Wochenreflektion in der Passionszeit – “Im Schatten des Kreuzes”; 17. März 2015

celtic cross nevern

 

Denn in Christus ist alles geschaffen,

was im Himmel und auf Erden ist,

das Sichtbare und das Unsichtbare,

es seien Throne oder Herrschaften

oder Mächte oder Gewalten;

es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen.

Und er ist vor allem,

und es besteht alles in ihm.”

Kolosser 1, 16-17, Lutherbibel 1984

Heute ist ‘St. Patrick’s Day’, der ‘Patrickstag’; dieser Tag wird in Irland und an vielen anderen Orten in der Welt gefeiert. Nun ist St. Patrick’s Day auβerhalb von Irland zumeist lediglich ein guter Vorwand, um exzessiv zu trinken, und all das zu feiern, was irgendwie ‘irisch’ ist (und das schlieβt ganz unchristliche Folklore mit ein). Doch erinnert der Patrickstag, wie auch andere altehrwürdige Heiligentage (wir z.b. der Valentinstag und Nikolaustag),  an eine wahrhaftige Person mit einem wahrhaftigen Leben.  Und dieses Leben wurde zur Ehre Gottes und im Schatten des Kreuzes gelebt.

Der heilige Patrick ist der wichtigste aller Heiligen in Irland. Ihn umranken viele Legenden (z.b. von Schlangenvertreibung und dem vierblӓttrigen Kleeblatt). Die wichtigste Quelle über sein Leben haben wir durch einen Brief, den Patrick selbst schrieb, und in dem er sein turbulentes Leben berichtet.

Patrick lebte im 5. Jh. n.Chr. und kam aus einer privilegierten heidnischen Priesterfamilie, die im rӧmischen Britannia lebte (heutiges England und Wales).  Als er 16 war, wurde er von irischen Piraten entführt und nach Irland verschleppt (ich spazierte an einem der Strӓnde, an dem Patrick angeblich enführt wurde – es gibt mehrere Orte, die diese Ehre für sich in Anspruch nehmen). Patrick wurde sechs Jahre lang in Irland als Sklave gehalten.  Er sehnte sich sehr nach seinem alten, privilegierten Leben, und heckte schlieβlich einen Fluchtplan aus. Nach einer langen und gefӓhrlichen Reise kam er wieder zu Hause an.

Für mich sind das erstaunlichste über Patricks Leben nicht die Sagen und Mythen, die ihn umranken; nein, was mich am meisten fasziniert ist die Tatsache, daβ Patrick, kurz, nachdem er wieder auf der britischen Insel angekommen war, von Gott berufen wurde, wieder nach Irland – dem Ort seiner Pein und seiner Peiniger –zurückzugehen und als Missionar zu wirken. Und daβ Patrick diesem Ruf folgte. Der Rest ist Geschichte. Der heilige Patrick was nicht der erste christliche Missionar in Irland, doch sehr viel erfolgreicher als seine Vorgӓnger. Das liegt vor allem daran, daβ er die vorherrschenden religiӧsen Traditionen und Symbole nicht einfach verdammte, sondern diese im christlichen Kontext interpretierte. Keltische Kreuze, so wie das Kreuz aus dem 12. Jh., das Sie im Bild sehen, sind ein Beispiel, wie vorchristliche Symbole und Formen in den neuen Glauben aufgenommen wurden.

Der Kreis mit den verschlungenen Motiven ist ein uraltes keltisches Symbol für das Universum und die Verbundenheit aller Dinge. Es gibt die Theorie, daβ die verschlungenen Motive, die wir an vielen keltischen Kreuzen finden,  ein Versuch sind, die Webtrukturen von Grӓsern, Zweigen und Schilfrohren zu imitieren – und daβ keltische Kreuze jahrhundertelang aus organischen Materialien gefertigt worden waren, bevor die ersten Steinkreuze geschaffen wurden.  Diese Theorie würde erklӓren, warum wir heute keine Steinkreuze finden, die vor dem 8. Jh. n. Chr. geschaffen wurden.

Eine andere Theorie besagt, daβ Patrick derjenige war, der das christliche Kreuz mit dem keltischen Kreis und seinen verschlungenen Motiven kombinierte, und so ganz bewuβt das Leben und Sterben Christi mit der Erfahrung des Gӧttlichen im Universum verband. Bis zum heutigen Tag betont keltisches Christentum, daβ es würdig und recht ist, alle Aspekte unseres Lebens und die Vielfalt der Schӧpfung zu ehren, da alles miteinander verbunden ist – und auch verbunden mit dem Geheimnis Christi.

Christus starb für die gesamte Schӧpfung – und nicht nur für eine beschrӓnkte Anzahl von Menschen. Daran erinnert uns das keltische Kreuz. Patrick verstand, daβ sein Leben auf mysteriӧse Weise mit dem Leben derer, die ihm Unrecht taten, durch Gott verschlungen ist. Er verstand, daβ sein Leben, wie alles menschliche Leben, ein Teil von Gottes Mysterium ist, das wir in der Natur, in Ereignissen, und in Tradition erfahren.

Diese Woche mӧchte ich Sie darum einladen, einen Stein am Fuβe des Kreuzes mit einem Gebet für Gottes gesamte Schӧpfung niederzulegen. Erinnern Sie sich daran, daβ Sie ein Teil dessen sind, was Gott geschaffen hat, und wie zerbrechlich der Kreis des Lebens ist.