Predigt zu Johannes 2, 1-11; Zweiter Sonntag nach Epiphanias – 17. Januar 2016

MLK

Das Internet ist faszinierend, man kann da Informationen über so ziemlich alles finden. In Vorbereitung auf die heutige Predigt hatte ich nach Zitaten von Martin Luther King Jr. gesucht, dessen Geburtstages morgen in diesem Lande gedacht wird. Und so las ich, seitenlang, diese Zitate: starke Worte, die von Liebe, Gerechtigkeit und die Brüderlichkeit aller Menschen sprechen – und ich denke mir, wӓre Luther King heute noch am Leben, würde er sicherlich von Geschwisterlichkeit sprechen. Und seine Worte über seinen groβen Traum, den Traum einer Transformation der Gesellschaft, in der niemand mehr aufgrund seiner oder ihrer Hautfarbe beurteilt wird, sondern aufgrund seines oder ihres Charakters, bewegen mich immer wieder, wenn ich sie hӧre oder lese.

Doch sagte King auch Dinge, die etwas unbequemer sind: daβ es nicht in Ordnung ist, still zu bleiben, wenn Ungerechtigkeit geschieht. Daβ Ignoranz und Bequemlichkeit vielleicht die schlimmsten Sünden sind, die es gibt. Daβ die heiβesten Plӓtze in der Hӧlle für die reserviert sind, die zwar Ungerechtigkeit sehen, doch nichts dagegen tun. Daβ Dinge zwar legal sein mӧgen, aber deswegen noch lange nicht recht oder gerecht sind.

Natürlich spricht King hier hauptsӓchlich über den offenen Rassismus, der vielerorts noch legal in diesem Lande in den 60er Jahren war. Und King ahnte, daβ er wohl nicht lange genug leben würde, um eine wahre Transformation in diesem Lande noch mitzuerleben – und daβ er für seine Überzeugungen sterben würde. Und er hatte natürlich recht: am Ende wurde er ermordet durch jemanden, für den allein die Worte Kings irgendwie bedrohlich waren.

Nun sind Kings Worte voll der Leidenschaft und hӓufig auch von einem gerechten Zorn geprӓgt. Er klingt sehr wie die Propheten des Alten Testamentes in dieser Hinsicht. Doch sprach er nie Worte des Hasses, jedenfalls soweit ich weiβ. King hatte einen starken Glauben an Jesus Christus, er glaubte an christliche Liebe, und an Gewaltlosigkeit, selbst angesichts der Gewalt. King verstand sehr wohl, daβ Verӓnderungen, die durch Haβ und Angst motiviert sind und mit Gewalt durchgesetzt werden, auf Dauer nicht haltbar sind. Die Liebe allein kann Haβ überwinden, sagte King; und hierbei zitiert er aus den Briefen des Paulus. Nur die Liebe und Vergebung kӧnnen uns  zu wahren Brüdern und Schwestern machen; dies kann nicht erzwungen werden. Gewalt hilft da nicht, denn, und hier zitiert King Gandhi: Auge um Auge macht die ganze Welt blind.

Nun hat sich seit den 60ern so einiges zum Besseren verӓndert, doch klingen viele der Worte Kings doch noch wahr und zeitgemӓβ.

Und so las ich also all diese inspirierenden Zitate über Liebe, Gerechtigkeit und Gewaltlosigkeit, und dann sah ich da am Rande der Webseite etwas flickern. Das kennen Sie bestimmt auch: auf vielen freien Webseiten wird viel Werbung gemacht, und solch eine Werbung blinkte unaufhӧrlich, und ich wurde darauf aufmerksam. Diese Werbung zeigte ein Bild von Prӓsident Obama und verkündete, und ich habe mir das nicht ausgedacht, es war wirklich so: Obama says, ban guns.  Say no!  Click this button to fight back. Obama sagt, verbannt Waffen. Sag nein!  Klicke hier, um zurück zu kӓmpfen. Sagt man so im deutschen ja nicht, aber ‘verteidigen’ anstelle von ‘zurückkӓmpfen’ wӓre hier ein zu schwaches Wort.

