Gnade leben? Wir brauchen das Licht, wir sehnen uns nach Licht. Überlegen Sie doch einfach mal für einen Moment: was bedeutet Licht für Sie?  Welche Assoziationen haben Sie, wenn Sie an Licht denken? Helligkeit? Wärme? Wachstum?

Hier haben wir also eine wunderbare Einladung: Lebt im Licht.  Gott will, daß wir ein Teil dieses Lichtes sind. Aber dann ist das Leben im Licht nicht unbedingt immer positiv.  Können Sie an Schattenseiten eines Lebens im Licht denken? Nun ist es ja so, daß wir, wenn wir im Licht Leben, dann eventuell ja auch im Rampenlicht stehen.  Wenn wir im Licht leben, dann sind wir sichtbar, gut sichtbar. Denken Sie nur einmal an Prominente. Natürlich versuchen die Promis, immer nur ihre Schokoladenseite zu zeigen.  Aber dann haben Sie wahrscheinlich doch schon mal die nicht so netten Fotos und Schlagzeilen über Prominente in den Klatschzeitungen am Supermarkt an der Kasse gesehen. Die Papparazzi leben ja schließlich davon, die Prominenz in unvorteilhaften oder kompromittierenden Situationen zu erwischen.  Da muß man schon unwahrscheinlich Disziplin haben, um immer elegant und untadelig zu erscheinen, fragen Sie nur Prinzessin Kate oder andere Mitglieder des britischen Königshauses. Nobody is perfect – niemand ist perfekt.  Und das Licht – das Rampenlicht – bringt nun einmal unsere Stärken und Schwächen ans Licht.

Und mich z.B. macht dieser Gedanke schon etwas nervös, im Rampenlicht zu stehen. Denn ich weiß, daß ich nicht perfekt bin. Daß ich meine Schwächen habe.  Und manchmal bin ich schon verwundert, daß Gott mich doch irgendwie gebrauchen kann.

Also ist bei der Einladung, im Licht zu leben, auch ein kleines Warnschild dabei: Achtung, Leben im Licht macht sichtbar!

Wir würden vielleicht gerne all die Seiten von uns verstecken, die wir nicht so an uns mögen, die Seiten, die nicht so perfekt sind wie wir’s gerne hätten – und doch beruft uns Gott dazu, im Licht zu leben.  Gott kennt unsere Schwächen. Und doch lädt Gott uns ein, an Gottes Licht und Herrlichkeit teilzuhaben.  Wir müssen uns nicht verstecken.

Und so, wie wir gerne unsere persönlichen Schwächen vor Gott, vor anderen, und vor uns verstecken würden, so würden wir auch gerne als eine Gesellschaft die unschönen Seiten im Schatten halten; wir würden sie gerne verstecken und ignorieren. Manchmal sind Mißstände ja schon ganz offen zu sehen, und immer noch wenden wir lieber unseren Blick ab, oder geben vor, wir würden sie nicht sehen. Das geht mich ja nichts an.  Aber wenn wir die Einladung, im Licht zu leben, ernst nehmen, dann sind wir auch eingeladen, zu kommen und zu sehen.  Komm und sieh!  Sieh, was um dich herum passiert, auch, wenn es unbequem und dir unangenehm ist. Sehen gehört zum Leben im Licht dazu.

Komm und sieh!  Wir hören diese Worte im heutigen Evangelium.  Die heutige Geschichte von der Brufung der ersten Jünger wird von Johannes etwas anders erzählt als von Matthäus, Markus, und Lukas. Bei Johannes hören wir von Philippus, der gerade eben von Jesus zum Jünger berufen wurde.  Und Philippus fängt nun selbst an, weitere Jünger zu rekrutieren.  Philippus kommt zu Nathanael, und ist ganz aufgeregt, wir haben den gefunden, der so lange verheißen wurde, Jesus von Nazareth!  Nathanael ist eingeladen, im Licht zu leben.  Aber seine erste Reaktion ist eher negativ und skeptisch. Was kann aus Nazareth Gutes kommen?  Anscheinend hatte Nazareth damals nicht den besten Ruf.

Nathanael hat Vorurteile.  Ach, Nazareth, wie gut kann das schon sein? Seine Reaktion ist nicht, mal zu gucken, und zu erforschen, was an diesem Jesus wohl dran sein könnte, nein, seine erste Reaktion ist Ablehnung.  Doch glücklicherweise läβt sich Philippus nicht so einfach abwimmeln und entmutigen, sondern steckt Nathanael mit seinem Enthusiasmus an: Bilde dir selbst eine Meinung – komm und sieh!  Und Nathanael sträubt sich zwar, doch läβt er sich überreden, und er kommt – und sieht. Und weil er offen bleibt, weil er dem Sehen eine Chance gibt, kann Nathananel seine Vorurteile überwinden, und wahrhaft sehen, wer Jesus ist – und mit diesem Aha Erlebnis bewegt er sich ins Licht, und lebt im Licht.

