Warum haben wir einen Kirchenkalender mit vielen verschiedenen Kirchenjahreszeiten? Warum behandeln wir nicht jeden Sonntag so wie alle anderen während des Kirchenjahres? Zunächst einmal wäre es wahrscheinlich etwas monoton, vielleicht sogar langweilig, wenn jeder Sonntag gleich wäre. Schließlich haben wir ja auch besondere Tage in unserem Lebensrhythmus, wie Geburtstage und Hochzeitstage. Da gibt es Zeiten, in denen wir arbeiten, und Zeiten, in denen wir uns ausruhen. Und geradeso, wie nicht jeder Tag und jede Phase unseres Lebens gleich ist, so haben wir auch verschiedene Rhythmen und Zeiten des Gedenkens und des Feierns in der Kirche.

Man könnte vielleicht sagen, daß das Kirchenjahr irgendwo den Zyklus des Lebens reflektiert, mit all seinen Höhen und Tiefen – den ordinären Dingen und den besonderen Zeiten. ‚Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde‘ – so heißt es schon im Buch der Prediger. Und es scheint so, als wäre es gut und wichtig, daß wir jeder Sache und jedem Unternhemen in unserem Leben seine rechte Zeit und rechten Raum geben.

In der vergangenen Woche haben wir miterleben müssen, wie Terror Leben zerstӧren kann – schreckliche Nachrichten erreichen uns aus aller Welt, und in diesem Lande gab es wieder einmal eine Massenschieβerei, diesmal in Nordkalifornien. Und wir werden daran erinnert, daβ es viel Dunkel und Übel in der Welt gibt, und daβ wir noch nicht erlӧst sind. Der Zyklus des Kirchenjahres mit seinen Zeiten der Freude und des Feierns, aber auch der Zeiten der Reflektion und des Trauerns, gibt uns die Mӧglichkeit, Gott auch in den schweren Tagen zu erfahren. Wir kӧnnen uns gegenseitig Trost und Kraft geben. Deshalb kommen wir zusammen.

Lassen Sie uns also auf das Kirchenjahr zurückschauen, und Gott loben und preisen – Gott, der alle Zeit und auch all unsere Lebenserfahrungen durchdringt, auch und gerade die Zeiten der Dunkelheit;  Gott, war und ist und wird  immerdar sein.

ADVENT

Das Kirchenjahr beginnt mit dem Advent. Advent bedeutet ‘Ankunft’, und es ist eine Zeit, in der wir uns auf das Ankommen Gottes in unserem Leben vorbereiten. Und Gott kommt nicht nur zu uns als das Kind in der Krippe, sondern als der dreieinige Gott, der un sim Hier und Jetzt berühren will, und der uns am Ende der Zeiten in das Himmelreich sammeln wird. Das Hauptthema wӓhrend der Adventszeit ist Hoffnung – das Licht, das in der Dunkelheit leuchtet – eine Hoffnung, die darauf vertraut, daβ letztlich Sünde, Übel und Tod überwunden werden. Darum zünden wir im Advent die vier Kerzen auf dem Adventskranz an – um eben zu symbolisieren, daβ das Licht Gottes nicht bezwungen werden kann, egal, wir dunkel die Zeiten sind, in denen wir leben. Die Stimmung im Advent ist reflektiv – wir alle sind dazu aufgerufen, unsere Herzen auf das Kommen Gottes vorzubereiten.

WEIHNACHTEN

Die Weihnachtszeit ist frӧhlich. Wir feiern die Geburt Jesu Christi – und wir freuen uns, daβ Gott Mensch wie wir alle wird, verletzlich und nahbar. Gott wird Mensch, und das Wort wird Fleisch. Unser Erretter kommt auf die Welt.

EPIPHANIAS

Nach Weihnachten, das übrigens 12 Tage land gefeiert wird, und zwar nach Heiligabend, kommt die Epiphaniaszeit. Epiphanias bedeutet Erscheinung, oder besser noch: glorreiche Erscheinung. Wir gedenken daran, daβ Gott in aller Ehre unter uns erschienen ist; dies wird in den drei Weisen aus dem Morgenland ausgedrückt, die dem Stern folgen – durch Gottes Stimme, die vom Himmel nach der Taufe Jesu erschallt, die Jesus als Gottes Sohn verkündigt – und in der wundersamen Verklӓrund Jesu auf dem Berggipfel in der Gegenwart seiner Jünger. Ja, Gott wurde Mensch – doch dieser Mensch ist und bleibt auch Gott. Also ist Epiphanias direkt mit Weihnachten verknüpft, indem Christus, wahrer Mensch und wahrer Gott, verkündigt wird.