Bin ich hier die einzige, die meint, daβ dies doch sehr ironisch ist?  Die Botschaft, daß der Präsident Waffen ganz verbannen will, ist falsch, irreführend und ist natürlich dazu gedacht, um Furcht zu schüren. Und der Aufruf, ‚zurückzukämpfen’, machte mir  klar, daß wir als Gesellschaft noch sehr weit zu gehen haben, bevor wir den Traum Kings verwirklicht sehen; und dieser Traum ist nicht nur Kings’ Traum, sondern ist der Bibel entnommen, in der wir oft von Gottes Traum von einem Friedensreich hören. Ich glaube, wäre King heute noch am Leben, so würde er nicht schweigen, da uns derzeit weisgemacht wird, daß Waffengewalt nur durch mehr Waffengewalt gebremst werden kann, und daß wir nicht weniger, sondern mehr Waffen brauchen, so daß die Bösen in Schach gehalten werden. Klingt doch sehr nach Aufrüstung und dem, was wir auf internationaler Ebene als Kalten Krieg erlebt haben. Und es wäre doch sehr traurig, wenn dieses Land irgendwie im Kalten Krieg mit sich selber wäre.

Luther King würde wahrscheinlich heute noch klarstellen, daß eine wahre Transformation nur durch gewaltlosen Protest und furchtlose Liebe und Mitgefühl passieren kann. Und: daß eine Transformation, ein Wandel, oft mit Opfer verbunden ist. Einfach ist das nicht.

Nun hat das heutige Evangelium viel mit dieser Thematik zu tun. Die Geschichte, die wir hier haben, nämlich die Verwandlung von Wasser zu Wein, ist ja schon ein bißchen merkwürdig. Diese Geschichte finden wir nur im Johannesevangelium, und Johannes ist nicht dafür bekannt, in Gleichnissen zu reden oder Anekdoten zum Besten zu geben. Nein, sein Evangelium ist stark von Zeichen und Symbolen geprägt. Nun ist das Weinwunder das allererste Wunder, das Jesus im Johannesevangelium vollbringt.  Keine Heilung, keine wunderbare Vermehrung von Broten und Fischen. Und es ist auch ein eher unfreiwilliges Wunder – es scheint so, als sei Jesus lediglich ein Gast auf einer Hochzeit und wolle sich amüsieren. Es ist Maria, seine Mutter, die ihn dazu drängt, zu offenbaren, wer er wahrlich ist. Jesus, der Wein geht aus, raunt sie ihm zu, und was sie natürlich auch damit sagen will, ist: Tu was! Und Jesus antwortet ihr: Meine Stunde ist noch nicht gekommen.

Das sind doch recht rӓtselhafte Worte. Und doch machen sie Sinn, wenn wir in die Symbolik des Weinwunders schauen –  und es wӓre keine Erzӓhlung des Johannes, wenn sie nicht irgendwie symbolisch zu verstehen wӓre.

Also lassen Sie uns die Geschichte von einem etwas anderen Blickwinkel betrachten. Am vergangenen Sonntag ging es um Wasser, und zwar das Wasser der Taufe. Und die Taufe hat ja auch einen starken symbolischen Wert – hier geht es um Reinigung, um das Abwaschen der Sünde, Erfrischung und ein neues Leben. Das Wasser, das Jesus im heutigen Evangelium in Wein verwandelt, ist kein gewӧhnliches Wasser, nein: es ist Wasser, das für jüdische Reinigungsrituale verwendet wird; vor und nach dem Essen werden die Hӓnde gewaschen, das kennen wir ja auch, und dann wurde Hausgӓsten in Jesu Tagen auch Wasser zur Fuβwaschung angeboten – schlieβlich waren die Straβen in jenen Zeiten recht staubig, und die Menschen trugen Sandalen. Jesus verwandelt also dieses rituale Wasser, das viellecht auch schon benutzt und somit verschmutzt ist, in Wein.

