Reflektionen zur Adventszeit 2016: Die vier Lichter des Advents – Die zweite Kerze: Frieden

 

Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf  Tag  Schulter; und er heiβt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst. Jesaja 9,6, Lutherbibel 1984

‘Wenn die Macht der Liebe die Liebe zur Macht besiegt, dann wird die Welt Frieden erfahren.’ Jimi Hendrix

Die zweite Kerze, die wir wӓhrend des Advents anzünden, wird manchmal die Kerze des FRIEDENS genannt. Nun wird Frieden oft als das Gegenteil oder die Abwesenheit von Krieg verstanden. Und alle, die einmal Krieg und seine Schrecken erlebt haben, wierden auch die Abwesenheit der stӓndigen Bedrohung von Leib, Gut und Leben als ein besonderes Geschenk ansehen.

Doch wie wir alle wissen, gibt es auch in sogenannten Friedeszeiten Konflikte.

Da gibt es diejnigen in diesem Land, die meinen, daβ es einen Krieg gegen Weihnachten, ‘War on Christmas’, gibt – nur, weil es diejenigen gibt, die ‘Happy Holidays’ anstelle von ‘Merry Christmas’ wünschen, also “Frohe Festtage” anstelle von ‘Frohe Weihnacht’. (Ich persӧnlich habe keine Bedenken, jemandem ‘Happy Holidays’ zu wünschen, da, ‘holiday’ ‘holy day’, also ‘heiliger Tag’ bedeutet; ich betone gerne den heiligen Aspekt der Weihnacht als der Zeit der Geburt Christi). Der ‘Krieg gegen Weihnachten’ ist schon ein starker Ausdruck starker Gefühle.

Doch ist dies meiner Meinung nach eine ziemlich zahme und unbedeutende Angelegenheit. Da gibt es soviel andere Dinge in unserem Leben und in unserer Welt, die uns Unfrieden bescheren: Krankheit, die Sorge um die, die wir lieben, finanzielle Sorgen, der Zustand unseres Landes, der Welt und der Kreatur. Wer denkt, daβ sich die USA derzeit in einem Zustand des Friedens befinden, übersieht, daβ diese Nation derzeit geteilt ist – und die letzten Prӓsidentschaftswahlen sind dafür Beweis. Wir sprechen uns entweder für ‘Black Lives’ (Schwarze Leben) oder ‘Blue Lives’ (Blaue Leben, d.h. Polizisten) aus, wir halten es entweder mit den Wasserschützern im Standing Rock Reservat oder mit der Notwendigkeit des Wirtschaftswachstums, auch auf Kosten der Umwelt, wir sind für oder gegen Waffen, wir definieren (und limitieren) uns gegenseitig aufgrund unserer Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orentierung, Religion, Herkunft, sozialem Status und politischer Vorlieben – und verachten hӓufig diejenigen, die eben nicht zu unserer Gruppe gehӧren.

Wir mӧgen nicht offenen Krieg gegeneinander führen, doch gibt es da viele Spannungen, die manchmal leidenschaftliche und auch gewalttӓtige Reaktionen hervorrufen.

In diese Realitӓt hinein wird Christus geboren, der Friede-Fürst. Die Engel über Bethlehem versprechen uns “Friede auf Erden’. Da passiert etwas besonderes – wir werden Zeugen eines Wunders: Christus wird unter uns geboren, das Kind in der Krippe, ein armes und hilfloses menschliches Wesen in einer armen und unterdrückten Gesellschaft. Hier ist Gott, der, durch die Macht der Liebe die Liebe zur Macht besiegt, und zwar dadurch, daβ er selbst machtlos wird. Jesus Christus ist die fleischgewordene Liebe Gottes, eine Liebe für alle Kreatur. Diese Liebe beschert uns Frieden.

Nun ist Frieden nicht unbedingt die das Vermeiden von Spannungen; das hebrӓische Wort für Frieden, ‘Shalom’, bedeutet soviel mehr: Wohlbefinden. Ganzheit. Heil. Sicherheit. Integritӓt – die ja im Grunde nichts anderes ist, als der Friede, den wir mit uns selbst und vor Gott haben. Paradoxerweise finden wir dann Heil und Ganzheit, wenn wir uns selbst anderen mit-teilen. Wir finden Integritӓt, wenn wir uns vor Gott und dem Nӓchsten verӓuβern. Wir finden Frieden, indem wir um Gerechtigkeit und Mitgefühl ringen. Vermeidung  und die Vortӓuschung, daβ alles irgendwie in Ordnung ist, führen ironischerweise irgendwann zu wahren Konflikten – wenn die Dinge die lange unter der Oberflӓche schlummerten, dann doch mit Gewalt hervorbrechen.

Bis an dem Tag, an dem die ganze Schӧpfung den wahren und vollkommenen Frieden im Reich Gottes findet, müssen wir alles Mӧgliche (und vielleicht Unmӧgliche) tun, um die Botschaft von Gottes Frieden in unseren Herzen anzunehmen und in die Welt hinauszutragen: einem Frieden, der nicht ohne die Liebe zu Gott, dem Nӓchsten, dem Feind und uns selbst erwirkt werden kann, einem Frieden, der nicht ohne Kampf errungen wird. Einem Frieden, den wir im Menschen Jesus Christus finden, dem Kind in der Krippe und dem Mann am Kreuz.

Mӧgen wir diesen Frieden, Gottes Frieden, einen Frieden, der alle Vernuft übersteigt, finden.