Predigt zu 5. Mose 26,1-11; Lukas 4, 1-13; Erster Sonntag in der Passionszeit – 14. Februar 2016

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Kaum zu glauben, aber wir sind nun in der Passionszeit. Dies ist die Zeit des Jahres, wenn wir als Christen des Leidens und des Todes Christi gedenken. Schon seit urchristlichen Zeiten haben die Anhӓnger des christlichen Glaubens diese Zeit mit besonderen spirituellen Praktiken begangen, wie Gebet, Reue, Fasten, Almosen und Wallfahrten. All dieses Praktiken wurden als ein Zeichen der Hingabe an Gott und Gottes Willen verstanden; und unsere Hingabe ist lediglich ein schwaches Abbild der Hingabe Christi and den Willen des himmlischen Vaters um des Heils der Welt willen.

Solche Praktiken wurden auch als ein Weg verstanden, Gott nӓher zu kommen und Heilung und Frieden zu finden. Dieses Jahr wӓhrend dieser Passionszeit mӧchte ich Sie also einladen, einige dieser uralten Praktiken, die unseren Vorfahren im Glauben so wichtig und gehaltvoll waren, zu entdecken, oder wiederzuentdecken. Ich denke, daβ, wenn wir uns nur die Zeit nehmen, solche Praktiken eine Labsal in diesen recht hektischen und manchmal irrsinnigen Zeiten sein kӧnnen.

Nun wird die Passionszeit manchmal als eine recht trübe Zeit verstanden, eine Zeit, in der wir aufgerufen sind, Opfer zu bringen, die wir eigentlich gar nicht bringen wollen. In der Passionszeit geht es darum, etwas aufzugeben – soviel wissen die Leute, und etwas aufzugeben ist halt nicht so einfach. Es hat schon seinen Grund, warum wir am ersten Sonntag der Passionszeit, Jahr für Jahr, die Geschichte von Jesu Versuchung in der Wüste hӧren; Versuchung ist eine überaus menschliche Erfahrung, und wir alle haben es wohl schon einmal erlebt, daβ wir uns nur allzu leicht dazu versuchen lassen, unseren Begehren nachzugeben anstatt Dinge oder Gewohnheiten aufzugeben, von denen wir denken, daβ wir ohne sie nicht leben kӧnnen. Mit der Versuchung im Nacken, wie kӧnnen wir also die Passionszeit als eine Zeit der reichen Spiritualitӓt erfahren, anstelle einer Zeit, in der wir entweder nichts besonderes tun, oder wenn, dann eher aus einem Pflichtgefühl heraus? Ich denke, da kann uns ein Blick in die heutigen Lesung aus dem Alten Testament, genauer gesagt aus 5. Mose, weiterhelfen.

Die Israeliten sind auf ihrem 40jӓhrigen Zug durch die Wüste, auf dem Weg ins gelobte Land. Sie sind der Unterdrückung in Ägypten entkommen, einem Land, in dem sie nie wirklich zu Hause waren, sondern als verdӓchtige Fremde angesehen wurden.

Gott versorgt die Israeliten auf ihrer Reise mit allem, was sie brauchen, mit Manna und Wachteln, z.B.; doch ist das nomadische Leben ein sehr einfaches Leben. Die Menschen haben nicht viel. Doch bereitet Gott sie auf das Leben im gelobten Land vor; dies geschieht hauptsӓchlich durch hunderte verschiedener Gesetze, von denen die 10 Gebote lediglich die Spitze des Eisberges sind. Doch sprechen diese Gesetze auch von Gottes Verheissungen. Es wird besser werden. Und die heutige Lesung aus 5. Mose ist ein gutes Beispiel dafür.

Zu diesem Zeitpunkt sind die Israeliten fast an ihrem Ziel angelangt – die 40 Jahre neigen sich ihrem Ende entgegen. Die Menschen haben das gelobte Land von Weitem gesehen, ein reiches Land, ein fruchtbares Land, in dem Milch und Honig zu flieβen scheinen. Sie sind Feuer und Flamme, den Jordan zu überqueren und dieses Land endlich in Besitz zu nehmen. Und Gott macht ihnen auch weiterhin darauf Appetit, indem er beschreibt, wie wunderbar dieses Land ist, und wie reich das Volk Israel sein wird, und daβ es rauschende und frӧhliche Feste zur Ernte geben wird.

