Predigt zu Matthäus 2,2-12; Epiphanias – 8. Januar 2017

 

Weihnachten ist nun vorbei. Wir sind nun in der Epiphaniaszeit, einer Zeit des Kirchenjahres, in der es um die Offenbarung Jesu Christi as Gottes Sohn geht. Aber, wie Sie sehen, sind unsere Weihnachtsdekorationen immer noch nicht weggeräumt. Das hat z.T. mit dem Terminkalender des Golden Gate Men’s Chorus zu tun – die Sänger dekorieren unseren Gottesdienstraum jedes Jahr so schön und räumen dann auch wieder auf, und das ist leichter gesagt als getan. Doch denke ich, daß es würdig und recht ist, daß es sich hier noch wie Weihnachten anfühlt. Warum? Lassen Sie mich da eine Geschichte erzählen…

Es war einmal vor langer langer Zeit ein kleines Mädchen. Und das Mädchen war ich. Ich verbrachte viel Zeit mit meiner Oma. Und jedes Jahr im Advent stellte meine Oma eine Krippe auf, mit der meine Schwester und ich sogar spielen durften. Und so wurden mir die Figuren der Weihnachtsgeschichte schon früh vertraut: Maria und Josef, die Hirten, die Schafe, die Engel, der Stern, Ochs und Esel. Und dann, natürlich, das Jesuskind in der Krippe. Und dann gab es da die heiligen drei Könige, die Weisen, die in feierlicher Anbetung ihre Gaben darbrachten, die in goldenen Kästchen verborgen waren. Und diese Weisen waren eindeutig die farbenprächtigsten Figuren. Also spielten meine Schwester und ich immer und immer wieder die Weihnachtsgeschichte nach, indem wir die Figuren herumschoben.

Als ich 5 oder 6 war, nahm mich meine Mutter im Advent mal zu der Kirche, in der ich getauft worden war – der katholischen St. Marienkirche in Delmenhorst. Und dort zeigte sie mir eine lebensgroße Krippe, die in der gesamten Umgebung berühmt war. Ich war natürlich ganz fasziniert und starrte die mir so vertrauten Charaktere an: Maria, Josef, das Jesuskind, ein paar Hirten, ein paar Schafe, Engel, Ochs und Esel. Aber dann fiel mir auf, daß da etwas fehlte. Und ich fragte meine Mutter: “Wo sind die heiligen drei Könige?“

Egal, wie sehr ich suchte, sie waren einfach nicht da! Meine Mutter erklärte mir dann, daß die drei Könige am 6. Januar, dem Epiphaniastag, auch Heilige Drei Könige genannt, hinzugefügt würden. Das fand ich dann doch merkwürdig/ Warum erst am 6. Januar? Das ist doch der Tag, an dem Oma ihre Krippe wieder einpackt, Engel und Schafe und Könige, einfach alles, und hier würde die ganze Szene erst komplett werden? Mama, stimmt das, daß diese Riesen Krippe noch lange nach Weihnachten hier stehen wird? Ist das nicht komisch?

So bekam ich damals meine erste Lektion über das Kirchenjahr, denn meine Mutter erklärte mir, daß die Krippe wirklich bis zum Ende der Epiphaniaszeit in der Kirche stehen würde. Und ich war ganz fasziniert, daß Weihnachten in dieser Kirche noch lange dauern würde. Und ich erinnere mich, daß ich das ganz toll fand.

Nun muß ich Ihnen wohl nicht sagen, daß ich meine Mutter dann in der Epiphaniaszeit nervte, bis sie mich dann wieder zur Marienkirche nahm – ich mußte einfach die ganze Krippe sehen, so wie ich sie kannte, mit den Königen. Und, ja, da waren sie, würdevoll und wundervoll. Und ich fühlte mich fast wie eine Verschwörerin, daß ich so die Geschichte noch weiterlebte, während der Rest der Welt wieder alle weihnachtlichen Dekorationen auf den Dachboden verfrachtet hatte.

Nun neigen wir in dieser Kultur dazu, die heiligen drei Könige, oder eher die unbekannte Anzahl von Weisen, wie sie in der Bibel erscheint, einfach in die heilige Nacht hineinzustopfen. Als ob alles zur selben Zeit passieren würde: Jesus wird im Stall geboren, dann sind da die Hirten und Engel, und dann kommen auch schon die Weisen an. Welch ein Trubel an der Krippe! Wir platzieren die Weisen an die Krippe, die dann an Epiphanias ganz unzeremoniell wieder in eine Kiste gesteckt wird, wenn nicht sogar schon eher. Wir tendieren dazu, hier verschiedene Geschichten einfach zu vermischen; und sie sind noch nicht einmal im selben Evangelium! Lukas erzählt uns die Geschichte von der Geburt in Bethlehem, und Matthäus legt den Schwerpunkt auf die Weisen, die dem Stern folgen.

