Predigt zu Lukas 1, 39-55; 4. Advent -20.Dezember 2015

elizabeth and mary

Ich mӧchte diese Predigt mit einer Frage beginnen: Was ist ein Segen?

Wir haben natürlich gewisse Vorstellungen, wenn wir das Wort ‘Segen’ hӧren. Wir mӧgen einen Segen als einen guten und frommen Wunsch verstehen. Vielleicht gar als eine geradezu magische Beschwӧrung, in der wir die Macht Gottes anrufen, uns oder andere von allem Übel zu bewahren.

Aber dann gebrauchen  wir auch das Wort Segen, um die guten Dinge, die uns widerfahren, zu beschreiben. Wenn es uns gut geht, wenn wir uns finanziell nicht sorgen müssen, wenn wir eine stabile Situation in unserer Familie haben, oder gesund sind, so sagen wir hӓufig: ja, dies ist ein Segen.

Wenn wir Segen als etwas Gutes verstehen, mit dem Gott uns beschenkt, wie ist es dann mit den nicht so guten Dingen, die uns widerfahren? Sind wir verflucht, wenn das Leben nicht so lӓuft, wie wir uns es wünschen? Ist Unglück ein Zeichen dafür, daβ Gott uns nicht segnet?

Oder andersrum gefragt: kӧnnen wir bestimmen, wie gesegnet jemand ist, indem wir seine oder ihre Lebensumstӓnde bewerten?  Kӧnnen wir schluβfolgern, daβ jene, die unter schwierigeren Umstӓnden in dieser Welt leben, sei es in armutsgebeutelten Regionen oder Krisengebieten, Gottes Segen nicht erfahren? Daβ jene Menschen etwas getan haben müssen, um Gottes Fluch zu verdienen, aber nicht Gottes Segen?

Wenn man gewissen Leuten und Gruppen in diesem Lande zuhӧrt, so kӧnnte man meinen, daβ dies der Fall sei. Daβ immer dann, wenn etwas Schlimmes passiert, dies als eine Strafe Gottes angesehen wird, und dann gibt es da auch normalerweise jemanden oder etwas, der oder das dafür verantwortlich gemacht werden kann.

Und dann gibt es auch kirchliche Gruppen in diesem Lande, die das ‘Prosperity Gospel’, also das ‘Wohlstandsevangelium’ predigen; und diese Lehre vertritt die Idee, daβ Segen, Gottes Segen, sich in materiellem Wohlstand zeigt. Wenn wir nur stark genug an Gott glauben und Gott gefallen, dann werden wir Gottes Segen durch finanziellen Erfolg und andere gute Gaben in unserem Leben erfahren. Wenn es uns gut geht, so ist dies ein Ausdruck des Wohlgefallen Gottes. Und dies bedeutet natürlich, daβ es ganz in unserer Hand liegt, den Segen Gottes zu erhalten. Ich glaube, Martin Luther würde sich im Grabe umdrehen, wenn er dies hӧren würde.

Und wir müssen uns nur das heutige Evangelium anhӧren, um festzustellen, daβ sich Gottes Segen eben nicht in den Dingen ausdrückt, die wir als positiv oder komfortabel erfahren.  Im Evangelium des heutigen Sonntags geht es um die Begegnung zweier Frauen: Elisabeth, die, trotz ihres hohen Alters doch noch schwanger geworden ist und einen Sohn gebӓren wird, der als Mann Johannes der Tӓufer genannt werden wird – und Maria, welche den Messias zur Welt bringen wird. Und so hӧren wir: ‘Maria machte sich aber auf in diesen Tagen und ging eilends in das Gebirge zu einer Stadt in Juda und kam in das Haus des Zacharias und begrüβte Elisabeth. Und es begab sich, als Elisabeth den Gruβ Marias hӧrte, hüpfte das Kind in ihrem Leibe. Und Elisabeth wurde vom Heiligen Geist erfüllt und rief laut und sprach: Gepriesen bist du unter den Frauen, und gepriesen ist die Frucht deines Leibes!’  So hat’s jedenfalls Martin Luther übersetzt. Nun kann das griechische Wort, das Luther mit ‘gepriesen’ übersetzt, aber auch anders übersetzt werden, nӓmlich als ‘gesegnet’. Und das macht die katholische Einheitsübersetzung, und die englische Übersetzung übrigens auch: Gesegnet bist du unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.

Gesegnet bist du, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.

Maria ist eine junge Frau, die unter merkwürdigen Umstӓnden schwanger wird, und deren Verlobter sie fast deswegen verlӓβt – das Kind ist schlieβlich nicht von ihm. Maria muβ ihr Kind unter entwürdigenden Umstӓnden zur Welt bringen, quasi auf der Straβe. Sie muβ mit ansehen, wie ihr Sohn sie zurücklassen wird, um durch die Lande zu ziehen und das Kommen des Gottesreiches zu verkündigen. Sie muβ mit ansehen, wie er gefoltert wird und einen qualvollen Tod am Kreuz stirbt. Gesegnet bist du unter den Frauen!