Nun kӧnnten wir es dabei belassen und sagen, prima, Jesus hat die Party gerettet. Doch würde das dem Wunder nicht gerecht werden. Denn woran denken Sie, wenn Sie das Wort Wein hӧren, vor allem in der Kirche? Wir trinken den Wein wӓhrend des Abendmahles und hӧren dabei, ‘Christi Blut, für dich vergossen’. Sakramental gesehen ist Johannes also sehr interessant: das erste Wunder nach Jesu Taufe deutet auf das Abendmahl hin.

Der Wein im heutigen Evangelium symbolisiert also das Blut Christi, das für uns alle gegeben und vergossen wird, und das uns von allem Übel und aller Sünde reinigt – und das schlieβt die Sünde der Ignoranz und der Bequemlichkeit mit ein.  Und wenn Jesus sagt, daβ seine Stunde noch nicht gekommen ist, dann weist er auf sein radikales Opfer hin, nӓmlich seinen Tod am Kreuz um des Heils der Welt willen. Jesu Stunde mag noch nicht gekommen sein, doch das Wunder, in dem Wasser in Wein verwandelt wird, weist bereits auf die Dinge hin, die da kommen werden. Jesu Tod ist unausweichlich und unvermeidlich, schon vom Anbeginn seiner Mission. Wir wissen, wie die Geschichte ausgehen wird. Jesus macht dies schon sehr früh klar, zugegebenermaβen auf eine etwas rӓtselhafte Weise.

Transformation, Wandel, ist oft mit Opfer verbunden.

Gott hat das radikale Opfer gebracht, in dem er für uns und die Welt starb. Doch stellte Gottes Tod die Realitӓten der Welt – Gewalt, Leiden, und Tod – auf den Kopf. Gott hat den Tod überwunden. Gott hat unseren Tod überwunden. Wir brauchen uns nicht zu fürchten. Und somit müssen wir auch nicht aus Furcht handeln, sondern dürfen und kӧnnen aus Liebe handeln. Dies ist der Wandel, den Jesus Christus an uns vollzieht. Neues Leben wird uns in und durch die Taufe geschenkt, und dieses neue Leben in Christus wird durch das reinigende Blut Christi im Abendmahl bestӓtigt und bekrӓftigt; und dieses neue Leben ist nicht nur symbolisch und metaphorisch, sondern hat konkrete Folgen: dieses neue Leben leben wir in den Verheissungen und im Licht Gottes.

Gott hat einen Traum, und wir kӧnnen über diesen Traum aus der Bibel erfahren, wie zum Beispiel in der heutigen Lesung aus Jesaja. Und bei diesem Traum geht es um die Versӧhnung Gottes und aller Welt. Es ist der Traum eines neuen Jerusalems, einem Ort, an dem sich niemand mehr fürchten muβ, und die Tore immer und für jeden offenstehen. Es ist ein Traum von einer Welt, in der es Trauer und Weinen und Tod nicht mehr geben wird. Es ist ein Traum von einer Welt, in der der Wolf und das Lamm, und Menschen verschiedener Hautfarbe und Identitӓt und Glaubensbekenntnisse friedlich miteinander leben. Der Traum von einer Welt, die wahrhaft verwandelt ist. Und wir – wir sind ein Teil dieses Traumes.

Viele haben diesen Traum seither getrӓumt, unter ihnen Martin Luther King Jr. Und nicht nur das: sie haben auch so gelebt und agiert, daβ dieser Traum ein biβchen mehr verwirklicht wird. Die Welt kann verӓndert werden. Wir sehen ja manchmal diese kleinen Wunder: wenn sich ein Leben zum Besseren verӓndert, wenn jemand seine oder ihre Sucht überwinden kann, wenn ein verstocktes Herz sich erweicht, wenn Menschen sich versӧhnen, und fürchterliche Gewalttaten vergeben werden.

Da wird Wasser in Wein verwandelt. Meine Hoffnung für uns alle und für die Welt ist, daβ wir niemals aufhӧren, Gottes Traum mitzutrӓumen, sondern unser neues Leben in Jesus Christus als die leben, die trӓumen – und das unsere mit unseren besonderen Gaben dazu tun, um diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen – indem wir Gutes tun, anderen vergeben und furchtlos handeln. Amen