Doch wenn wir diese zwei Geschichten einfach mixen – wenn wir die Weisen als exotische und farbenprächtige Statisten in die Geburtsgeschichte einbauen, Statisten, die dann ganz schnell wieder in der Versenkung verschwinden – dann verpassen wir die gewichtige Bedeutung der Geschichte der Weisen, und wie sie die Verbindung zwischen der heiligen Nacht und all den Tagen, die danach folgen, darstellen. Wie die Weisen die Verbindung zwischen der wunderbarsten Zeit des Jahres und all den nicht so wunderbaren Zeiten sind, mit denen wir uns herumschlagen müssen. Die Weisen sind diejenigen, die sich auf den langen Weg machen, den neugeborenen König zu finden – und dann auf den langen Weg weg von diesem König. Die Weisen haben zunächst nur ein Ziel: diesen König zu finden. Doch stellen sie sehr schnell fest, daß dieses Ziel zu einem neuen Aufbruch wird. Die Reise ist nicht vorbei – Christus zu finden ist lediglich der Anfang.

Christus zu finden ist lediglich der Anfang. Da passiert etwas mit den Weisen, diesen Astrologen, diesen Suchenden, als sie erkennen, wer dieser neugeborene König eigentlich ist: ein Kindlein, geboren in eine einfache Familie, der Messias, dessen Kommen seit langer Zeit vorhergesagt wurde, ein Messias, der die Welt auf den Kopf stellt, und zwar nicht durch rohe Macht oder Gewalt, sondern in Demut. Ein König, wie er nicht in den offensichtlichen Palästen gefunden wird, aondern ein König, der unter seinem Volk und bei seinem Volk wohnt.

Und sie zogen auf einem anderen Weg wieder in ihr Land, so lesen wir. Viele interpretieren das ganz wörtlich: da Herodes von diesem Kinde nichts erfahren darf, nehmen die Weisen ganz weise einen anderen Weg. Doch da steckt mehr dahinter. Ihre Wege ändern sich. Die Richtung ihres Lebens ändert sich. Sie haben den König gesehen, das Kind – wie könnten sie nach dieser Erfahrung je wieder ihr altes Leben leben?

Und ich denke, daß es würdig und recht ist, daß wir uns an die Weisen erinnern und ihren Ehrentag gebührend feiern, da wir nun die Weihnachtszeit hinter uns lassen und in ein neues Jahr gehen. Ich frage mich manchmal, warum Menschen so begeistert den Beginn eines neuen Jahres feiern und dabei oft auch sehr emotional werden. Ich denke mal, daß die meisten von uns dahintergekommen sind, daß sich mit dem Beginn eines neuen Jahres nicht alles auf wundersame Weise verändert – daß wir eben nicht bei null anfangen. Doch haben viele diese tiefe Sehnsucht nach einem Neubeginn, einem frischen Start, einer neue Chance. Wir wollen das Alte zurücklassen und mit Hoffnung und frischer Energie in das neue Jahr gehen. Wir brauchen diese Momente, in denen wir eine Tür hinter uns zumachen können, um eine neue zu öffnen. Einen gewissen Abschluß zu finden und neuen Möglichkeiten entgegenzusehen. Uns auf das Neue zu freuen. Und das ganz besonders, nachdem wir gerade erst wieder das neue Leben erfahren haben – das Kind in der Krippe gesehen haben, den König, den Sohn, der uns gegeben ist. Im Jesuskind sehen wir all unsere Hoffnung Fleisch werden. Nun ist es an der Zeit, in diese Hoffnung hineinzuleben.

Und so geht unsere Reise weiter. Christus zu finden ist lediglich der Anfang. Wir haben gerade erst die Tür zu einem neuen Jahr geöffnet. Und, so wie die Weisen, haben wir die Wahl: sollen wir auf den alten Wegen wandeln? Oder öffnen wir uns dem Geheimnis der Weihnachten, dem Geheimnis des Wortes, das Fleisch wurde, dem Geheimnis eines Gottes, der mit uns und für uns ist, und ändern unsere Wege im Lichte Gottes?

Und sagen Sie mir nicht, daß sie keinen Grund dazu sehen, Ihre Wege zu ändern – Sie haben doch alle schon einmal gute Vorsätze für das neue Jahr gehabt, oder? Wir wissen doch alle, daß es vielleicht ganz gut wäre, wenn wir uns gesünder ernähren und mehr bewegen und unsere Laster aufgeben würden – wenn wir unsere Wege änderten.

Und wie wäre es mit eher spirituellen Vorsätzen? Wie können wir unsere Wege ändern, individuell und vielleicht als Gemeinde? Können wir darauf vertrauen, werden wir darauf vertrauen, daß God mit uns geht und bei uns ist, auch wenn wir nicht wissen, wohin die neuen Wege uns führen mögen? Werden wir darauf vertrauen, daß Gott uns führen und leiten wird?

Weihnachten ist nicht vorbei. Die Geschichte geht weiter. Gott kommt unter uns, an jedem neuen Tag, um bei uns zu wohnen und mit uns zu sein. Wir haben die Geschichte der Geburt Jesu gehört – wir haben den König gesehen – und unsere Reise geht weiter, weg von der Krippe, und in eine Welt hinaus, in der die Gegenwart Gottes gebraucht wird. Mögen wir die Geschichte und die Verheißung der Weihnacht in unseren Herzen tragen, da wir auch weiterhin im Lichte Gottes wandeln. Und mögen wir getreu all den verschiedenen Wegen folgen, auf die Gott uns führt. Auch, wenn die Dekorationen wieder auf ein gutes Jahr verschwinden – möge die Erinnerung an die heilige Nacht in uns Fleisch werden, indem wir die Hoffnung mit Weisheit in die Welt hinaustragen.