Ihr Sohn wird miβverstanden, verachtet, gemartert und wie ein Krimineller exekutiert werden. Gesegnet ist die Frucht deines Leibes!

Und es scheint, als sei ein Segen soviel mehr als lediglich die Erfahrung von guten Dingen, die uns in unserem Leben widerfahren. Ein Segen ist der Zuspruch, daβ Gott gegenwӓrtig ist, unter allen Umstӓnden. Ein Segen ist die Vergewisserung, daβ Gott wundersame Dinge durch den oder die tut, die gesegnet sind. Eine Vergewisserung, daβ Gott unsere niedere Existenz benutzt, um das Reich Gottes ein Stück weit zu verwirklichen. Segen heiβt: Gott ist bei uns, mit uns, und wirkt durch uns.

Maria scheint von all dem zu wissen. Maria weiβ, daβ der Segen, den Gott ihr zukommen lӓβt, nichts mit materiellem Wohlstand oder Gesundheit oder einem glücklichen Familienleben zu tun hat. Maria weiβ, daβ Gott sie segnet, indem er wunderbare und wundersame Dinge durch sie geschehen lӓβt. Und Maria scheint auch zu ahnen, daβ dies nicht immer einfach sein wird.

Und sie jubiliert: Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes; denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden mich seligpreisen alle Kindeskinder. Denn er hat groβe Dinge an mir getan, der da mӓchtig ist und dessen Name heilig ist.

Dies sind die Erӧffnungsworte des sogenannten Magnificat, und es ist Marias trotziges Freuden- und Siegeslied. Dieses Lied faβt zusammen, worum es beim Reiche Gottes geht: nӓmlich um Gerechtigkeit für die gesamte Menschheit. Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffӓrtig sind in ihres Herzen Sinn. Er stӧβt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lӓβt den Reichen leer ausgehen.

Dies ist eine politisches Statement, dies ist ein Schrei nach Revolution! Maria weiβ ganz genau, daβ das Kind, das sie gebӓren wird, die vorherrschenden Mӓchte auf den Kopf stellen wird. Und normalerweise schlagen die Mӓchte zurück, wie wir es ja nun auch durch die Star Wars Serie kennen. Maria weiβ, daβ sich ihr Sohn in Gefahr begeben wird, indem er die Leute erregt – und auch einen Preis dafür zahlen wird. Und daβ sie, als seine Mutter, auch ihren Preis bezahlen wird.

Und doch freut sie sich im Herrn. Und sie weiβ, daβ sie gesegnet ist. Sie weiβ. Daβ Gott bei ihr und mit ihr ist und durch sie wirkt. Und daβ Gott untrennbar mit der Frucht ihres Leibes verbunden ist. Nein, das Ziel eines gesegneten Lebens ist nicht, ein komfortables und sorgenfreies Leben auf Erden zu haben, sondern Gottes Werkzeug in dieser Welt zu sein, um Ungerechtigkeiten in dieser Welt zu beenden. Das ultimative Ziel ist ein gesegnetes Leben für die gesamte Schӧpfung, und die Versӧhnung zwischen Gott und Mensch. Das ultimative Ziel ist das Friedensreich, in dem Leid und Schmerz und Tod nicht mehr sein werden, wo der Wolf neben dem Lamm lagert, und alle Vӧlker der Erde gemeinsam auf dem heiligen Berg Gottes ein Festmahl teilen werden. Dies ist das segensreiche Leben, das Gott uns verspricht.

Gesegnet ist die Frucht des Leibes Marias, Jesus Christus, der in die Welt gekommen ist, um uns von Sünde und Schuld und Tod zu befreien. Wegen seiner Geburt, seines Lebens, seines Todes und seiner Auferstehung kӧnnen wir gewiβ sein, daβ auch wir Gottes Segen erfahren uns einst das Friedensreich erleben werden. Wir kӧnnen uns der Gegenwart Gottes gewiβ sein, jeden Tag, bis ans Ende aller Tage, auch wenn wir nicht immer sorgenfrei und wohlhabend sind.

Wenn wir also sagen, ‘Gott segne dich’, dann wünschen wir natürlich nur das beste für den oder die Gesegneten. Wir mӧchten, daβ Gott sie oder ihn von allem Übel bewahrt. Doch mӧgen wir auch durch unseren Segen jemandem mit auf den Weg geben, daβ Gott immer bei uns ist, auch in der Mitte von Übel, an jedem Tag, und groβe und segensreiche Dinge durch uns bewirken kann – wie Gott es durch Maria getan hat, Gottes niedrige Magd. Wir alle haben etwas mit der Welt zu teilen; wir alle kӧnnen diese Welt ein Stück weit verbessern. Denn Gott ist mit uns und bei uns und wirkt durch uns. In dem Sinne sage ich zu Ihnen: Gott segne Sie. Gott segne uns. Gott segne die Welt. Amen