Aber – und bei Gott gibt es hӓufig ein ‘Aber’ – Gott weist sein Volk zur selben Zeit dazu an, nie zu vergessen, wer für den Reichtum und die Fruchtbarkeit des Landes verantwortlich ist; und wer es war, der es ‘aus Ägypten führte mit mӓchtiger Hand und ausgerecktem Arm und mit groβem Schrecken, durch Zeichen und Wunder’. Gott gebietet seinem Volk, nie zu vergessen, wo es einst hergekommen ist, und daβ allein die Gnade Gottes es zu Reichtum gebracht hat. ‘Mein Vater war ein Syrer und nahe dem Umkommen und zog hinab nach Ägypten und war daselbst ein Fremdling mir geringem Volk’ – dies ist heute noch ein Glaubensbekenntnis im Judentum.

Gott erinnert sein Volk daran, daβ es eine Zeit gab, in der es wenig hatte und ein Auβenseiter war. Und daβ es allein Gott zu verdanken ist, daβ es nun in Reichtum leben kann. Und so gebietet Gott den Israeliten, die ersten Früchte der Ernte zu nehmen und den Priestern zu bringen. Nun hӧrt unsere heutige Lesung leider da auf, wo wir erfahren, was mit diesen Gaben geschieht: damit werden zum einen die Preister unterstützt, die selbst das Land nicht bebauen, aber dann auch die Armen und Schwachen in der Gesellschaft, wie Witwen und Waisen, jene ohne Schutz. Und übrigens ist da jedes dritte Jahr der Zehnt erwartet. Mit einem Bruchteil der Ernte kӧnnen also idealerweise die Schwachen ernӓhrt werden.

Und diese Gaben sind mit Festen des Erntedanks zu begehen – das Geben ist ein Akt der Erinnerung, ein Akt der Dankbarkeit, ein Akt der Freude. Aufgeben bedeutet zurückgeben. Geben ist kein Akt des schuldigen Gewissens oder des Pflichtgefühls; es ist ein spiritueller Akt. Und wo gegeben wird, wird so viel mehr empfangen: die Gewiβheit, daβ Gott uns versorgt. Und Freude darüber, daβ wir jemandem helfen kӧnnen, der oder die in Not ist. Wir werden so zu Instrumenten des gnӓdigen und groβzügigen Handelns Gottes.

Zumindest war dies die ursprüngliche Intention dieses Gesetzes. Habe ich schon ‘Versuchung’ erwӓhnt? Viele der Prophetensprüche im Alten Testament zeigen, daβ Folgegenerationen, und vor allem die Reichen, irgendwann Gottes Willen ignorierten und sich nicht mehr um den Nӓchsten kümmerten. Und vielleicht waren ihre Argumente ӓhnlich denen, die wir heute so hӓufig in dieser Gesellschaft hӧren: aber ich habe doch so hart für meinen Wohlstand gearbeitet, ganz alleine, warum sollte ich teilen? Ich muβ mich erst um mich selbst kümmern, denn niemand weiβ, was die Zukunft bringt, und ich kann es nicht riskieren, das zu teilen, was ich habe. Mein Reichtum hat oberste Wichtigkeit, irgendwie wird er schon nach unten trӧpfeln – hier sagt man so schӧn, ‘trickle down’. Die Schwachen und Bedürftigen sollten sich am eigenen Schopf herausziehen, wenn wir ihnen Almosen geben, werden sie nie lernen, sich selbst zu helfen.

Und in der Zwischenzeit geht die Welt zur Hӧlle, denn Menschen vergessen Gott, Gottes Fügung, Gottes Gnade und Gottes guten Willen für Gottes gesamte Schӧpfung. Gott strafte die Kӧnigreiche Israel und Juda, weil sie Gott vergaβen – und ihren Nӓchsten in Not. Dankbarkeit, Erinnerung, Freude – all dies was vergessen. Und das Leben aller wurde und wird dadurch ӓrmer. Viele leiden an materieller Armut – und dann soviele mehr an spiritueller Armut.