PASSIONSZEIT

Die Passionszeit ist die Zeit im Kirchenjahr, die Ostern vorangeht. Der Hӧhepunkt der Passionszeit ist die Karwoche, die letzte Woche vor Ostern, in der wir des Leidens und Sterbens Christi am Kreuz gedenken. Traditionell werden 40 Tage der Passionszeit begangen, da Jesus 40 Tage in der Wüste verbrachte, fastete und betete, um sich über seine Berufung und seine Identitӓt als Sohn Gottes klarzuwerden. Die 40 Tage der Passionszeit haben für uns ӓhnliche Bedeutung wie die 40 Tage Jesu in der Wildnis: wir gedenken des Leidens und Sterbens Christi und bedenken dabei, was dies für uns und unsere Berufung als Christen in der Welt bedeutet. Unser ganzes Leben steht im Schatten des Kreuzes. Somit ist die Passionszeit eine Zeit des Gebets und des Fastens. Passion ist übrigens das leteinische Wort für leidenschaftliche und aufopfernde Liebe. Wir sehen dies in Jesu Tod am Kreuz – und im Wirken von Christen in der Welt.

OSTERN

Ostern beginnt am Ostersonntag und dauert fünf Wochen. Am Ostertag feiern wir die Auferstehung Christi und Gottes Sieg über den Tod, auch unseren Tod, hallelujah! Jesu Auferstehung ist das wichtigste Ereignis, an das wir als Christen glauben. Somit ist Ostern der wichtigste Tag auf unserem Kirchenkalender. Nimmt man Ostern weg, so hat der christliche Glaube wenig Sinn. Die ersten Christen erkannten dies bereits, und etablierten Ostern als den ersten christlichen  Feiertag überhaupt. Unser Glaube steht und fӓllt mit Ostern. Die Osterzeit ist eine Zeit, sich zu freuen und das Leben zu feiern.

PFINGSTEN

An Pfingsten feiern wir das Kommen des Heiligen Geistes unter die Anhӓnger Christi. Zunӓchst waren die Jünger selbst nach der Auferstehung Jesu verzagt und orientierungslos – doch Gottes Geist, der Lebensatem, trieb sie aus ihrem Versteck heraus und in die Ӧffentlichkeit, wo sie dann begannen, das Evangelium frei zu verkündigen. Gottes Geist treibt auch uns immer noch um – er ermutigt uns, erfrischt uns, stӓrkt uns, und atmet Leben in unser Leben als Gemeinde. Durch den Heiligen Geist ist Gott bei uns, immerdar.

TRINITATIS

Trinitatis bedeutet Dreifaltigkeit – und mit dem Kommen des Heiligen Geistes ist die heilige Dreifaltigkeit, Vater, Sohn, und Heiliger Geist komplett. Wir feiern den einen Gott in der Dreifaltigkeit, der sich zu uns in verschiedenen Formen wendet, doch immer mit dem einen Ziel: uns zu versӧhnen und zu sich zu ziehen. Gott ist ein Gott der Beziehung, und dessen gedenken wir am Trinitatissonntag. Und wir bekennen das Geheimnis des dreieinigen Gottes jeden Sonntag im Glaubensbekenntnis.

SONNTAGE NACH TRINITATIS

Nach dem Trinitatissonntag beginnt die lange Zeit der Sonntage nach Trinitatis, welche bis in den November anhӓlt. Im Vergleich zu anderen kirchlichen Jahreszeiten sind die meisten Sonntage nach Trinitatis eher gewӧhnlich, mit der Ausnahme des Reformationssonntages und Allerheiligen. Diese Zeit im Kirchenjahr erinnert uns daran, daβ Gott auch, und vielleicht gerade, zu uns in den gewӧhnlichen Dingen des Lebens kommt – wir dem Gebet und Brot und Wein. Ja, es ist wichtig, besondere  Zeiten des Reflektion und des Feierns zu haben – doch Gott ist bei uns an jedem Tag, egal, ob gewӧhnlich oder besonders. Und wir werden auch daran erinnert, daβ es keiner besonderen Dinge bedarf, um unseren Ruf als Christen in der Welt zu erfüllen, sondern daβ es hauptsӓchlich einfache Taten der Liebe und Barmherzigkeit sind, die Gottes Gegenwart in der Welt verkündigen.

EWIGEITSSONNTAG

Am Ende des Kirchenjahres steht ‘Ewigkeitssonntag’, oft auch ‘Totensonntag’ genannt. An jenem Tag gedenken wir der Toten, und besondern derer, die im vergangegen Jahr verstorben sind. Wir trauern an jenem Tag. Doch weist der Name ‘Ewigkeitssonntag’ darauf hin, daβ wir in Hoffnung leben – in Hoffnung auf das ewige Leben, das Gott uns durch seinen Sohn Jesus Christus schenkt. Wir empfehlen jene, die verstorben sind, als auch uns selbst Gottes imemrwӓhrender Gnade und Güte an. Und wir vertrauen darauf, daβ Jesus Christus über Leben und Tod herrschen wird, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.