Morgen werden wir des Geburtstages Martin Luther King Jr’.s gedenken. Doktor King ist bekannt dafür, daβ er den Mut hatte, Miβstände ans Licht zu bringen; er hatte den Mut, das Unrecht gegen Nicht-Weiβe in diesem Lande aus dem Schatten der Ignoranz in das Bewuβtsein dieser Nation zu zerren. Er wehrte sich gegen die offene Unterdrückung, gerade gegen die afro-amerikanische Bevölkerung, und damit war er natürlich mitten im Rampenlicht.  Und wir wissen alle, daβ King im Rampenlicht so auch zu einer Zielscheibe für Unverständnis und Haβ wurde. Doch Dr. Kings Botschaft kann mit ‘Komm und sieh’ – ‘Kommt und seht’ zusammengefaβt werden.  Kommt und seht, wieviel Leiden es gibt, weil einige Menschen anders behandelt werden als andere, nur aufgrund ihrer Hautfarbe. Baut eure Vorurteile ab – schaut genau hin und seht, was für ein Mensch hinter der Hautfarbe und äuβeren Erscheinung steckt. Macht euch die Mühe, jemanden wirklich kennenzulernen. Wir sind alle Gottes Geschöpfe, Gottes Kinder; wir alle verdienen es, mit Nächstenliebe und Respekt behandelt zu werden.

In Kings berühmter Rede vom Civil Rights Marsh in Washington von 1963, die Rede die wir als ‘I have a dream’ – ‘Ich habe einen Traum’ kennen, lädt King die Menge, die Nation, und die Welt ein, Unrecht nicht als eine Realität hinzunehmen, sondern von einer besseren und gerechteren Welt zu träumen – und zu sehen, was möglich ist. Und so benutzt King auch in dieser Rede die Symbolik von Licht und Finsternis.  In dieser Rede heiβt es: ‘Now is the time to rise from the dark and desolate valley of segregation to the sunlit path of racial justice. Now is the time to lift our nation from the quicksands of racial injustice to the solid rock of brotherhood. Now is the time to make justice a reality for all God’s children.’ ‘Jetzt ist die Zeit, uns aus dem dunklen und verwüsteten Tal der Segregation zu erheben und auf dem sonnenbeschienenen Pfad der Rassengerechtigkeit zu wandeln. Jetzt ist die Zeit, unsere Nation aus dem Treibsand der rassistischen Ungerechtigkeit auf den festen Felsen der Brüderlichkeit zu heben. Jetzt ist die Zeit, Gerechtigkeit zur Realität für alle Kinder Gottes zu machen.’

Kings Traum ist mehr als nur eine Phantasie – sein Traum ist eine realistische Vision des Endes von Diskriminierung und Ungerechtigkeit, eine realistische Vision der Gleichheit. Kommt und seht.  Kommt, lebt im Licht.

Nun haben jüngste Ereignisse in diesem Lande ans Licht gebracht, daβ Kings Traum noch nicht verwirklicht ist, und daβ es noch viel Arbeit und Mühe kosten wird, um diesen Traum zu verwirklichen.  Es herrschen noch immer Vorurteile und Spannungen unter den Rassen.  Schwarz und Weiβ können diese nur überwinden, wenn gemeinsam nach Wegen der Versöhnung gesucht wird. Diese Gesellschaft, mit all ihren Stärken, ist nicht perfekt, für viele sind Diskriminierung und Ungerechtigkeit aufgrund ihrer Herkunft oder Hautfarbe immer noch aktuell.  Ja, vieles ist sehr viel besser geworden seit den 60ern. Doch Martin Luther Kings Traum muβ weitergeträumt werden.  Und wir mögen nicht immer mit den Mitteln und Wegen einverstanden sein, mit denen einige versuchen, diesen Traum durchzusetzen – viele BART Pendler waren gar nicht glücklich über die Besetzung der Montgomery Station  und anderer Stationen diesen letzten Freitag – doch müssen wir wohl alle zugeben, daβ solche Aktionen die Probleme ans Licht bringen.  Wir können sie nicht ignorieren, sondern sind gezwungen, hinzusehen. Und uns mit diesen Problemen zu befassen. Es geht uns alle etwas an.

Auch andere Probleme gehen uns alle etwas an.  Wie z.B. die Obdachlosigkeit hier in San Francisco, direkt in unserer Nachbarschaft.  Und, und, und. Wir sind dazu berufen und dazu aufgerufen, im Licht zu leben, – zu kommen und zu sehen. Wir sind dazu berufen, auch einen zweiten und dritten Blick auf Dinge zu werfen, und uns nicht von unseren Vorurteilen verblenden zu lassen.  Was kann schon Gutes aus Nazareth kommen? Wir sind dazu berufen, uns die Mühe zu machen, die Person hinter all den Vorurteilen zu sehen, die wir mit uns herumtragen. Und den Bruder, die Schwester, den Nächsten, ein Kind Gottes, zu erkennen. Und wenn das schwierig, vielleicht sogar unmöglich erscheint – dann müssen wir uns daran erinnern, daβ Christus selbst von Kreuz sprach, daβ wir als Gläubige auf uns nehmen, sobald wir Christus nachfolgen.

So kommt und lebt im Licht! Ihr seid geliebte und erlöste Kinder Gottes, und habt an Gottes Herrlichkeit teil. Und dann: Kommt uns seht, daβ wir einige Menschen in unserer Gesellschaft nicht mit der Nächstenliebe und dem Respekt behandeln, den sie als Kinder Gottes verdienen. Kommt und seht, daβ wir diesen Planeten, Gottes gute Schöpfung, mit Füβen treten. Kommt und seht, daβ es um uns herum viel Gebrochenheit und Leid gibt. Kommt und seht, was in euh selbst gebrochen und leidend ist. Kommt und seht und erkennt und wagt es, von einer besseren Welt zu träumen – und das zu verändern, was falsch ist in dieser Welt. Wagt es, eine Vision zu haben, und lebt dieser Vision entgegen.

Kommt und seht! Lebt im Licht!  Habt eine Vision!  Und bemüht euch, Gottes Licht und Herrlichkeit und Gerechtigkeit eine Wirklichkeit für die gesamte Schöpfung Gottes zu machen. Amen