Ich mӧchte Sie dazu einladen, sich an eine Zeit zu erinnern, in der Sie etwas aufgegeben, etwas weggegeben haben, eine Zeit, in der Sie Almosen gegebn haben; als Sie etwas von dem geteilt haben, das Gott Ihnen anvertraut hat, und es fühlte sich recht und gut an. Vielleicht war es ja eine Spende an diese Kirche. Vielleicht haben Sie etwas zur Orgelrestaurierung beigetragen. Vielleicht waren es Socken und Unterwӓsche für Lutheran Social Services, oder Artikel für die Beutel, die wir für die Obdachlosen in San Francisco gepackt haben. Vielleicht war es eine Spende an eine ganz andere Institution, wie für den Umweltschutz oder Brot für die Welt.

Warum fühlte es sich so richtig und gut an, als Sie diese Gabe spendeten? Ich wette, es hat etwas damit zu tun, daβ Sie an einen bestimmten Zweck oder eine bestimmte Organisation glaubten und Sie wuβten, daβ Sie etwas Gutes durch ihre Gabe beitragen kӧnnen. Ich wette, es hat etwas damit zu tun, daβ Sie eine gewisse Leidenschaft für jenen Zweck hatten oder haben. Und Leidenschaft ist schlieβlich nichts weiter als eine tiefe Liebe, eine Liebe, die gewillt ist, Opfer zu bringen. Vielleicht haben Sie ja auch gespürt, daβ Sie irgendwie Gottes Willen tun. Und dann gibt es da natürlich auch noch Steuervorteile, aber natürlich sollte dies nie der Hauptgrund sein, zu geben.

Zu geben, zu teilen, die ersten Früchte zu bringen, ist eine wundervolle Weise, uns selbst und auch Gott mit der Welt zu teilen – einer Welt, in der es soviele Nӧte gibt. Und die Leidenschaft, die Liebe, die wir teilen, kehrt hundertfach in unsere Herzen zurück.

Gerade erst habe ich eines unserer Mitglieder besucht, das nicht mehr zur Kirche kommen kann. Diese Person hat nicht genug Geld, um vernünftig über die Runden zu kommen. Und doch gab mir dieses Mitglied am Ende des Besuchs etwas Geld, das ich ablehnen wollte, aber diese Person bestand darauf – weil sie ihre Freude und Dankbarkeit darüber ausdrücken wollte, daβ die Matthӓusgemeinde all die Jahre eine Heimat gewesen ist. Und das wollte ich diesem Mitglied nicht nehmen. Und so nahm ich das ‘Scherflein der Witwe’ an.

Ich weiβ, daβ einige unter Ihnen nicht viel Flexibilitӓt mit ihrem Einkommen haben, wenn überhaupt. Und ich will Ihnen um Himmels willen kein schlechtes Gewissen machen oder Sie auffordern, etwas zu geben, wenn Sie es einfach nicht kӧnnen. Aber alle anderen mӧchte ich doch in dieser Passionszeit dazu herausfordern, diese spritituelle Übung auszuprobieren: denken Sie einmal darüber nach, wofür Sie Leidenschaft haben, und ich meine für welche Zwecke oder Organisationen. Ihre spirituelle Übung besteht darin, ganz bewuβt etwas – oder etwas mehr – für diesen Zweck zu geben. Muβ ja nicht unbedingt Geld sein, es kann ja auch Ihre Zeit oder Arbeit sein. Indem Sie etwas weggeben, schaffen Sie Raum für etwas anderes. Und ich bin mir sicher, daβ dieses ‘andere’ Freude, Dankbarkeit, und Liebe sind; eine Liebe für diese Welt, die Gott so sehr geliebt hat, daβ er sogar gewillt war, seinen eingeborenen Sohn zu geben. Amen